„Geschichte verändert“

Politiker würdigen verstorbenen Gorbatschow

Ausland
31.08.2022 07:03

Nach dem Tod des letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, haben zahlreiche internationale Politiker ihr Beileid ausgedrückt und ihn gewürdigt. Der frühere Generalsekretär des Kommunistischen Partei hatte maßgeblich zum Ende des Kalten Krieges beigetragen. Der Friedensnobelpreisträger starb den Berichten zufolge im Alter von 91 Jahren in Moskau.

Das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin erklärte in einem kurz gehaltenen Beleidstelegramm an die Angehörigen: „Michail Gorbatschow war ein Politiker und Staatsmann, der gewaltigen Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte ausgeübt hat. Er hat das Land zu einer Zeit dramatischer Veränderungen geführt und den großen Reformbedarf erkannt. Er hat versucht, seine Lösungen für das Problem anzubieten.“ Zudem ging der russische Präsident auf Gorbatschows Engagement nach dessen Amtszeit als Staats- und Parteichef ein: „Besonders betonen möchte ich die große humanitäre, wohltätige und aufklärerische Tätigkeit, die Michail Sergejewitsch Gorbatschow all die letzten Jahre ausübte.“

„Mann mit einer bemerkenswerten Vision“
US-Präsident Joe Biden würdigte Gorbatschow als einen „Mann mit einer bemerkenswerten Vision“. Er habe sich in der Sowjetunion nach Jahrzehnten brutaler politischer Unterdrückung für demokratische Reformen eingesetzt, erklärte Biden am Dienstag (Ortszeit). „Dies waren die Taten einer außerordentlichen Führungspersönlichkeit - einer, die die Vorstellungskraft besaß, eine andere Zukunft für möglich zu halten, und den Mut hatte, die gesamte Karriere zu riskieren, um dies zu erreichen. Das Ergebnis war eine sicherere Welt und größere Freiheit für Millionen von Menschen.“

Biden erklärte weiter, Gorbatschow habe an Glasnost und Perestroika geglaubt - nicht als bloße Schlagworte, sondern als den Weg nach vorn für die Menschen in der Sowjetunion nach so vielen Jahren der Isolation und Entbehrung. „Als Führer der UdSSR arbeitete er mit (US-)Präsident (Ronald) Reagan zusammen, um die Atomwaffenarsenale unserer beiden Länder zu reduzieren, zur Erleichterung der Menschen weltweit, die für ein Ende des atomaren Wettrüstens beteten.“

„Einzigartiger Staatsmann“
UNO-Generalsekretär António Guterres hat sich „zutiefst traurig“ über den Tod Gorbatschows gezeigt. Dieser sei ein „einzigartiger Staatsmann“ gewesen, der den Lauf der Geschichte verändert habe, ließ Guterres am Dienstag mitteilen. „Er hat mehr als jeder andere dazu beigetragen, den Kalten Krieg friedlich zu beenden.“ Der Portugiese sprach der Familie Gorbatschows und der Bevölkerung Russlands sein Beileid aus. Die Aussage des Friedensnobelpreisträgers, dass Frieden nicht Einheit in Gleichartigkeit, sondern Einheit in Vielfalt sei, habe dieser mit seiner Politik in die Praxis umgesetzt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte die Bedeutung des ehemaligen sowjetischen Staatschefs für Europa heraus. „Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs“, schrieb von der Leyen am Dienstagabend auf Twitter. Sie bezeichnete Gorbatschow als Führungspersönlichkeit, die zuverlässig und geachtet gewesen sei. „Er ebnete den Weg für ein freies Europa. Dieses Vermächtnis werden wir nie vergessen.“

„Anerkennung wurde ihm in Heimat nie zuteil“
„Michail Gorbatschow prägte wie kein anderer die Annäherung zwischen Osten und Westen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa und dem Ende des Kalten Krieges. Möge er in Frieden ruhen“, twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstagabend. „Tragisch bleibt, dass die Anerkennung, die er im Westen genoss, ihm in seiner Heimat nie zuteil wurde“, bedauerte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf Twitter.

Außenminister Alexander Schallenberg bezeichnete Gorbatschow am Mittwoch gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“ als „großen Staatsmann. “Er hat die Zeichen der Zeit erkannt", so Schallenberg weiter. Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat „kaum einer das vergangene Jahrhundert, aber auch unser heutiges Europa, so geprägt wie er“. „Sein Vermächtnis bleibt - und ist heute wichtiger denn je.“

Der britische Premierminister Boris Johnson würdigte das historische Erbe Gorbatschows. „Ich habe immer den Mut und die Integrität bewundert, die er gezeigt hat, indem er den Kalten Krieg zu einem friedlichen Ende brachte“, schrieb Johnson am späten Dienstagabend auf Twitter. Zudem stellte er Gorbatschow dem russischen Präsidenten Putin gegenüber. „Zu einer Zeit von Putins Aggression in der Ukraine bleibt sein unermüdliches Engagement für die Öffnung der sowjetischen Gesellschaft ein Vorbild für uns alle“, schrieb Johnson.

„Gemeinsame Geschichte verändert“
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den verstorbenen russischen Friedensnobelpreisträger als „Mann des Friedens“. Seine Entscheidung habe den Russen „einen Weg der Freiheit“ geöffnet, schrieb Macron in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter. „Sein Engagement für den Frieden in Europa hat unsere gemeinsame Geschichte verändert.“

„Gorbatschow gab uns Freiheit“
Der prominente liberale russische Oppositionspolitiker Grigori Jawlinski würdigte Gorbatschow als einen Veränderer der Welt. „Gorbatschow gab uns die Freiheit. Er hat Millionen von Menschen die Freiheit gegeben - in Russland und seinem Umfeld und noch dazu der Hälfte Europas“, schrieb der Gründer der Oppositionspartei Jabloko in der Nacht auf Mittwoch im Nachrichtenkanal Telegram.

Jawlinski und die Partei Jabloko sind die letzten Reste der Opposition in Russland. Es liege auch heute in der Verantwortung der Russen, die damals geschenkte Freiheit zu nutzen, sagte Jawlinski. Wenige Anführer hätten einen solchen Einfluss auf die Geschichte gehabt. „In seinen sechs Jahren an der Macht hat Michail Gorbatschow die Welt verändert“, unterstrich der Politiker.

Ließ Menschen Freiheit kosten
Gorbatschow wurde 1985 im Alter von 54 Jahren Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Er setzte an, das System durch politische und wirtschaftliche Freiheiten zu reformieren. Dabei erlaubte seine „Glasnost“-Politik der Transparenz nicht nur Kritik an Partei und Staat. Sie ermunterte Nationalisten, die Unabhängigkeit etwa für die baltischen Staaten forderten. Viele Russen vergaben ihm nicht die Verwerfungen, die durch seine Reformen ausgelöst wurden. Als prodemokratische Demonstrationen 1989 den Ostblock erfassten, verzichtete Gorbatschow auf den Einsatz von Gewalt. Am 25. Dezember 1991 erklärte er im Fernsehen seinen Rücktritt. Aus der Sowjetunion gingen 15 Einzelstaaten hervor.

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