Steirer auf Live-Tour

Raphael Wressnig: „Gefühl ist das Allerwichtigste“

Musik
07.04.2023 11:00

Seit gut 20 Jahren begeistert der steirische Hammondorgel-Spieler Raphael Wressnig die Menschen in der ganzen Welt. Heute konzentriert sich der 43-Jährige im Blues-, Jazz-, Soul- und Funk-Bereich auf zwei Kernprojekte, die ihn aber noch immer zu Konzerten und Festivals auf der ganzen Welt führen. Wir haben mit ihm über die Magie der Musik, österreichische Hürden und nachhaltige Veränderungen in der Pandemie gesprochen.

(Bild: kmm)

Falco war Nummer eins in Amerika, Bilderbuch hatten eine Tour als Supportband und mit einem Vintage-Amateurvideo so getan, als hätten sie den dortigen Markt erobert, doch abseits des großen Pop-Rampenlichts hat es der steirische Organist Raphael Wressnig tatsächlich zu einer richtigen Nummer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschafft. Zwischen New York, Chicago und New Orleans ist der 43-jährige Meister der Hammond B3 Orgel ein gefragter Musiker, der sich behände und geschickt zwischen Soul, Blues, Jazz und Weltmusik bewegt. Nicht schlecht für einen passionierten Instrumentalisten, der im musikalisch eher unauffälligen Bad Radkersburg in der Südsteiermark geformt wurde. „Ich war früh viel in Graz unterwegs, wo es eine sehr vitale Blues- und Jazzszene gibt“, erzählt uns Wressnig im Interview, „wenn du damit etwas erreichen willst, musst du natürlich aus Österreich hinaus. Da bliebt gar keine andere Wahl.“

Spezielles Mentoring
2002 erscheint das Debütalbum „Manic Organic“ und in seinen frühen Jahren teilt sich seine musikalische Partnerschaft auf in eine Zusammenarbeit mit dem Steirer Sir Oliver Mally und dem Louisiana Blueser Larry Garner. Inspiriert von Orgel-Größen wie Jimmy Smith, Jimmy McGriff oder Hank Marr sind im etwaige Genrefesseln schon immer viel zu eng gefasst. „Ich war sehr früh mit amerikanischen Bands auf Tour und hatte tolle Möglichkeiten, international unterwegs zu sein. Das hat mir viele Bahnen geebnet und mir ein tolles Following von Fans beschert. In Österreich versucht man für gewöhnlich immer alles auf Deutsch zu machen, aber das hat mich nie interessiert. Genauso wenig habe ich hinterfragt, ob etwas kulturelle Aneignung wäre. Ich spielte in Bands, lernte tolle Musiker kennen und wurde ordentlich gefordert. Das Mentoring in Amerika heißt nichts anderes, als dass man ordentlich in den Hintern getreten wird.“

Während er hierzulande auf eine treue, aber überschaubare Fanbase baut, ist man in den USA von Wressnig begeistert. Das renommierte „Down Beat“-Jazzmagazin nominierte ihn schon fünfmal zum besten „Organ Player“ des Jahres und 2014 nahm er mit „Soul Gumbo“ sein bisher prägendstes Album in New Orleans auf. „Beim Jazzfestival in Dubai hatte ich eine US-Band zusammengestellt, die mit mir im Studio war. Ich habe sehr viel mit dem Gitarristen Alex Schultz gearbeitet, aber auf Dauer wurde die Organisation zu aufwändig.“ Ein Leben in Amerika kann sich Wressnig nicht vorstellen. „New York wäre mir etwa viel zu hektisch. Es hat schon einen Grund, warum der Mississippi-Blues nicht von dort kommt. Ich bin eher ein Fan der fetten Veranda, auf der man im Schaukelstuhl sitzt und in Ruhe auf seinem Instrument klimpert. Insofern geben mir die Weinberge in der Südoststeiermark die nötige Ruhe und Kraft für meine Kreativität.“

