Für Alfons Haider war seine Mama „Mutsch“ alles und vice versa. Mit uns sprach der „Schwiegersohn der Nation“ nun über Trauer, was bleibt und was vielleicht noch kommt. Hier lesen Sie das gesamte Interview!
„Krone“: Es ist ungefähr eineinhalb Jahre her, dass deine Mama Anna verstorben ist. Was hat sich denn seitdem grundlegend getan?
Alfons Haider: Es gibt diesen Satz: „Es wird leichter, aber es wird nie wieder gut.“ Das hat sich bewahrheitet. Ich habe mein Leben neu lernen müssen, weil ich mit meiner Mutter zusammen gelebt habe. Ich habe sie die letzten fünf Jahre selbst gepflegt, auf ihren Wunsch. Wenn du mit jemandem wirklich mehr oder weniger 65 Jahre oder 66 Jahre deines Lebens zusammen bist und über Nacht ist derjenige weg … Also wie sie gestorben ist und das Begräbnis, da schaltet man in den Überlebensmodus und bekommt nichts mit. Das realisiert man erst später.
Das kann ich mir gut vorstellen.
Ich war wie gegen die Wand gelaufen. Meine Herzspezialisten sind der Meinung, dass mir das auch diesen Eingriff ein Jahr später eingebracht hat. Es ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man mit jemanden so eng ist. Die Liebe ist größer, aber auch der Schmerz wird größer. Andererseits bin ich froh, sie so lange gehabt zu haben. Ihre letzten Monate waren für sie nicht sehr schön, für mich auch nicht. Ich habe doch in diesen letzten fünf Jahren speziell auch fast alle meine Freundschaften eingestellt und auch Lebensgefährten. Wer mag einen 60-jährigen Partner haben, der heute nicht ausgeht, um 22.00 Uhr schläft, nur Mama hier und da. Das mag niemand aushalten, aber das ist klar, so ist das Leben, ich beklage mich nicht.
Und wann trauerst du jetzt noch?
Es passiert mir so oft, dass mich jemand anspricht auf sie. Gerade jetzt der Taxler, mit dem ich hergefahren bin. Der meinte wie leid es ihm getan hat, „Ach Gott, das mit deiner Mama“. Die öffentliche Meinung von ihr war halt extrem gut. Sie hat mich auf jede Premiere begleitet und die Leute haben’s eben mitbekommen. Ich werde nie vergessen, wie Hans Peter Doskozil, der ja eher als rauer Typ gilt, mir im Auftrag des Bundespräsidenten eine Professur verlieh, sich vorbeugte zu mir und still und heimlich sagte „Die Mama, die schaut jetzt sicher zu“. Da reißt es einen noch auf in solchen Momenten, ja, dann tuts noch weh und dann kommt noch die Gewissheit dazu, dass ich der „letzte“ Haider bin und das mein letztes Viertel des Lebens. Das klingt depressiv, ist es aber keineswegs.
In einem Interview 2011 sagte deine Mama süffisant, du hättest „es nie geschafft, dich von ihr abzunabeln“. Empfandest du das auch so?
Ich hätte es eigentlich umdrehen können und fragen „Wann wirst du dich abnabeln?“ Sie war ja noch hysterisch, wenn ich mit 40 Jahren einen Fallschirmsprung gemacht habe. Sie war eben eine Mutter
Du hast es schon angesprochen: Du bist der letzte Haider dieser Familie, dein Vater ist schon lange verstorben, deine Schwester bereits im Mutterleib. Wen siehst du heute als Familie an?
Ich bin sehr eng mit der Familie Androsch, welche ja auch erst kürzlich einen großen Verlust zu verkraften hatte. Gerade mit den zwei Töchtern Natascha und Claudia und vor allem der Brigitte Androsch. Und ich habe zwei sehr, sehr gute Freunde, den Peter Hörtnagl in Tirol, den kenne ich seit 47 Jahren und Günther Bischof in Wien, den seit 50. Die paar wenigen, sehr engen Freunde sind meine Familie.
Während du im „Überlebensmodus“, also direkt nach Annas Ableben, stecktest. Was hat dich da nicht untergehen lassen?
Es war tatsächlich die Arbeit in Mörbisch, die mein Leben dominiert hat. Und ich muss ehrlich sagen, dass dort meine Freunde, ob das jetzt der Landeshauptmann selbst ist, ob das sein engster Mitarbeiter ist, der Christian Stiller oder mein eigenes Team, alle haben sich wahnsinnig um mich bemüht. Die haben wirklich versucht, mir zu helfen, ohne lästig zu sein. Dort habe ich sehr viel Verständnis und sehr viel Freundschaft gekriegt, aber auch auf der Straße, von fremden Leuten. Das hat schon geholfen.
Bist du jetzt mittlerweile wieder offen für eine eigene Liebesbeziehung? Während der letzten Jahre hast du dies ja mehrfach negiert.
