„Endlich Vernunft“

Fuzzman: Zwischen Vernunft und Abschied

Musik
12.11.2021 06:00

Was ist denn überhaupt vernünftig und brauchen wir Vernunft in unserem Leben? Herwig Zamernik aka Fuzzman stellt sich diese Frage auf seinem neuen Album „Endlich Vernunft“ auf vielfältige Art und Weise. Ansonsten geht es stark um Veränderungen, Abschiednehmen und Adaptionen im Leben. Warum die neue Platte gar so dunkel und intim ausgefallen ist, erzählt er uns im „Krone“-Gespräch.

(Bild: kmm)

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert. Frei nach diesem Motto gibt der landesweit beliebte Fuzzman auf Nachfrage seines Berufs längst nur noch „Schlagermusikant“ zur Antwort. „Das ist doch die beste Berufsbezeichnung, die man haben kann“, lacht er im „Krone“-Gespräch, „das versteht jeder und alle kennen sich aus.“ Natürlich hat Herwig Zamerniks Alter Ego per se nichts mit rhythmischen Bierzeltschunkelhits gemein, doch das Melodiöse, leicht Greifbare und Verbindende lässt er in seinem inhaltsstarken Liedermacher-Kosmos immer wieder durchschwingen. Mundart-Dialekt, Pop, Funk, elektronische Schlenker, viel Beatles-Liebe und schlagereske Einsprengsel verbinden sich schon seit jeher zu einer großen Klang-Gemengelage, auf seinem brandneuen Album „Endlich Vernunft“ hat der Kärntner nun auch noch zunehmend Melancholie, Schwere und eine Nick-Cave-artige Dramatik entdeckt. Unplugged mit E-Gitarre sozusagen, denn derart verletzlich und intim hat sich Zamernik bislang noch nicht in einmal in seinen Naked-Lunch-Preziosen gezeigt.

Katharsis als Treibstoff
Die acht Songs beschwören zwischenzeitlich immer noch Lebenslust, Leichtigkeit und Freude hervor, doch ummantelt vom Opener „An Baum für die Nacht“ und dem Closer „Lafn und Lachn“ drückt sich eine bislang nur selten gehörte Schwermut in den Vordergrund. Die Corona-Zeit ging auch am Fuzzman nicht spurlos vorüber. „Diese Katharsis hat mit uns allen was gemacht. Die ganze Zeit war sehr speziell und in meinem Leben gab es noch mehr Rückzug als ohnehin schon immer. Ich bin nicht wie Iron Maiden 250 Tage im Jahr auf Tour, aber wenn man fast alles absagen muss oder bei Sitzkonzerten spielt, fragt man sich unweigerlich, ob sich wieder alles normalisiert. Ein Konzert ist das genaue Gegenteil vom Social Distancing. Egal ob bei Schlager oder im Metal - es geht um Gemeinschaft.“ Welche Art von Vernunft Zamernik denn nun propagiert, bleibt freilich offen. Doppelbödigkeit, ein feiner Sinn für Ironie und viel Interpretationsspielraum sind seit jeher die markantesten Markenzeichen seiner Kompositionen.

„Die Vernunft ist grundsätzlich uncool. Aber manchmal sind es die vermeintlich uncoolen Dinge im Leben, die uns Halt geben. Ich würde mir im Leben oft mehr Vernunft wünschen, vor allem bei mir selbst“, lacht er, „aber uncool zu sein unterliegt der Gnade des Alters. Ich glaube nicht, dass ich überhaupt jemals in meinem Leben vernünftig war.“ Zamerniks Unvernunft führte immerhin zu drei respektablen Karrieren. Als Bassist bei den Kärntner Death-Metal-Prüglern Disharmonic Orchestra in Teenager-Tagen, als Naked-Lunch-Hälfte und wegweisendes Zentralorgan für die einheimische Indie-Szene und seit 2005 als Fuzzman, wo längst alle Grenzen ausgehebelt wurden, um das zu machen, was einfach raus muss. Eben die Gnade des Alters. Zur vernünftigen Unvernunft passt nicht zuletzt das nostalgische Foto am Cover-Artwork. „Da sitze ich als 13-Jähriger im VW Käfer meiner Mama. Mein Bruder, mein Cousin und ich sind damit so oft im Kreis gefahren, bis der Sprit aus war. Meine Eltern waren zu der Zeit im schönsten Scheidungskrieg und dadurch eröffnete sich uns eine anarchistische Zone.“

