Gibt auch Knackpunkte

Wie die Ampel in Deutschland funktioniert

Ausland
26.11.2021 06:00

Es ist eine Koalition der Widersprüche, welche SPD, Grüne und FDP in Deutschland erstmals gebildet haben. Kann die deutsche „Ampel“ funktionieren? Können die Sparfüchse der FDP mit den ambitionierten Grünen zusammenarbeiten? Und kann der SPD-Kanzler Olaf Scholz diese breite Regierung zusammenhalten. Die Koalitionsverhandlungen haben gezeigt: Es könnte gehen.

177 Seiten stark ist der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und der FDP. Wie in den letzten Legislaturperioden sehr ambitioniert. „Mehr Fortschritt wagen“ ist das Motto. Aber: Kann man Fortschritt überhaupt aufhalten? Und welche Partei ging als „Sieger“ aus den Verhandlungen hervor, wer musste die meisten Zugeständnisse machen?

Die Klimapolitik ist fest in grüner Hand
Auf den ersten Blick: die Grünen. Positiv wie negativ. Annalena Baerbock wird Außenministerin. Was zunächst wie ein Versorgungsposten für die gescheiterte Spitzenkandidatin aussieht, hat durchaus Sinn. „Sie ist eine profilierte Außenpolitikerin mit klarer Kante gegenüber Russland und China“, sagt Leonard Novy, Direktor des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik.

Auch die Transformation hin zur klimaneutralen Wirtschaft trägt klar eine grüne Handschrift. Mit dem „Superministerium“ Wirtschaft und Klima kann der dafür zuständige Minister und Grüne Co-Parteiobmann Robert Habeck Klimapolitik ohne Querschüsse machen.

Auch das Umweltministerium ist in grüner Hand. Aber ... schon vor Wochen schrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, dass „ernsthafte Klimapolitik unmöglich ist, ohne das Finanzministerium zu kontrollieren“. Und das ist in den Händen der FDP.

Die FDP schaut, dass es nicht zu teuer wird
Finanzminister wird Parteichef Christian Lindner, eher ein Vertreter der konservativen Haushaltspolitik. Mit dem Verkehrsministerium ist zudem noch ein „grüner“ Hotspot in gelber Hand. „Die Rivalität Habeck und Lindner kann ein Knackpunkt in der Koalition werden“, sagt Experte Novy. „Aber auch die FDP musste viele Zugeständnisse machen.“

Der Koalitionsvertrag ist ambitioniert. Nicht nur klima- und wirtschaftspolitisch, auch gesellschaftspolitisch. Im Unterschied zu früheren Koalitionsverträgen fehlen „konkrete Zahlen“, sagt Novy. Sprich: Was wird das Ganze kosten? Man hat sich bewusst vage gehalten, um Verhandlungsspielraum zu haben. Und in Zeiten einer Pandemie wird nicht viel Platz für ein konservatives Sparprogamm der wirtschaftsliberalen Gelben sein. Auch nicht auf EU-Ebene.

Das muss dann Lindner auch gegenüber seiner Basis argumentieren. Positiv: Die FDP, als Partei für wirtschaftsliberales Unternehmertum und Modernisierung, hat den Bereich Digitalisierung über.

SPD-Kanzler Scholz als umsichtiger „Chef“
Und die Kanzlerpartei SPD? Es bleibt noch abzuwarten, welche Themen sich Olaf Scholz ins Kanzleramt holt. Er wird als umsichtiger Regierungschef erwartet. Undankbare Ressorts sind angesichts der maroden Bundeswehr Verteidigung und wegen Covid Gesundheit. Der logische Gesundheitsminister Karl Lauterbach könnte an der Geschlechterparität scheitern. Die SPD muss das fehlende weibliche Ministerpotenzial der FDP ausgleichen.

Einen echten „Gewinner“ der Verhandlungen gibt es nicht. Aber: „Es ist ein der Realität und den Herausforderungen angemessener Koalitionsvertrag“, sagt Novy. Nun muss die „Ampel der Widersprüche“ zeigen, dass sie funktioniert.

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