Zwei Hauptprojekte
Neben der bloßen Geografie ist Wressnig auch der Wettbewerbsgedanke in den USA zu heftig ausgeprägt. „Wenn ich schon in New Orleans wohnen würde, dann würde ich dort auch den Ton angeben wollen - und nicht einfach nur mitschwimmen. Es wäre ein guter Platz zum Leben, aber wenn man dauernd auf Tour ist, muss man erst wieder kompliziert von dort ausschwirren. Aus Wien, Frankfurt oder Amsterdam komme ich mit dem Flugzeug sehr schnell woanders hin.“ Mittlerweile hat Wressnig seine Projekte auf zwei Hauptfelder dezimiert. Einerseits spielt er oft und gerne mit seiner nationalen Soul Gift Band, andererseits mit den brasilianischen Prado-Brüdern Igor und Yuri, mit denen er dieser Tage das brandneue Livealbum „More Groove, More Good Times“ veröffentlicht. Aufgenommen im Oktober 2022 im Grazer Orpheum und jetzt für eine Vinylveröffentlichung aufgehübscht.

„Die Musik floss sehr gut und das hat Publikum das gespürt“, erinnert sich der Steirer an den Abend zurück, „die beiden Brasilianer haben zudem ein extra Maß an Energie, fast schon Aggressivität in einem guten Sinne, was dem Blues oder Funk sehr guttut. Igor ist gleich alt wie ich und hat im Prinzip eine ähnliche Geschichte, nur eben aus Brasilien und nicht aus Österreich. Wir können die Rohheit und den Dreck des ,Real-Deal-Blues‘ mit der Finesse der Moderne zusammenführen, was man dem Material gut anhört. Im Prinzip müssen die anderen Musiker in meinen Projekten sehr tief drinnen sein, was natürlich eine gewisse Menge Zeit und Aufwand bedeutet. Das ist ein weiterer Grund, warum ich mich mittlerweile auf die zwei Hauptprojekte konzentriere.“ Wressnig liebt es, Musik zu spüren. Die Melodieführung, die Harmonien, der Groove und die Linien sind ihm das Wichtigste. „Das Gefühl ist für mich das Unmittelbare an Musik. Es ist wichtiger als alles andere.“

Musik als Gefühl
Was Wressnig an den USA fehlt, sind Ungezwungenheit und Grenzenlosigkeit. „In Österreich ist das Niveau im Blues- und Jazzbereich enorm hoch, aber alles ist betont europäisch geprägt. Ich habe schon früh gelernt, wie lässig und organisch Stile zueinanderfinden können, wenn man es zulässt, doch diese Verbindung fehlt mir hier ein bisschen. In Österreich regieren immer noch die Geschmackspolizei und Vorgaben, was zum guten Ton gehört. Das habe ich in Amerika anders kennengelernt, weil Musik nach Gefühl entsteht. Egal, ob es sich um Jazz, Soul, Blues, Funk oder alles zusammen handelt.“ Die Pandemie hat Wressnigs Zugang zur Musik leicht verändert. „Es wäre angenehm, jeden Winter einen Monat zu haben, an denen man weder auf der Bühne, noch im Studio steht, sondern sich Raum und Zeit für neue Gedanken gönnt. Im Alltag wird man zu schnell von Verpflichtungen eingeholt, aber ich habe in der Corona-Ruhe unheimlich viel dazugelernt.“

Live-Konzerte
Mit seiner Soul Gift Band ist Raphael Wressnig im Zuge des „Vienna Blues Spring“ am 12. April im Wiener Reigen zu Gast. Karten für das Konzerthighlight gibt es noch unter www.oeticket.com und voraussichtlich noch an der Abendkassa. Unter www.raphaelwressnig.com gibt es alle bisher fixierten Tourtermine des Steirers, der zwischen Bad Radkersburg und Barcelona bzw. Melk und Mécleuves in Frankreich bis zum Sommerende gut gebucht ist.

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