In einer emotionalen Rede hat Sebastian Kurz Donnerstagmittag seine Beweggründe erklärt, weshalb er sich völlig aus der Politik zurückziehen werde. Die letzten Monate waren für Kurz „nur mehr Abwehr von Vorwürfen und Verfahren, nicht mehr der Wettbewerb der besten Ideen.“ Das sei schon auch Normalität in der Politik, war für Kurz persönlich aber „sehr zehrend“.
„Ich darf auf zehn Jahre politische Tätigkeit zurückblicken“, eröffnete Kurz sein Statement, er gab sich „extrem dankbar“. Der Ex-Kanzler resümierte die Pfeiler seiner Politik, Migration, Wirtschaft, viel Dank an alle, von denen er lernen durfte.
„Gefühl, gejagt zu werden“
Doch dann wurde es kritischer: „Man hat als Bundeskanzler jeden Tag so viele Entscheidungen zu treffen, dass man in der Früh schon weiß, dass man auch falsche Entscheidungen treffen wird. Man steht immer unter Beobachtung. Außerdem hat man ständig das Gefühl, gejagt zu werden.“ Die letzten Monate waren für Kurz „nur mehr Abwehr von Vorwürfen und Verfahren, nicht mehr der Wettbewerb der besten Ideen.“ Das sei zwar Normalität in der Politik, sei für Kurz aber „sehr zehrend“ gewesen.
„Man hat als Bundeskanzler jeden Tag soviele Entscheidungen zu treffen, dass man in der Früh schon weiß, dass man auch falsche Entscheidungen treffen wird."
Sebastian Kurz
„Bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen“
„Ich habe Fehlentscheidungen getroffen. Ich bin auch oft meinen eigenen Ansprüchen gerecht geworden. Ich bin weder ein Heiliger, noch ein Verbrecher. Ich bin ein Mensch mit Fehlern und Schwächen, mit allem, was dazugehört. Und ich freue mich auf den Tag, an dem ich vor Gericht beweisen kann, dass die Vorwürfe gegen meine Person falsch sind.“
„Es war die Ehre meines Lebens“, schloss Kurz in einem emotionalen Finale der Rede. „Es war unglaublich schön, dem eigenen Land dienen zu können. Und wenn die Politik auch ein robustes Geschäft ist, bekommt man sehr viel zurück, wenn man mit den Menschen im ganzen Land ins Gespräch kommt.“ Kurz bedankte sich außerdem bei seinem Team und auch beim Koalitionspartner, den Grünen.
„Es war unglaublich schön, dem eigenen Land dienen zu können. Und wenn die Politik auch ein robustes Geschäft ist, bekommt man sehr viel zurück, wenn man mit den Menschen im ganzen Land ins Gespräch kommt.“
Sebastian Kurz
„So ein kleines Baby kann man stundenlang anschauen“
Bevor es um die Zukunft der Volkspartei ging, und es wieder stark innenpolitisch wurde, ließ Kurz mit einer weiteren Baby-Referenz aufhorchen: „So ein kleines Baby kann man stundenlang anschauen“, sagte der Alt-Kanzler, „darüber werde ich mein Leben lang eine große Freude empfinden.“ Innerhalb der Türkisen werde die Klubleitung an August Wöginger, in den nächsten Wochen solle es eine geordnete Übergabe „all meiner Funktionen“ geben.
Die Rede schloss er mit den Worten, nun ins Krankenhaus fahren zu wollen, um „seine Freundin und den kleinen Sohn“ abzuholen.
„Es hat klick gemacht“
Ein Beben war kurz zuvor am Donnerstag durch die heimische Innenpolitik gegangen: Sebastian Kurz wolle sich komplett aus der Politik zurückziehen, „die Geburt seines Sohnes hat letztendlich den Ausschlag gegeben“, wie Kurz-Vertraute der „Krone“ erklärten. Als er sein Kind sah, „hat es klick gemacht“. Der ehemalige Kanzler und Chef der Volkspartei wolle sich Österreichs Politik nicht mehr antun.
Nehammer als Nachfolger in Poleposition
Als Nachfolger an der Parteispitze wird Innenminister Karl Nehammer kolportiert. Der 49-jährige Wiener begann seine Polit-Karriere im schwarzen Arbeitnehmerflügel ÖAAB, dessen Generalsekretär er 2016 bis 2018 war. 2018 bis 2020 bekleidete er dasselbe Amt in der Volkspartei, seit Jänner 2020 ist er Innenminister der türkis-grünen Koalition. Mit seiner harten Linie in Flüchtlingsfragen wurde er immer wieder zum Reibebaum für den Koalitionspartner und galt stets als loyal gegenüber Kurz und dem türkisen Asyl-Kurs. Auch der Name von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wird zur Stunde für höhere Weihen genannt.
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