Interview mit Vater

Obsorgestreit: „Wie kann das noch gut ausgehen?“

Ombudsfrau
30.06.2022 14:00

Mit verzweifelten Worten hat ein Kind im Obsorgestreit zwischen seinen Eltern sogar den Bundespräsidenten um Hilfe gebeten - wir haben berichtet. Der Ombusfrau erzählt der Vater im Interview, was danach passiert ist, was er mit Behörden in seinem Verfahren alles erlebt hat und ob er die schmerzhafteste Entscheidung seines Lebens treffen muss.

Ombudsfrau: Eines Ihrer Kinder hat sich an den Bundespräsidenten gewandt. Wie ist es dazu gekommen?
Vater: Mein Kind war bei einem Psychotherapeuten, der vom Jugendamt 1090 Wien bestimmt worden ist. Soweit ich weiß, hat das Kind den Brief vor ihm geschrieben und in einem zugeklebten Kuvert übergeben. Mit der Bitte, ihn dem Bundespräsidenten zu geben. Aber das ist nicht passiert! Der Brief wurde vom Jugendamt abgefangen und ist dann im Akt verschwunden.

Über Sie ist der Brief nach Monaten dann doch in die Hofburg gekommen.
Ja, aber leider sendete sein Büro eine Standardantwort. Das war sehr enttäuschend für mein Kind. Ich wünsche mir noch immer, dass der Bundespräsident meinem Kind persönlich antwortet. Er ist immerhin für unsere Kinder der Papa der Nation. Eine menschliche Geste und Mitgefühl wären schön. Es ist wichtig, dass Kinder in unserer Gesellschaft ernst genommen werden. Nur so bekommen wir Kinder mit Rückgrat, die aufrecht stehen, die vielleicht eines Tages für unsere Werte kämpfen müssen. Dass der erste Mann im Staat genau hinschaut, wäre ein wichtiges gesellschaftliches Signal für uns und auch für andere Eltern.

Warum sollte jemand genauer hinsehen?
Weil man sich in einem solchen Verfahren vollkommen verloren vorkommt. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Eines von vielen Beispielen: Obwohl ein vom zuständigen Bezirksgericht Josefstadt beauftragtes, teures Gutachten schon lange fertig ist, gibt es seit eineinhalb Jahren keine neue Obsorgeregelung und kaum Kontakt zum Papa. Eine Zeit, die für Kinder eine Ewigkeit bedeutet.

Was passiert nun weiter?
Die Richterin hat nun zu Gutachterin und Jugendamt noch die Familiengerichtshilfe hinzugezogen. Mit dem Auftrag, den Antrag meiner Eltern, also der Großeltern, vom April 2021 auf Kontaktrecht zu prüfen. Die Familiengerichtshilfe hat dem Gericht mitgeteilt, dass die Entscheidungsfindung gescheitert ist, weil die Mutter alle Gespräche abgelehnt hat. Überraschenderweise haben sie dann aber empfohlen, alles zu belassen, wie es ist. Also die Großeltern weiter auszuschließen und die Kinder bei der Mutter zu belassen, die gerade die Gespräche scheitern ließ. Der Wille und Wunsch der Kinder, die Großeltern mehr zu sehen und bei mir leben zu wollen, kommt kein einziges Mal in der Stellungnahme vor. Wie auch in fast allen anderen Unterlagen des Jugendamtes nicht.

Zu welchem Ergebnis ist die ursprünglich vom Gericht bestellte Gutachterin gekommen?
Dass es wieder eine geteilte Obsorge geben soll, eine Empfehlung für die Großeltern lehnte sie ab, mit der Begründung, das würde das Gutachten unnötig verlängern. Es dauerte trotzdem zehn Monate! Danach hat das Jugendamt im Auftrag des Gerichts die Kinder extra erneut befragt. Die Kinder lieben ihre Großeltern. Das Jugendamt hat dem Gericht mitgeteilt, dass es jetzt doch keine Empfehlungen mehr abgeben wird. Das ist erstaunlich. Gerade die vielen, aus meiner Sicht unberechtigten, Empfehlungen des Jugendamtes haben 2021 dazu geführt, dass mir der Kontakt zu meinen Kindern verwehrt wurde.