Ich glaube, dass die schwule Szene extrem der Jugend verschrieben ist. Es gibt natürlich auch jüngere Männer, die mit einem älteren zusammen sein wollen. Aber ich habe auch gelernt, in der Sekunde, wo man beginnt, den Prinzen zu suchen, findet man ihn nicht. Vielleicht bin ich nicht bereit, aber in meiner Funktion ist es gerade auch schwierig. Es dürfte in jedem Fall kein Künstler sein.
Du nimmst mir die Fragen vorweg!
Ich habe sehr oft auch gesagt, ich würde nicht gerne mit mir selbst zusammen sein.
Warum? Wenn ich fragen darf.
Wir (Künstler, Anm. der Redaktion) sind so Egomanen. Wir sind so sehr zum „Ersten Platz erreichen“ erzogen worden. Der Beruf ist so gnadenlos. Wir haben keine Feiertage und sind viel unterwegs. Also, es ist der schönste Beruf, aber auch der härteste. Ich war immer froh, wenn jemand nicht wusste, wer ich bin. Darum hatte ich viele Beziehungen im Ausland und hab dann eben gesagt, „ich arbeite beim Fernsehen, mach da den Ton“ oder sowas und hab sie erst dann aufgeklärt.
Wie fielen dann die Reaktionen aus?
Schon überraschend. Und es gab ja auch Zeiten, wo man das noch nicht zugeben durfte. Dann saß derjenige drei Reihen hinter deiner Mutter bei der Premiere und es durfte nicht auffallen, dass man zusammen war. Dafür muss man schon sehr, sehr verliebt sein, oder halt sehr stark unterwürfig sein. Aber ich möchte keine meiner Beziehungen missen. Seit sieben Jahren, muss ich aber zugeben, vermisse ich das Kuscheln. Ich habe einen uralten Teddybären, der ist 30 oder 40 Jahre alt, der sitzt jetzt am Bett neben mir.
Du hast deine Mama Jahre lang voller Hingabe gepflegt. Du selbst hast aber keine Kinder, die das eventuell irgendwann für dich machen könnten. Machst du dir darüber Gedanken?
Das ist das einzig Negative, das ich an meiner Homosexualität empfinde, keine Kinder zu haben.
Also hättest du gerne welche gehabt?
Ich hätte gerne Kinder gehabt, auf jeden Fall. Aber natürlich waren es andere Zeiten und ich musste selbst noch verstehen, dass eine Familie auch mit zwei Müttern oder Vätern komplett ist. Hauptsache, die bedingungslose Liebe ist da. Das Erschreckende ist, dass ich jetzt noch dieser Schwulenhass, der wieder aufkommt. Das ist furchtbar, dass ich das noch erleben muss, dass wir all das, was wir erkämpft haben – auch ich 30 Jahre lang – jetzt wieder den Bach runtergeht. Wegen irgendwelchen rechten oder Menschen, die diese liberale Sicht nicht gelernt haben. Nicht nur bezüglich Homosexualität, egal ob Frauen, Juden, Transgender, ich meine, im Allgemeinen ist der Fortschritt gefährdet.
Hast du einen (prominenten) Frauenschwarm?
Als Kind und Teenager war ich extrem verliebt in Liza Minnelli. Und Doris Day, aber die habe ich nie persönlich getroffen. Liza Minelli schon.
Wie kam es dazu?
Sie habe ich zufällig auf einem Flug von London nach Los Angeles getroffen und dann mit ihr und meinem Freund Günther Bischoff am Gepäckband gewartet, da genau unser Gepäck fehlte. Damals habe ich sie dort angesprochen. Dann, 14 Jahre später kommt sie nach Wien, tritt auf, mit Sammy Davis Junior und Frank Sinatra in der Stadthalle und ich merkte, dass ich mit dem Kamera-Team nicht reinkomme. Ich habe ihr dann über Personal nur „Los Angeles“ und „Gepäckband“ ausrichten lassen, und zwei Minuten später war ich drinnen und konnte sie interviewen. Und dann, wieder sechs Jahre später, ereignete sich die legendäre Szene, als sie mir auf dem Life Ball einen Zungenkuss gab und dazu sagte „Only Safer Sex“.
Alfons, hast du Träume?
Sicher. Einmal würde mich freuen, wenn ich die Menschen, die mir wahnsinnig viel bedeutet haben, noch einmal sehen könnte. Ich bin ja kein kirchengläubiger Mensch, aber ich glaube schon, dass die Energie, die wir gespeichert haben, die Liebe, das Glück, den Hass, die Hoffnung, den Schmerz, dass diese Energie sicher nicht eingegraben wird.
Und hast du Ängste?
Ja, ich habe, glaube ich, die Grundangst jedes Menschen. Ich fürchte mich, dass ich irgendwann einmal nicht mehr Herr meines eigenen Körpers und meines eigenen Geistes sein werde. Das Altern selbst ist kein Problem, im Gegenteil, offenbar ein Segen. Aber Hans Holt hat an meinem 40en Geburtstag zu mir etwas Schönes gesagt: „Ab 50 trägt ein Mensch seine Seele im Gesicht“, da kannst du operieren und tun, was du willst, das sieht man. Und da habe ich wohl Glück gehabt!
Herzlichen Dank für das offene Gespräch!
Danke dir!
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