Das große Interview

Wie türkis wird der ORF, Herr Weißmann?

Politik
15.08.2021 06:00

Türkis und Grün haben Roland Weißmann, nach eigenen Angaben unabhängig und parteilos, an die Spitze des ORF gehievt. Mit Conny Bischofberger spricht der designierte Generaldirektor über Monate des Zögerns, große Pläne, den Misstrauensvorschuss gegen seine Person und die Schweigesekunden beim Antrittsinterview mit Armin Wolf in der „ZiB 2“.

48 Stunden nachdem Alexander Wrabetz am Dienstag als längstdienender ORF-Chef abgewählt wurde und nach einer Runde um den großen Teich mit dem roten Logo im Hintergrund sitzen wir mit Roland Weißmann in einem Besprechungszimmer im 4. Stock des ORF-Zentrums. Sein Dreiachser-Büro (im ORF werden die Zimmer nach den Achsen der kleinen Fenster bemessen) sei zu klein für so was, lacht der neue Generaldirektor. Vor sich auf dem Tisch liegt noch der Zettel mit handschriftlichen Notizen eines zweieinhalbstündigen Gesprächs mit seinem Vorgänger Alexander Wrabetz, der noch bis 31. Dezember die Geschäfte führen wird und angekündigt hat, die Chefredaktionen von TV, Radio, Online und Social Media noch selbst zu besetzen.

Das blaue Boss-Sakko hat sich Weißmann von einem Mitarbeiter geborgt, „wegen der Hitze hab ich ganz drauf vergessen!“

„Krone“: Im Boxen kennen Sie sich ja aus, wird Wrabetz seine Leute noch durchboxen?
Roland Weißmann: Es stimmt, dass ich Boxer bin. Ich trainiere dreimal pro Woche und freue mich immer, wenn ich in meinem Alter gegen viel jüngere Sparring-Partner noch mithalten kann. Was die Bestellungen betrifft, so wird es in nächster Zeit viele Ausschreibungen geben und ich freue mich auf die besten Bewerberinnen und Bewerber. Ich habe mit Alexander Wrabetz in den vergangenen zehn Jahren gut zusammengearbeitet, und so wird es auch in den kommenden Wochen und Monaten sein. Mit großem gegenseitigem Respekt und einer gemeinsamen Mission: Wir wollen beide das Beste für das Unternehmen.

Er könnte sich zum Beispiel Armin Wolf als neuen Digitalchef vorstellen.
Wenn er sich bewirbt, dann freut mich das. Ich halte ihn für einen exzellenten Journalisten. Aber es wird dafür einen korrekten Ausschreibungsprozess geben und den gilt es abzuwarten.

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Der Dienstag war ein sehr herausfordernder Tag für mich. Und dann werden Sie vom härtesten und besten Interviewer des Landes gefragt ...

Roland Weißmann zu seiner ersten Begegnung in der "ZiB 2" mit Armin Wolf

Im ZiB 2-Interview mit ihm waren Sie bei der Frage, was Sie besser können als Alexander Wrabetz, einen Moment - wie man in Wien sagt - „schmähstad“. Was ist da durch Ihren Kopf gegangen?
Das war ein sehr herausfordernder Tag für mich, und dann werden Sie nach zwölf Stunden vom härtesten und besten Interviewer des Landes gefragt. Ich wollte eine respektvolle und nicht überhebliche, intelligente Antwort geben, deshalb habe ich fünf Sekunden - vielleicht waren es auch nur drei - nachdenken müssen. Ich halte das für sehr menschlich, und diesen Zugang möchte ich mir auch in Zukunft bewahren.

Könnte es sein, dass Sie da in einen Loyalitätskonflikt geraten sind?
Hier geht es für mich tatsächlich um Respekt gegenüber dem amtierenden Generaldirektor Alexander Wrabetz. Respekt aber auch gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wrabetz macht das seit 15 Jahren und seine lange Karriere spricht für sich. Ich habe immer gut mit ihm zusammengearbeitet, da werde ich mich nicht hinstellen und sagen, was ich alles besser kann.

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Ich habe immer gut mit meinem Vorgänger zusammengearbeitet, da werde ich mich nicht hinstellen und sagen, was ich alles besser kann.

Roland Weißmann über seinen Vorgänger Alexander Wrabetz

Warum haben Sie 24 von 35 Stiftungsräten dann gewählt?
Das müssen Sie natürlich die Damen und Herren fragen. Ich freue mich über diese breite Zustimmung und denke, dass ich sie mit meinem Zukunftskonzept für den ORF überzeugen konnte. Als Manager und als Journalist. Ich kenne beide Seiten.

Alexander Wrabetz meinte, die Regierung habe ihn abgewählt. Er ist offenbar der Meinung, dass die Regierung Sie reingewählt hat.
Am 31.12.2021 geht eine Periode des Generaldirektors und der gesamten Geschäftsführung zu Ende, es gibt jetzt ein Auswahlverfahren für eine neue Geschäftsführung, da konnte man sich bewerben. So würde ich das einschätzen.

