Richterin befangen?

Scharfe Replik an Buwog-Anwälte im Urteil

Österreich
29.01.2022 11:55

Zwei Seiten im insgesamt 1280 umfassenden Buwog-Urteil betreffen Frau Rat Marion Hohenecker selbst! Sie stand vor allem am Anfang des Prozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser & Co. im Kreuzfeuer der Anwaltskritik - wegen Äußerungen ihres Ehemannes (ebenfalls Richter) auf Twitter über den Hauptangeklagten.

Die Überschrift der Seiten 1239 und 1240 lautet lapidar „Zu den Anträgen“. Der Inhalt ist aber alles andere als lapidar. Fünf der insgesamt 14 Angeklagten monierten, dass sich der Ehegatte der Vorsitzenden in den Jahren 2015 bis 2017 auf Twitter - und somit öffentlich - „abschätzig über den Angeklagten Karl-Heinz Grasser“ geäußert hatte. Und dass es in der Natur der Ehe läge, „dass die Meinung des einen Ehegatten über öffentliche Vorgänge auf den anderen Ehegatten abfärbe.“ Deshalb bestehe zumindest die Gefahr des objektiven Anscheins der Befangenheit.

„Ehefrauen nicht selten anderer Ansicht als ihre Ehemänner“
Frau Rat fehlten da NICHT die Worte: „Wenn die Angeklagten vermeinten, es bestünde, nicht zuletzt aufgrund medialer Berichterstattung, die Gefahr des Anscheins der Befangenheit, so war ihnen zu entgegnen, dass in der Öffentlichkeit bereits seit längerer Zeit bekannt ist, dass Ehefrauen nicht selten anderer Ansicht sind als ihre Ehemänner.“ Und weiter: „Besteht aber ein gesellschaftspolitischer Konsens darüber, dass Frauen im 21. Jahrhundert in Europa eine eigene Meinung ebenso wie ein kritisches Hinterfragen der Meinung ihres Ehegatten zugestanden wird, so gilt dies umso mehr für eine Richterin, der bereits berufsbedingt eine vorurteilsfreie eigene Meinungsbildung zugetraut wird.“

Das sitzt. Die Richterin verweist aber sicherheitshalber auch noch auf Entscheidungen des Präsidenten des Wiener Straflandesgerichtes, Friedrich Forsthuber, auf eine des Oberlandesgerichtes und auf eine weitere des Obersten Gerichtshofes, abgesehen von einer Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Und auch auf die „Schlussworte der Ablehnungswerber, in denen sie die faire und objektive Verhandlungsführung über mehr als zwei Jahre ausdrücklich lobten.“

Damit, so Frau Rat auf Seite 1240 ihres Urteils, „konterkarieren sie ihre Prozessbehauptungen einer befangenen Senatsvorsitzenden und geben beredtes Zeugnis davon, dass sich die Vorsitzende von allfälligen Meinungen ihres Ehegatten nicht hat leiten lassen.“ Wer sie kennt, kann das nur bestätigen …

Gabriela Gödel
Gabriela Gödel
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