Zwei Jahre sind seit den geheimen Aufzeichnungen des verstorbenen Justiz-Topbeamten Christian Pilnacek vergangen. Es gab unter anderem eine U-Kommission zu politischen Einflüssen auf wichtige Verfahren. Martin Kreutner, Leiter der Kommission, mit einer kritischen Bilanz zur Reaktion der Politik.
Vor zwei Jahren in einem Wiener Innenstadtlokal: Christian Pilnacek, der suspendierte Sektionschef des Justizministeriums, sitzt mit Bekannten zusammen. Er beschwert sich über die ÖVP, die ihn quasi fallengelassen habe und schildert, dass Parteigranden ihn dazu bringen hätten wollen, in Verfahren einzugreifen. Ein Teilnehmer zeichnete dies geheim auf. Die Veröffentlichung nach Pilnaceks plötzlichem Tod sorgte für Riesenwirbel – und unter anderem für die Einsetzung einer Untersuchungskommission unter Korruptionsjäger Martin Kreutner durch die damalige Justizministerin Alma Zadic (Grüne).
Die Kommission konstatierte Bedenkliches. Vor allem bei „clamorosen“ Fällen wie Buwog, Ibiza, Eurofighter etc. Ihr Fazit: „Zweiklassenjustiz“. Nun zieht Kreutner Bilanz, wie mit den Empfehlungen der (international und mit hochrangigen Juristen besetzten) Kommission seitens der neuen Regierung umgegangen wurde.
Missbrauch und Einflussnahme weiterhin möglich
Es habe einige Schritte in die richtige Richtung gegeben, so Jurist Kreutner. Etwa bei der Einigung auf eine mehrköpfige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft. „Doch sind hier noch viele Details offen. Gerade in einem derart heiklen Bereich muss man höllisch aufpassen.“ Welche Personalien, wer bestimmt sie?
Zudem brisant: Der Paragraf 35 c / StPO, der es erlaubte, schon im Vorfeld ohne Ermittlungen Verfahren einzustellen bzw. zu verhindern, wurde zwar auf Anraten der Kommission gestrichen, dafür gibt es nun den Paragrafen 197 a. Der erlaube im Wesentlichen wieder die Möglichkeiten. Und also auch Missbrauch.
Über Anzeigen zu Aliens
„Der Grundgedanke von 35 c war nicht schlecht. Wegen zahlreicher Querulanten. Wenn es Anzeigen etwa zu Aliens etc. gibt, mussten die Behörden dem einmal nachgehen“, sagt Kreutner. Aber der Paragraf habe immer breitere Anwendungen gefunden. Man müsse abwarten, wie der neue Paragraf behandelt werde.
Die Krux nach wie vor sei die Ungleichbehandlung zu den normalen Fällen. „Personen im öffentlichen Leben werden anders behandelt als Max Mustermann. Das eröffnet Möglichkeiten der Einflussnahme. Außerdem gibt es da noch langen Verfahrensdauern, verbunden mit entsprechenden Kosten.“
Warnung vor „rechtsstaatlichem Mittelalter“
Generell fehlt laut Kreutner eine Art Selbstreflexion bei den Verantwortungsträgern. „Man hat unseren Bericht zur Kenntnis genommen und ist manche Empfehlungen zumindest einmal proklamatorisch angegangen. Man müsste aber auch andere Dinge angehen. Etwa die Abschaffung der Zweiklassenjustiz, die Verkürzung der Berichtspflichten und Verfahrensschritte. Es sind alle staatsanwaltschaftlichen Schritte ohnehin gerichtlich überprüft. Das wurde von manchen Politikern unter den Tisch gekehrt.“
Weiterer Punkt: Manche würden sich parlamentarische Kontrolle auch in Einzelverfahren wünschen. Die Legislative des Parlaments müsse davon abgetrennt sein. Sonst könnte die Politik justizielle Maßnahmen später beeinspruchen. „Dann wären wir rechtsstaatlich im Mittelalter. Es gibt noch einiges zu tun.“
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