Mladic-Festnahme

Serbiens EU-Beitritt jetzt nur noch eine Frage der Zeit?

Ausland
26.05.2011 14:51
Die fehlende Festnahme des Top-Kriegsverbrechers Ratko Mladic galt stets als größter Hemmschuh für einen EU-Beitritt Serbiens. Und siehe da: Nachdem der Ex-General am Donnerstag verhaftet und ausgeliefert wurde, setzte in Rekordzeit Tauwetter ein. Sämtliche EU-Größen lobten das Land, der Beitritt sei nun nur noch eine Frage der Zeit. Doch zuvor gilt es noch, eine Reihe anderer Probleme aus dem Weg zu räumen.

Die EU-Außenpolitik-Beauftragte Catherine Ashton war gerade auf dem Weg nach Belgrad, als die Meldung von der Festnahme hereinplatzte. Als einer der Ersten gratulierte EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek. Die Festnahme sei eine "gute Nachricht für Serbien, für die Stabilität in der Region und sie gibt Serbiens EU-Beitrittsprozess einen neuen Schwung", betonte er. Und er fügte hinzu: Die Festnahme ist ein "überzeugender Beweis" für Serbiens Bemühungen und seiner Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal.

Die Festnahme von Mladic gilt unter Brüsseler Diplomaten und Experten als großer Durchbruch und "Boost" für Serbiens weiteren Weg in Richtung EU. Viele sehen nun den Weg frei für den von Serbien als nächsten Schritt begehrten offiziellen EU-"Kandidatenstatus". Nun müsse auch die EU ein klares Zeichen setzen und Serbien "möglichst rasch den Kandidatenstatus geben", verlangte der Kroatien-Berichterstatter des EU-Parlaments und langjährige Kenner der Region, Hannes Swoboda.

Erweiterungskommissar lobt "Versöhnung mit Geschichte"
Sogar der mit seiner Wortwahl eher vorsichtige Erweiterungskommissar Stefan Füle ließ über eine Sprecherin ausrichten: "Wir sind der Ansicht, dass Serbien die Bedeutung der vollen Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien und der Versöhnung mit seiner Geschichte und seinem Volk verstanden hat, und dass es entschieden hat, konkret auf dem europäischen Weg weiterzukommen."

Spindelegger: Beitritt in "greifbarer Nähe"
Auch Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger sieht nach der Verhaftung den EU-Beitrittskandidatenstatus für Serbien "in greifbare Nähe" gerückt. "Serbien hat damit eine schwere Hypothek auf seinem Weg in die EU beseitigt", erklärte der Vizekanzler am Donnerstagnachmittag.

Mit der Festnahme "des meistgesuchten vermutlichen Kriegsverbrechers Europas" habe die serbische Regierung "bewiesen, dass sie die vollständige Zusammenarbeit mit dem Haager-Kriegsverbrechertribunal ernst nimmt und auch einen Beitrag zur Aufklärung der schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit 1945 leisten will", erklärte der Vizekanzler.

EU-Staaten blockieren Assoziierungsabkommen mit Serbien
Mladic war bisher das größte Hindernis für Serbien bei der Annäherung an die Europäische Union. So konnte Belgrad 2008 zwar ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit weitreichenden Handelserleichterungen mit der EU unterzeichnen. Wegen des Widerstandes der Niederlande, die stets auf einer Auslieferung von Mladic an Den Haag beharrten, gab die EU aber erst zwei Jahre später grünes Licht für die Ratifizierung. Diese ist immer noch in Gange. Nicht nur die Niederlande, sondern auch Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Litauen, Lettland, Polen, Rumänien und Finnland haben das Abkommen noch nicht ratifiziert.

Die harte Haltung der Regierung in Den Haag steht in Zusammenhang mit dem Srebrenica-Massaker von 1995. Als die Moslem-Enklave durch bosnisch-serbische Truppen erobert und rund 7.800 Stadtbewohner ermordet wurden, hatten die dortigen niederländischen UNO-Truppen die Schutzzone ohne Widerstand den Angreifern überlassen. Als Hauptverantwortlicher des Massakers gilt der damalige bosnisch-serbische Armeechef Mladic.

Der Kandidatenstatus alleine wäre zwar ein enorm wichtiges politisches Signal für die pro-europäischen Kräfte in Belgrad, gilt aber dennoch als bloßer Titel ohne konkret fassbare Vorteile. Mit ihm sind nicht mehr EU-Vorbeitrittshilfen verbunden, entscheidend auf dem Weg nach Brüssel ist die Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen. Gut möglich, so hieß es am Donnerstag in EU-Ratskreisen, dass Serbien beim EU-Gipfel im Dezember den offiziellen EU-Kandidatenstatus erhält, die Aufnahme der Beitrittsgespräche aber an die Festnahme eines weiteren noch flüchtigen Kriegsverbrechers, Goran Hadzic, geknüpft werde.

Nun muss noch Kosovo-Frage gelöst werden
Ebenfalls geklärt werden muss vor einem EU-Beitritt noch die Kosovo-Frage. Belgrad müsse das Land als unabhängigen Staat anerkennen, verlautet es aus Brüsseler Kreisen. Dass die EU die offizielle Anerkennung des Kosovo zur Bedingung für den Beitritt macht, gilt allerdings als nahezu ausgeschlossen. "Ich bestätige, dass weder der Prozess der Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina noch die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo von Belgrad als Bedingung gestellt werden", sagte EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso erst dieser Tage in Belgrad. Bisher haben auch fünf EU-Staaten den Kosovo nicht anerkannt. Doch dies sei alles "Zukunftsmusik", betonen Diplomaten. Denn bis zu einem EU-Beitritt Serbiens würden noch mehrere Jahre vergehen.

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