Vorarlberg spricht

„Die Mehrheiten sind, wie sie eben sind“

Vorarlberg
07.11.2021 17:55

Gleich mehrmals hat Michael Ritsch versucht, Markus Linhart vom Bürgermeister-Thron von Bregenz zu stoßen. Vergangenes Jahr gelang es ihm schließlich. Eine Jahres-Bilanz.

Michael Ritsch ist mit großen Idealen und noch größeren Visionen angetreten, um die Landeshauptstadt aus ihrem Dornröschenschlaf zu holen. Im Interview blickt er auf die ersten zwölf Monate in der Rathausstraße zurück.

Krone: Sie sind jetzt gerade ein Jahr lang Bürgermeister von Bregenz. Haben Sie sich schon akklimatisiert, und welche Überraschungen hat das Amt mit sich gebracht, die Sie vorher nicht am Radar hatten?

Michael Ritsch: Ich war ja vor meiner Wahl zum Bürgermeister 25 Jahre lang Stadtrat, da bekommt man schon einiges mit. Was mir allerdings bis dahin nicht so stark bewusst war, ist, dass man in der Funktion des Bürgermeisters wahrgenommen wird, sobald man das Haus verlässt. Der Satz, den ich nun am häufigsten höre, ist: „Ah, Herr Bürgermeister, nur ganz kurz...“ Deswegen plane ich jetzt einfach immer etwas mehr Zeit ein, wenn ich Termine habe. Diese Gespräche sind wichtig, man erfährt sehr viel dabei.

Seit einem Jahr ist Michael Ritsch Bürgermeister von Bregenz. Er löste Markus Linhart ab. (Bild: Privat)
Seit einem Jahr ist Michael Ritsch Bürgermeister von Bregenz. Er löste Markus Linhart ab.

Krone: Sie haben sich für das Spiel der freien Kräfte und gegen eine Koalition entschieden. Hand auf’s Herz: Bereuen Sie diese Wahl schon?

Ritsch: Nein, ganz ehrlich nicht. Es ist aber ganz klar der schwierigere Weg. Bei jedem Thema muss man unter den fünf Fraktionen neue Mehrheiten suchen. Einfacher wäre es jedenfalls, mit einem Koalitionspartner eine Legislaturperiode durchzuregieren. Wenn man aber möchte, dass sich die besten Ideen für die Stadt durchsetzen, dann ist das Spiel der freien Kräfte der richtige Weg.

Krone: In der Sache Kulturamtsleiterin Judith Reichart, die mit den Stimmen der ÖVP und der Grünen suspendiert wurde, ist dieses Spiel aber zu einem Bumerang geworden, oder?

Ritsch: Ja, es gab aber auch andere Themen, etwa die Parkraumbewirtschaftung in Vorkloster, die ich zurücknehmen wollte. Auch da haben ÖVP, Grüne und NEOS anders entschieden. So etwas muss man als Demokrat zur Kenntnis nehmen. Die Mehrheiten sind, wie sie eben sind. Und in der Sache Judith Reichart hat die Mehrheit so entschieden. Und diese Mehrheit hat das dann auch zu verantworten.

Michel Ritsch entschied sich für das Spiel der freien Kräfte. (Bild: Privat)
Michel Ritsch entschied sich für das Spiel der freien Kräfte.

Krone: Stehen Sie nach wie vor hinter Judith Reichart?

Ritsch: Hier gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft hat bis jetzt keine Anzeige erhoben. Die Suspendierung der Kulturamtsleiterin wäre meiner Meinung nach erst bei einer Anzeige notwendig geworden. Auch unter Bürgermeister Markus Linhart gab es einige solcher Fälle. Dass nun schon vor einer Anzeige suspendiert wird, ist eine neue Dimension.

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Auch unter Bürgermeister Markus Linhart gab es einige solcher Fälle. Dass nun schon vor einer Anzeige suspendiert wird, ist eine neue Dimension.

