Nobel-Held Zeilinger:

„Ein wenig Zufall tut uns Menschen schon gut!“

Wissenschaft
05.10.2022 06:00

Mittlerweile 24 Jahre ist es her, dass in einem Kellerlabor in Innsbruck erstmals Teilchen „gebeamt“ wurden. Es war im Jahr 1998, als es Anton Zeilinger mit seinem Team im Kellerlabor des Innsbrucker Instituts für Angewandte Physik nachweislich gelang, ein Lichtteilchen zu teleportieren. Erinnerung an ein ungewöhnliches „Krone“-Interview.

Ich durfte den plötzlich weltbekannten Quantenphysiker für die „Krone“ interviewen. Damals war Zeilinger mit 52 so „jung“ wie ich heute. Und ich grübelte auf dem ganzen Flug nach Innsbruck, was ich ihn, den angesehenen Professor, wohl fragen könnte. Denn bei seinen Experimenten und der Physik dahinter steigt man ja als Laie schnell aus.

Zeilinger, damals noch an Kopf und Kinn eine Mähne roter Wuschelhaare, saß am Telefon, diskutierte am Hörer mit einem Kollegen, ließ mich in seinem Büro hinsetzen und warten. Nervös dachte ich immer noch über Fragen nach, da sah ich auf einer ansonsten mit Formeln bemalten Tafel in großen altgriechischen Buchstaben „Happy Birthday“ stehen.

Ich konnte diese „Geheimbotschaft“ lesen, weil ich - zwar unglaublich schlecht, aber doch - Altgriechisch in der Schule gehabt hatte. Und als der Professor auflegte, fragte ich ihn: „Haben Sie Geburtstag?“

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte er überrascht. Ich hatte seine Aufmerksamkeit. Zwei Minuten später probierten wir aus, wer „Ilias“ und „Odyssee“ auswendig weiter aufsagen konnte (er gewann haushoch), und als wir dann noch feststellten, dass er und ich, beide, Cello gelernt hatten - er zudem noch Kontrabass - und klassischen Jazz schätzen, war das Eis gebrochen.

Bei Aufnahmeprüfung in Mathematik durchgefallen
Er erzählte mir von der Ironie, dass ausgerechnet er mit neun Jahren bei der Aufnahmeprüfung ins Wiener Gymnasium Fichtnergasse in Mathematik durchgefallen war. Und dass er viele seiner besten Einfälle im Publikum sitzend im Konzertsaal hätte. - Zum Leidwesen seiner Frau würde er dann das Mozart und Beethoven gewidmete Programmheft mit Notizen vollkritzeln.

Als es dann doch um die Gesetze der Physik ging und um das unberechenbare, scheinbar zufällige Verhalten von Quantenteilchen, sagte er nachdenklich: „Für mich ist der Zufall ein sehr positiver Aspekt im Leben. Mir würde der Gedanke gar nicht gefallen, dass alles vorherbestimmt, mit Zahnrädchen verbunden ist. Da tut ein wenig Zufall uns Menschen schon gut!“

Mehrfach preisgekrönter Wissenschaftler
Anton Zeilinger ist mehrfach preisgekrönt, von der Isaac-Newton-Medaille bis zum Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien. Aber es zeichnete ihn auch damals das Verspielte, Neugierige aus und die Tatsache, dass ihm die Teamleistung immer viel wichtiger war und ist, als sich selbst im Rampenlicht zu sehen.

Schon 1998 schwirrte der Name von „Mr. Beam“ in Nobelpreiskreisen herum. Bei den Buchmachern hieß es dann aber, Zeilinger sei noch zu jung dafür.

Jetzt ist es so weit. Und ich bin ein bisschen stolz darauf, einmal mit einem Nobelpreisträger um die Wette alte Reime von Homer aufgesagt zu haben. - Da soll noch einer sagen, tote Sprachen wie Latein und Altgriechisch wären heutzutage zu nichts gut.

Zur Person:

  • In Ried im Innkreis (OÖ) erblickte Anton Zeilinger am 20. Mai 1945 das Licht der Welt.  Im Gymnasium in Wien wurde das Interesse für Physik von einem Lehrer geweckt. „Er vermittelte uns, dass wir Einsteins Relativitätstheorie verstanden haben. Was natürlich nicht stimmte.“ Fünf seiner Schüler schlossen das Physikstudium ab. 
  • Er habe „das Riesenglück gehabt“, seine Doktorarbeit bei Helmut Rauch (1939-2019) zu machen, dem Urvater der Quantenoptik in Österreich, so Zeilinger.
  • Mit ergrautem Rauschebart und krausem Haar wurde er zum Medienstar, mit Namen wie „Mr. Beam“, „Quantenpapst“, „Popstar der Naturwissenschaft“ oder „Hexenmeister aus Wien“.  
  • „Anton Zeilinger stellt alles infrage: Albert Einstein, den Dalai Lama, elementares Wissen über die Welt. (...) Der Quantenphysiker hat einen unstillbaren Drang, Gewissheiten zu hinterfragen, einen unverrückbaren Glauben an den Zufall und einen feinen Sinn für Humor“, beschreibt ihn die „Neue Zürcher Zeitung“.

Tobias Micke, Kronen Zeitung

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