Neue Bedeutung
Würde man das Suffix „quer“ heute nicht sofort mit faktenignorierenden Schwurblern konnotieren, könnte man den Fuzzman gut und gerne als Querkopf bezeichnen. Nicht mit der Masse schwimmen, lieber alles von außen beobachten und sich seine eigenen Regeln machen. Auch das kann Vernunft sein. „Endlich Vernunft“ durchzieht vor allem der modrige Mief des Todes. Das Ende und die Dunkelheit sind ausgeprägter denn je und in der partiell eingesetzten Religionskritik schwingt auch Verständnis mit. „Den Ansatz von Religion finde ich gar nicht schlecht. Einen Sinn im Leben oder eine Vernunft zu suchen ist doch gut. Auch in der Schmerzlinderung, wenn alles andere nicht mehr klappt, ist das Besinnen auf die Religion verständlich.“ Während der Corona-Zeit hat Zamernik seine geliebte Mutter verloren. Die schmerzhafte Verabschiedung im Krankenhaus erfolgte in Etappen und mit coronabedingter Distanz und das Lied „Lafn und Lachn“ geriet dadurch so intim und persönlich, dass es Fuzzman eine Zeit lang nicht anhören oder spielen konnte. „Wir haben den Abschied meiner Mutter auf einer Berghütte zelebriert und ich habe das Lied gesungen. Seitdem schwingt ein ganz anderes, viel positiveres Gefühl mit.“

„Endlich Vernunft“ ist kein Album über den Tod, aber zweifellos von der sinistren Stimmung der Lockdowns getragen. Das Abschiednehmen, die Katharsis und Veränderungen durchziehen die Songs. „Mein jüngster Sohn ist jetzt 18 geworden und auch das ist eine nachhaltige Zäsur. Seit ich selbst 18 bin, als mein Stiefsohn in mein Leben trat, bin ich jeden Tag in der Früh für Kinder aufgestanden. Jetzt sind alle Kinder erwachsen - auch das ist eine Art von Abschiednehmen.“ Mittlerweile macht der kleinste selbst Musik und verweigert sich so gut wie möglich gängigen Trends. Der Vater ist stolz auf den Filius, jener findet Papa wenigstens nicht allzu peinlich. „Wenn ich bei seinen Gigs auftauche, dann er kann er mich zumindest dulden.“ Es ist auch kein Zufall, dass er die zwei bleiernen und mit persönlichen Schicksalsschlägen verbundenen Songs erstmals in seiner Karriere auf Kärntnerisch geschrieben hat. So sticht die schwere Klammer um den bekömmlicheren Inhalt noch einmal deutlicher hervor.

Gepflegte Langeweile
Kärntner Lokalkolorit gibt’s ansonsten wieder zuhauf. Nachdem Fuzzman das Lied „Für eine Handvoll Gras“ mit dem Männergesangsverein Obermillstatt eingenommen hat, marschiert er im Video zu „Weil ein Schlager vergeht“ heute mit der Gemeindemusikkapelle Paternion-Feistritz über die südösterreichischen Straßen. Der überzeugte Bergmensch Zamernik fantasiert sich in „Und ich träume vom Meer“ dann sogar an die Adria. „Da geht es um das Gerede von Jemandem, das man nicht mehr hören kann. Das schreit nach Entspannung, daher nach dem Meer. Das Meer ist für mich langweilig. Dort fährt man hin, setzt sich an den Strand und bestellt 800 Biere. Auf den Berg musst du erst mal rauf, bis du dich in der Hütte belohnen kannst.“ Augenzwinkernde Selbstbeschreibungen wie in „Ein Heimatfilm“ dürfen auch nicht fehlen und als Meister des Wortspiels entdeckt man auch beim x-ten Durchlauf noch schöne Schmähs und Finten. „Endlich Vernunft“ sei eine „dunkle Platte“, räumt Zamernik schlussendlich ein, „es gab in den letzten Jahren etwas mehr Dunkelheit als Licht im Leben. So einfach ist das.“ Manchmal darf das vermeintlich Einfache eben auch schwer sein…

Live-Gigs
Fuzzman ist am 12. November im Wiener Rabenhof Theater, am 18. November in Wien bei Rave Up Records und, schon etwas weiter entfernt, am 20. Mai 2022 im OKH Vöcklabruck live zu sehen. Unter www.lotterlabel.at gibt es weitere Infos zu den Konzerten, zum Album und zum Künstler.

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