Sie gelten jedenfalls als Wunschkandidat der ÖVP, als Mann von Sebastian Kurz. Wie geht es Ihnen damit?
Ich habe es immer gesagt und sage es jetzt wieder: Ich bin nicht der Kandidat einer Partei, und ich bin auch nicht der Kandidat einer Regierung. Tatsächlich wurde ich von einer breiten Mehrheit gewählt und genau so werde ich auch meine Arbeit anlegen. Man soll mich an meinen Taten messen.

Der ORF-General war doch immer der Kandidat der jeweiligen Regierung.
Nein, nehmen Sie Kreisky und Bacher. Also da wurde im Vorfeld meiner Bestellung viel spekuliert.

Und gepackelt. War das alles ein abgekartetes Spiel?
Überhaupt nicht. Demokratisch legitimierte Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte haben eine Vorstandsentscheidung getroffen.

Und Sie haben überhaupt keine Gespräche dazu geführt?
Ich habe viele Gespräche geführt und die werde ich auch weiter führen. Als Geschäftsführer des Unternehmens ist das ja dann auch meine Aufgabe, mit Stiftungsräten und Stakeholdern - übrigens aller Couleurs - Kontakt zu halten und zu reden.

Gewählt hat Sie trotzdem eine türkis-grüne Mehrheit. Wie türkis wird jetzt der ORF?
Türkis umfärben würde ja implizieren, dass der ORF vorher eine andere Farbe hatte. Tatsächlich ist er aber wirklich rot-weiß-rot, das ist meine tiefe Überzeugung. Die Unabhängigkeit ist das höchste Gut. Dazu gibt es das Redakteursstatut und das ORF-Gesetz, es gibt weisungsfreie Chefredakteurinnen und Chefredakteure, und es gibt weisungsfreie Redakteurinnen und Redakteure. Das wurde mir als jungem Redakteur verinnerlicht. Sollte es darauf Angriffe geben, werde ich in die Verteidigung gehen. Alle, die mich kennen, werden das bestätigen.

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Wenn Sebastian Kurz anrufen sollte, werde ich es mir anhören, aber sollte es eine politische Intervention sein, werde ich der nicht nachgeben.

Roland Weißmann über politische Einflussnahme

Wenn Sebastian Kurz anruft und irgendetwas möchte, was machen Sie dann?
Das, was auch der Generaldirektor vor mir gemacht hat: Ich werde es mir anhören, aber sollte es eine politische Intervention sein, werde ich der nicht nachgeben.

Wann haben Sie Sebastian Kurz das letzte Mal gesehen?
Ich glaube, das war bei „Licht ins Dunkel“, ist also schon lange her.

Wie lange haben Sie eigentlich überlegt, ob Sie sich bewerben sollen?
Das waren schon mehrere Monate. Es war ein Prozess, mich nach 25 Jahren Arbeit für den ORF gedanklich freizumachen für die Position des Generaldirektors. Nur so wird man seine künftige Aufgabe auch gut machen können. Es war ja auch keine „g‘mahte Wies’n“. Man tritt an und muss mit allen Konsequenzen rechnen. Und daher auch Respekt vor allen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern.

Sie sind nie an vorderster Front gestanden. Gefällt Ihnen die Bezeichnung „Schattenmann“?
Schattenmann? (Lacht.) Ich sehe es eher so, dass die besten Moderatorinnen und Moderatoren, die tollen Journalistinnen und Journalisten, bis hin zu unseren Technikerinnen und Technikern und Finanzerinnen und Finanzern im Rampenlicht stehen sollen. Ich werde dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen passen. Weil Sie offenbar Parabeln mögen, könnte man auch in den Fußball gehen, dann würde ich mich als Teamchef bezeichnen?

Wenn Sie künftig der Teamchef sind, was waren Sie dann bisher? Eher ein Stürmer oder der Tormann?
Möglicherweise ein Mittelfeldspieler.

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Wenn man sich für eine so wichtige Position bewirbt, muss man Misstrauen aushalten. Ich will aber auch das Vertrauen der Skeptiker gewinnen.

Roland Weißmann

Wie gehen Sie mit dem Misstrauen um, das Ihnen jetzt entgegengebracht wird?
Wenn man sich für eine so wichtige Position bewirbt, muss man das aushalten. Ich bin ein Marathonläufer und habe einen langen Atem. Und ich will auch das Vertrauen der Skeptiker gewinnen.

Woran wird man Sie messen?
An den täglichen Marktanteilen und Reichweiten, aber natürlich auch am Vertrauen. Der ORF ist mit über 90 Prozent die meistgenutzte und vertrauensvollste Informationsquelle der Österreicherinnen und Österreicher. Wichtig ist jetzt, dass der ORF wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt und dafür in den Schlagzeilen ist, wofür er steht: die besten Programme für unser Publikum, im Radio, im Fernsehen und online.