Wie lauteten diese Empfehlungen des Jugendamtes 2021?
Meine Kinder beklagten sich, dass sie von Mitarbeitern des Jugendamtes eingeschüchtert und mit dem Heim bedroht wurden, wenn sie ihre Aussagen nicht ändern. Anstatt meinen Kindern zu glauben, wurde mir vorgeworfen, dass ich meine Kinder dazu manipuliert hätte, etwas gegen das Jugendamt zu sagen. Der auch von den Vorwürfen betroffene Sozialarbeiter empfahl in einem halben Dutzend Mitteilungen an das Gericht, mir die Obsorge zu entziehen. Und jetzt 2022 macht man keine Empfehlungen mehr, nachdem der maximale Schaden bereits angerichtet ist, nämlich der Entzug und die Einschüchterung meiner Kinder. Erst durch das Jugendamt wurde die Situation zwischen mir und der Kindesmutter noch verfahrener als je zuvor. Dazu schweigt das Amt. Nichts, was meine Kinder denken und sagen, dringt über das Jugendamt nach außen. Sie werden so weit wie möglich von der väterlichen Familie abgeschottet.

Haben Sie sich gegen diese Anschuldigungen gewehrt?
Ich habe es natürlich versucht, aber ich musste erkennen, dass das so gut wie nicht möglich ist, da die Wiener Kinder- und Jugendhilfe beschlossen hat, mir Akteneinsicht zu verbieten oder zu behindern. So konnte ich die Vorwürfe erst gar nicht überprüfen und ich verlor den Kontakt zu den Kindern. In meinem Rechtsverständnis halte ich das für sehr bedenklich. Es reichen unbewiesene Vorwürfe eines Sozialarbeiters, der aus meiner Sicht ein Eigeninteresse hatte, von den Vorwürfen meines Kindes gegen ihn abzulenken, um mir die Kinder wegzunehmen. Den Kindern und mir wurde nicht geglaubt.

Das heißt, derzeit warten Sie auf eine endgültige Entscheidung der Richterin zur Obsorge?
Ja! Bisher ist nicht einmal das Kontaktrecht der Großeltern entschieden. Zu den aber noch viel wichtigeren Themen Obsorge, Kontakt, Schule und Ferien gibt es bis heute, einen Tag vor Schulende und Ferienbeginn, erneut keinen Beschluss des Gerichtes. Eine sinnvolle Schul- und Ferienplanung für die Kinder ist so unmöglich. Dieser Alptraum wiederholt sich nun das vierte Mal für die Kinder und uns Eltern. Aus meiner Sicht ist ein Muster zu erkennen, nicht rechtzeitig zu entscheiden, damit alles so bleibt, wie es ist. So werden vollendete Tatsachen geschaffen.

Hat man die Kinder bei Gericht jemals angehört?
Nicht im Zuge einer Verhandlung. Ihre Wünsche und Bedürfnisse schreiben sie seit 2019 regelmäßig mit ihrem Kinderbeistand in Briefen an das Gericht. Die Kinderbriefe sind eindeutig: Beide Kinder wollen bei mir leben und die Großeltern oft sehen. Diese Briefe werden bei Gericht verlesen und dann leider archiviert und ignoriert, als würde es sie gar nicht geben. Deshalb hat mein Sohn aus Verzweiflung den Brief an den Bundespräsidenten geschrieben, um endlich Gehör zu finden!