Michael Ritsch

Krone: Und worauf führen Sie diese neue Dimension zurück?

Ritsch: Vielleicht wollte man einfach von Dingen ablenken, die sich zu dieser Zeit auf Bundesebene abgespielt haben. Fakt ist ja: Wir wissen, dass kein einziger Euro aus dem städtischen Haushalt missbräuchlich verwendet worden ist. Und alles andere ist in Abklärung. Das ist sicher der richtige Weg. Menschlich hat mir die ganze Sache wirklich leid getan.

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Wir wissen, dass kein einziger Euro aus dem städtischen Haushalt missbräuchlich verwendet worden ist. Und alles andere ist in Abklärung.

Michael Ritsch

Krone: Sie haben vor wenigen Tagen die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Thomas Hopfner zurückgezogen. Im Rückblick betrachtet: War es wirklich notwendig, diese Ermächtigung zu erteilen?

Ritsch: In einer sozialistischen Familie darf es einfach nicht vorkommen, dass Telefonate auf Lautsprecher gestellt oder mitgefilmt werden. Ein Funktionär hat das zur Anzeige gebracht. Bei internen Gesprächen haben wir keine Klärung herbeiführen können. Und im Rückblick betrachtet: Ja, es war wichtig, denn es hat dazu geführt, dass die Weichen der Partei neu gestellt wurden - mit Gabi Sprikler-Falschlunger an der Spitze.

Krone: Sie sind angetreten mit dem Versprechen, die Gestaltung der Stadtquartiere neu denken zu wollen. Auch eine Unterflurlösung für die Seestraße haben Sie ins Spiel gebracht. Was ist derzeit Stand der Dinge?

Ritsch: Fix ist der Umbau der Hypo-Unterführung. Dort wird des dann auch eine barrierefreie Möglichkeit des Zugangs zum Bahnhof geben. Zwei Jahre werden die Arbeiten wohl dauern, danach kann mit dem Bau des Ausweichbahnhofs begonnen werden. Und was die Unterflurlösung angeht, so läuft derzeit eine Untersuchung des Landes gemeinsam mit der Stadt Bregenz. Im kommenden Herbst werden die Ergebnisse vorliegen. Aber nachdem es eine Landesstraße ist, braucht es auch einen Landesbeschluss für die Unterflurlösung.

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Da die Seestraße in Bregenz eine Landesstraße ist, braucht es auch einen Landesbeschluss für die Unterflurlösung.

Michael Ritsch

Krone: Glauben Sie an eine Entscheidung für die Unterflurtrasse?

Ritsch: Eine gewisse Bereitschaft ist durchaus zu erkennen, das ist also schon einmal gut. In der Vergangenheit hieß es ja immer: Das geht nicht. Natürlich bleibt am Ende die Frage, ob man auch bereit ist, dieses Projekt zu finanzieren.

Vor seiner Wahl zum Bürgermeister war Ritsch 25 Jahre lang Stadtrat. (Bild: Privat)
Vor seiner Wahl zum Bürgermeister war Ritsch 25 Jahre lang Stadtrat.

Krone: Apropos Quartiersentwicklung: Im Sommer kam es auf der Pipeline zu massiven Problemen, weil sich dort immer wieder hunderte Jugendliche versammelt haben, um zu feiern. Zeigt das nicht auch, dass eine Stadt mehr Freiräume braucht und nicht nur durchstrukturierte Quartiere?

Ritsch: Das Schöne an Bregenz ist, dass das Seeufer frei zugänglich ist. Naherholungsräume in solcher Qualität lassen sich europaweit an kaum einem anderen See finden. Die Plätze sind da. Während der Corona-Pandemie haben sich dann tausende junge Menschen zusammengefunden, und zwar an genau einem Platz. Wenn ganz Vorarlberg zu einer Party auf 400 Metern zusammenrückt, dann funktioniert das Ganze natürlich nicht mehr.

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