Wie fühlt es sich jetzt, gerade einmal 48 Stunden nach der Wahl, an?
Schön langsam spüre ich die Verantwortung, die diese große Aufgabe mit sich bringt. Nicht nur für 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für den Umbruch, der gerade weltweit in der Medienlandschaft stattfindet, weil es durch Digitalisierung und Globalisierung ganz neue Spielregeln gibt. Es ist ein großes Haus in einer schwierigen Zeit. Ich bin aber niemand, der hau-ruck in so was hineingeht, ich habe mir das wirklich gut überlegt. Die Frage ist letztlich, ob man sich das wirklich zutraut. Und ich trau es mir zu.

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Schön langsam spüre ich die Verantwortung, die diese große Aufgabe mit sich bringt. Die Frage ist letztlich, ob man sich das wirklich zutraut.

Roland Weißmann

Einige unserer Leser wollen wissen, ob Sie die Macht haben werden, die Gendersprache abzuschaffen …
(Lacht.) Und ich dachte, die Fragen von Armin Wolf wären schwer! Also der ORF hat ja derzeit keine einheitliche Gendersprache. Es wird momentan eine Regelung erarbeitet, bis dahin experimentieren wir individuell.

Gendern Sie persönlich?
Ich habe mir, wie Sie sicher schon bemerkt haben, angewöhnt, immer die weibliche und die männliche Form zu sagen. Ich halte Diversität und Gleichstellung für etwas ganz Wichtiges. Der ORF hat hier eine Vorbildwirkung.

Eine weitere Frage unserer Leserinnen und Leser war, ob unter Ihrer Führung bei den Interviews in Zukunft etwas höflicher gefragt wird.
Ich lege Wert auf respektvollen Umgang, aber die Redaktionen sind weisungsfrei, also ich werde hier nicht eingreifen oder Verhaltensregeln aufstellen.

Lesen Sie die „Krone“ digital oder auf Papier?
Von Montag bis Samstag digital, am Sonntag geh ich zum Münzeinwerfer.

Noch nie eine Krone gestohlen?
Nein, ich werfe immer brav ein.

Sie haben den schwarzen Karate-Gürtel und sind Boxkämpfer. Muss man sich letztlich vor Ihnen fürchten?
Ich bin auch Läufer, das ist nicht gefährlich. (Lacht.) Was ich bei Karate und beim Boxen gelernt habe, ist gegenseitiger Respekt. Egal wie hart man war im Kampf, am Ende umarmt man sich und freut sich, dass man wieder um ein Stück besser geworden ist.

Können Sie auch Ziegelsteine mit der flachen Hand durchschlagen?
Das eine oder andere Holzbrett hab ich schon zerschlagen früher, aber das ist lange her. Boxen hat mittlerweile Karate ersetzt.

Was wollten Sie als Kind werden?
Tierarzt. Ich habe sehr viele Haustiere gehabt: Landschildkröten, Wasserschildkröten, Fische und einen Nymphensittich. Aber dann ist es doch der Journalismus und später das Management geworden.

Haben Sie heute auch ein Haustier?
Ja, einen Hund. Sie heißt „Wuper“, eine Labrador-Dame. Ich habe mir damit einen langen Traum erfüllt. Ich war immer hundenarrisch. Aber das bedeutet ehrlicherweise auch sehr viel Verantwortung und ist sich zeitlich bei mir nicht ausgegangen. Nun teile ich mir den Hund mit meiner Freundin. Ich trainiere ja auch noch für den New-York-Marathon.

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Boxen, laufen, ORF-Chef. Das erfordert natürlich sehr viel Diszplin. Aber Disziplin ist etwas, das mich auszeichnet.

Roland Weißmann

Boxen, Laufen, und jetzt ORF-Chef, wird sich das alles ausgehen?
Mal sehen. Es erfordert natürlich sehr viel Disziplin. Aber das ist etwas, was mich auszeichnet.

BOXKÄMPFER UND MARATHONLÄUFER

Geboren am 16. März 1968 in Linz. Die Mutter war früher Landesbedienstete, der Vater ist verstorben, er war Handelskaufmann. Eine jüngere Schwester, Mikrobiologin. Weißmann studiert zwei Semester Medizin, danach Publizistik und Geschichte an der Universität Wien. 1995 beginnt er seine journalistische Karriere im ORF-Landesstudio Niederösterreich. Nach Stationen bei Ö3, der zentralen Radio-Nachrichtenredaktion und Radio NÖ kommt er 2010 in die ORF-Finanzdirektion, 2012 wird er Chefproducer. Ab 2020 ist Weißmann auch Geschäftsführer von orf.at. Der Boxkämpfer, Marathonläufer und Hundebesitzer lebt mit seiner Freundin in Wien-Hernals.

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