Taliban an der Macht

„Seit Abzug keine Handhabe, um einzuwirken“

Politik
10.09.2021 16:14

Man werde die Taliban „an ihren Taten messen“ - so Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nach deren Machtübernahme. In eine ähnliche Kerbe schlugen seine Amtskollegen, etwa in den USA oder Deutschland. Nun schwindet die Hoffnung auf ein gemäßigtes Regime mit jedem Tag, gleichzeitig droht Belarus, Migranten aus der Region nach Europa zu schleusen. Über die Herausforderungen sprach Schallenberg mit Damita Pressl.

In der Übergangsregierung sind nur Männer, nur Paschtunen, und mehrere gesuchte Terroristen; die norwegische Botschaft wurde besetzt, erste Journalisten verhaftet und verprügelt, Demonstrationen verboten. Wie misst man die Taliban also nun an ihren Taten?

„Die Taten sind nicht vielversprechend, um es höflich auszusprechen. Ganz im Gegenteil. Man hat das Gefühl, dass die Taliban das eine sagen, aber das andere tun, und bereits bei der ersten Weggabelung falsch abbiegen. Auch die Zusammensetzung der Regierung ist eine bittere Enttäuschung. Das ist nicht das, was sie gesagt haben. Mehrere Personen stehen auf UNO-Sanktionslisten. Das ist sicher keine gute Voraussetzung“, so Schallenberg.

Bisher „keine einzige“ Bedingung erfüllt
Von den Bedingungen, um die Taliban als legitime Vertretung des Staates Afghanistan zu akzeptieren, sei bislang keine einzige erfüllt. Dennoch sei es zu früh für ein endgültiges Urteil, so der Außenminister: „Ich habe das Gefühl, die Taliban waren selbst überrascht über die Geschwindigkeit, in der sie die neuen Machthaber in Kabul wurden. Es gibt hier sicher auch interne Grabenkämpfe zwischen radikalen und weniger radikalen Flügeln.“

Der humanitäre Zugang scheine in Ansätzen zu funktionieren, ganz wesentlich sei auch der Respekt vor den Grund- und Freiheitsrechten, insbesondere auch der Rechte der Frauen. „Da gibt es öffentliche Stellungnahmen der Taliban, in denen es heißt, Frauen könnten zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Die Taten sehen momentan aber ganz anders aus“, so Schallenberg.

Ob es nicht ein wenig naiv sei, auf Läuterung einer terroristischen Vereinigung zu hoffen? „Die Naivität hat vielleicht jeder Außenminister und Regierungschef der Welt bewiesen - da haben alle dasselbe gesagt. Wir haben eine neue Realität in Afghanistan. Wir haben überhaupt kein Interesse, dass hier ein neuer Hort für Terrorismus und Extremismus entsteht oder dass Afghanistan sicherheitspolitisch ein schwarzes Loch wird und droht, die ganze Region im Strudel mitzureißen.“

Es sei aber so: „Wir stellen Bedingungen. Die Taliban wissen, dass sie unter strenger Beobachtung stehen. Letzten Endes haben wir aber mit dem Abzug keine unmittelbare Handhabe, um auf sie einzuwirken.“

Manche entscheiden sich dafür, doch in Afghanistan zu bleiben
Ein paar Dutzend Staatsbürger oder Menschen mit Aufenthaltsberechtigung in Österreich seien noch vor Ort, sagt Schallenberg. Die Zahl schwanke täglich. Manche würden sich auch dafür entscheiden, vor Ort zu bleiben: „Es gibt das Phänomen, dass wir auch einige Dutzend haben, für die wir schon die Schienen gelegt haben, und die uns nachträglich sagen: Vielen Dank für die Hilfe, aber wir bleiben bis auf Weiteres im Land.“

Wenn es um die Aufnahme besonders gefährdeter Personen geht, bleibt Schallenberg beim bekannten Kurs: „Wir werden hier nicht in Vorleistung gehen. Wir sind derzeit mit der Mammutaufgabe befasst, die afghanischen Staatsbürger, die bereits hier sind, zu integrieren.“ Österreich habe hier bereits viel getan - es sei nun an anderen Staaten, in Vorleistung zu gehen.

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