Thaler im Interview

„EU-Verkehrspolitik ist wie ein Schweizer Käse!“

Tirol
18.04.2022 13:08

Seit drei Jahren ist Barbara Thaler (ÖVP) die einzige Tiroler EU-Parlamentarierin (MEP). Zur „Halbzeit“ im EU-Parlament hat die „Tiroler Krone“ sie getroffen, um mit ihr - bildlich betrachtet - eine Runde zu „Watten“.

„Krone“: Sie „watten“ gerne. Spielen Sie das Kartenspiel lieber klassisch oder ladinisch?
Barbara Thaler: Alles eigentlich. Zum Aufwärmen klassisch, aber auch gerne kritisch oder ladinisch. Ich habe auch immer Karten dabei (zieht ein „Packl“ aus ihrer Tasche).

Nachwatten: Die Eurovignette ist für die Tiroler und für Sie eine Enttäuschung. Hätten sie Ihr Blatt besser spielen können?
Als ich ins Parlament kam, war die erste Lesung zur Eurovignette schon fertig. Für mich als Tirolerin war es schade, dass ich nicht von Anfang an dabei war. Im Parlament habe ich viele positive Punkte herausverhandelt, aber im Trilog mit den Staaten hat mein Kollege aus Italien meiner Meinung nach zu schnell eingelenkt.

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Verkehrspolitik in Europa ist nicht europäisch.

Barbara Thaler

Stehen hier die Interessen der Länder einer europäischen Lösung im Weg?
Exakt. Verkehrspolitik in Europa ist nicht europäisch. Wir haben so viele Ausnahmeregelungen: Es ist wie ein Schweizer Käse.

Im Europaparlament sind verschiedene Länder vertreten, aber auch verschiedene Fraktionen – Sie sind bei der Europäischen Volkspartei. Sticht sich das manchmal?
Ja, es kommt durchaus vor. Wir verhandeln gemeinsam als Europäische Volkspartei. Wir haben sowohl in der Fraktion als auch in der Delegation intensive Gespräche. Aber es gibt bestimmte Themen, wie zum Beispiel „nachhaltige Atomenergie“. Da ist es für Österreich absolut klar, dass Atomenergie nicht nachhaltig ist. Kollegen aus Frankreich sehen das anders. Dann stimmt jeder so ab, wie er es für richtig hält.

Das betrifft doch auch Erdöl, nicht nur Atomenergie.
Da sind wir noch in Verhandlungen, wie man grünes Gas produzieren könnte. Aber prinzipiell gilt: Raus aus fossilen Energien. Bis 2050 will die EU klimafreundlich sein. Ich verhandle erneuerbare Energie-Richtlinien, wo es darum geht, welche Energieform wie deklariert wird. Mir ist wichtig, dass der Bürger selbst entscheiden kann, ob er CO2-arm oder CO2-frei fährt. Das kann ein Elektroauto sein – oder Biodiesel.

Aber auch Biodiesel verursacht CO2.
Ein bisschen, ja. Aber wenn das vorher eine Pflanze war, dann hat sie ja vorher CO2 gebunden. Da gibt es verschiedene Berechnungswege, ich bin ein Fan vom technologieneutralen Ansatz. Ich sage auch klar und stehe dazu: Europa braucht den Verbrennungsmotor.

Warum?
Elektroautos sind nicht für jeden Einsatzbereich möglich: Wenn es zu kalt ist oder die Strecke zu lang wird – da wird es kritisch. Wir können heute noch gar nicht wissen, welche Technologien daherkommen. Wenn der Weg zum Ziel nicht überreguliert ist, dann hat die Industrie und die Forschung die Möglichkeit, gegeneinander im Wettbewerb zu stehen. Das ergibt dann Innovationen und günstigere Produkte. Am Ende steht die CO2-Neutralität, keine Frage.

Haben Sie das Gefühl, dass der Green Deal schnell genug umgesetzt wird?
Man kann im Nachhinein immer sagen, wir hätten früher beginnen müssen. Es geht in die richtige Richtung. Natürlich ist jeder Tag zu viel, aber man kann keinen Schalter umlegen. Das ist Fakt, das muss man einmal sagen. Wir können nicht von heute auf morgen nur noch alle zusammen Elektroautos haben.

Sie sind ja ÖVP-Landesparteiobfrau-Stellvertreterin in Tirol und Vizepräsidentin der Tiroler Wirtschaftskammer. Wenn sich Politik und Wirtschaft nicht einig sind, wer ist Ober, wer ist Unter?
Mir kommt meine Erfahrung aus der Wirtschaftskammer im Binnenausschuss stets sehr zu Gute. Ich bin auch im Austausch mit der Arbeiterkammer, ich versuche die ganze Bandbreite abzudecken.

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Für mich als Österreicherin steht unsere Neutralität überhaupt nicht zur Debatte, aber selbstverständlich hilft Österreich mit.

Barbara Thaler

Wie soll die EU im Ukraine-Krieg weiter vorgehen?
Das Wichtigste ist, nie aufhören zu reden und zu verhandeln. Es braucht Hilfe für die Vertriebenen. Es gibt auch Unterstützung im militärischen Sinne. Für mich als Österreicherin steht unsere Neutralität aber überhaupt nicht zur Debatte, aber selbstverständlich hilft Österreich mit.

Die EU möchte strengere Regeln für Online-Plattformen, Stichwort „microtargeting“ verbieten. Meta zieht die „Sau“ aus dem Ärmel und drohte, Facebook und Instagram dann nicht mehr in Europa zur Verfügung zu stellen. Gibt man dem Konzern nach?
Ich glaube in hundert Jahren nicht, dass sich Meta aus Europa zurückzieht. Diesen Bereich muss man ein wenig regeln. Nicht überregulieren, aber derzeit herrscht ein Ungleichgewicht.

Betrifft das auch die Steuern?
Die Steuer wird leider nicht angegriffen.

Ursula von der Leyen hat – wie die New York Times berichtete – über Kurznachrichten Verträge mit Pfizer ausgehandelt, die nun nicht öffentlich gemacht werden. Warum lässt sich Von der Leyen hier nicht ins Blatt schauen?
Es tut mir leid, aber ich weiß jetzt wirklich nicht, wovon Sie sprechen.

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Wir haben im Europaparlament sehr strenge Regeln was Transparenz betrifft. Jedes Treffen mit Lobbyisten müssen wir dokumentieren.

Barbara Thaler

Lassen Sie sich ins Blatt schauen?
Wir haben im Europaparlament sehr strenge Regeln was Transparenz betrifft. Jedes Treffen mit Lobbyisten müssen wir dokumentieren. Jede Abstimmung ist transparent. Jede Ausschusssitzung ist öffentlich. Es gibt natürlich ein taktisches Vorgehen: Manche Argumente bringst du früher, manche später, wie eben in jedem Watterverein.

Zum Schluss: Stichwort Korruption und ÖVP – wie ist Ihre Meinung dazu?
Das ist weit von meiner Arbeit in Brüssel entfernt, insofern gibt es zu dieser Frage sicher profundere Ansprechpartner!

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