Und das Jugendamt? Hat dieses den Kinderwillen erhoben?
Aus meiner Sicht werden meine Kinder und ihre Bedürfnisse seit vielen Jahren von Jugendamt und Gericht ignoriert. Die Kinder sind seit 16 Monaten drei- bis viermal pro Woche in Intensivbetreuung durch ein Krisenzentrum, den privaten Verein „ProSoz“, und diverse Therapeuten. Für Freizeit bleibt da nicht mehr viel Zeit. Alle sind direkt vom Jugendamt beauftragt und bezahlt. Dennoch gibt es seitdem keine einzige authentische Aussage der Kinder, was sie sich wünschen, die dem Gericht übermittelt worden ist.

Glauben Sie, man hätte sich diesen enormen Aufwand ersparen können, wenn man einfach versucht hätte, die Obsorge so zu regeln, wie sich die Kinder das in ihren Briefen gewünscht hätten?
Die Wünsche der Kinder waren und sind bis heute klar und gut argumentiert. Punkto Lebensmittelpunkt, Obsorge, Kontakte, Schule, Freizeit, Sport. Dass man sie in den letzten Jahren einfach in all diesen Punkten übergangen hat, ist nicht zu verstehen und zu ertragen und hat zu dieser furchtbaren Familiensituation geführt.

Können Sie sich ein Szenario vorstellen, wie das noch gut ausgehen kann?
Ehrlich, ich habe nach so vielen Jahren jede Hoffnung verloren. Umso mehr ich für meine Kinder und ihre Rechte gekämpft habe, umso stärker wurde der Widerstand der Beamten. Zum Beispiel muss ich zum dritten Mal innerhalb eines Jahres meine Finanzen offenlegen. Nun wurde auch noch ein Wirtschaftsprüfer bestellt, der mich erneut durchleuchten soll. Diesen werde ich vermutlich selbst bezahlen müssen. Man sieht mich als Querulanten. Mit diesem Stempel wird man dann bei keinem Amt mehr als Mensch mit Bedürfnissen und Gefühlen wahrgenommen, sondern nur noch als Systemstörer. Man hat aber mit alledem vor allem meine Kinder getroffen und ihnen großes Leid zugefügt. Ein Bürger, der für die Rechte der Kinder eintritt, kann meiner Meinung nach aber niemals ein Querulant sein.

Werden Sie aufgeben?
Das alles kostet sehr viel Kraft, Zeit und Geld. Es scheint mir, als ob man Eltern wie mich zermürben und zum Aufgeben bringen möchte. Zeit ist eine Waffe! Sie spielt für Beamte keine Rolle, für Kinder allerdings sehr wohl. Ich konnte aber deshalb nicht aufgeben, weil jedes Mal noch etwas Schlimmeres nachkam und ich für meine Kinder eintreten musste. Eines meiner Kinder wollte auch schon beim Jugendamt aus dem Fenster springen. Aber jetzt bin ich so weit, dass ich sagen muss, ich habe alles probiert und bin trotzdem gescheitert. Meine Kinder mussten sich in den letzten eineinhalb Jahren von mehr als 20 fremden Personen verschiedenster Institutionen betreuen und behandeln lassen. Fast 50 Personen waren bisher direkt oder indirekt in diesen Fall involviert. Keiner hat meinen Kindern zugehört. Die Kinder haben das Vertrauen in unsere Gesellschaft verloren. Diese Woche sollte es eine Entscheidung vom Gericht geben. Über Obsorge, Kontakt und die Schulwahl. Ich bin Idealist und hoffe noch immer, dass diesmal im Sinne der Kinder entschieden wird. Sollte dies aber erneut nicht so kommen, dann wird wohl die schmerzlichste Entscheidung meines Lebens anstehen, mich von meinen Kindern zu verabschieden, um ihnen weiteres zusätzliches Leid zu ersparen.

Anmerkung: Das Bezirksgericht Josefstadt und der Verein Prosoz haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Stellungnahme abgeben können. Alle anderen Stellen haben sich nicht gemeldet.

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