Die „Krone“ vor Ort
Proteste, Streik, Gewalt: In Paris regiert die Wut
„Man spürt die schlechte Stimmung überall, sie deckt alles zu. So war es noch nie in dieser Stadt.“ Doris Barbier lebt seit 30 Jahren in Paris, sie unterrichtet an der Universität Sorbonne, die derzeit, wie so vieles im Land, lahmgelegt ist. Die Sorge um die Zukunft ist ihr deutlich anzumerken, die Österreicherin berichtet von einer aggressiven Stimmung, davon, dass kein Ende abzusehen ist und niemand weiß, wie es weiter geht.
Macrons Interview goss noch Öl ins Feuer
Aus den zunächst friedlichen Protesten wurden im Lauf der vergangenen Tage teils brutale Ausschreitungen, Müllcontainer und Autos werden in Brand gesteckt, Geschäfte demoliert, Hunderte Beamte erlitten Verletzungen, für Randalierer klicken die Handschellen. Den Zorn der Franzosen zusätzlich entfacht hat ein TV-Interview von Präsident Emmanuel Macron. Dort hatte er gemeint, die Pensionsreform, für die er keine gesicherte Mehrheit zustande gebracht und sie dann mit der Brechstange durchgesetzt hatte, sei kein Vergnügen. Er nehme in Kauf, dadurch unbeliebt zu werden. Allein diese Aussage ist eine enorme Untertreibung, Macron ist bei den Franzosen schon seit langem unpopulär bis verhasst. Er steht für eine abgehobene Elite, die keinen Zugang zum Volk findet.
Mittlerweile geht es gar nicht mehr nur um die Pensionsreform, ein Prestigeprojekt von Macron, das die Anhebung des Rentenantrittsalters von 62 auf 64 Jahre (als unterste Grenze) vorsieht. Es geht um Grundsätzliches, und zwar schlicht gegen Emmanuel Macron. Der Präsident verliert zunehmend die Kontrolle. Immer wieder kommt es in Paris zu spontanen Demos, gestern gingen die Gelbwesten auf die Straße, und auch gegen ein Einwanderungsgesetz wurde protestiert. Lehrer streiken ebenso wie Busfahrer oder die Müllabfuhr.
Besuch von britischem König Charles abgesagt
Zusätzlich peinlich für Macron ist, dass er den geplanten Besuch des britischen Königs Charles absagen musste. Brennende Barrikaden, während im Élysée-Palast fein diniert wird, dieses Bild wollte der französische Präsident dann doch nicht abgeben. Was die Bevölkerung im Vorfeld besonders erzürnt hatte: Ursprünglich hatte Macron ein festliches Essen, zubereitet von einem Haubenkoch, im berühmten Spiegelsaal von Schloss Versailles geplant. „Dekadenter geht es nicht mehr“, so die Reaktion der Pariser.
Dass sich die mehr als angespannte Lage bald wieder beruhigt, davon geht hier niemand aus. Zu groß sind Unzufriedenheit und Frust. Für kommenden Dienstag ist bereits der nächste Generalstreik angesagt.
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