Deutliche Mehrheit

ÖVP hebt Roland Weißmann (53) in ORF-Chefsessel

Österreich
10.08.2021 16:50

Der neue ORF-Generaldirektor heißt - wie erwartet - Roland Weißmann. Der 53-jährige Oberösterreicher löst nach 15 Jahren Alexander Wrabetz (61) ab, der bei der Abstimmung am Dienstag gegen eine deutliche türkis-grüne Mehrheit im Stiftungsrat (24 Stimmen) keine Chance hatte. Wrabetz, der nur sechs Stimmen erhielt, muss damit seine Amtszeit mit 31. Dezember beenden. Immerhin: Er ist der einzige ORF-Chef, der drei Amtsperioden nacheinander absolviert hat. Vor allem SPÖ und FPÖ reagieren erbost, doch auch aus den Reihen der Grünen kommt teils harte Kritik.

Weißmann stammt ursprünglich aus Linz, stieg aber seit 1995 vor allem über die Landesstudios des ORF-Niederösterreich auf. Er war dort stellvertretender Chefredakteur, Wortchef im Radio und dazwischen als Fernsehchef für die Bundesländer-Sendung „NÖ heute“ verantwortlich.

Erfahrener Medienmanager
Dabei gilt er eher als Manager, weniger als Journalist. Derzeit ist er Vizefinanzdirektor des ORF, Geschäftsführer der ORF-Tochter ORF Online & Teletext GmbH (orf.at) und zuständig für das Streaming-Zukunftsprojekt des öffentlich-rechtlichen Senders, den ORF-Player.

Stimmen: Weißmann 24, Wrabetz 6, Totzauer 5, Prantner/Thoma 0
Zur Auswahl standen - wie berichtet - neben dem ÖVP-Wunschkandidaten Weißmann und Amtsinhaber Wrabetz auch ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner sowie Harald Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH. Weißmann erhielt bei der Abstimmung im Stiftungsrat am Dienstag 24 Stimmen, Wrabetz sechs, Totzauer fünf, Prantner und Thoma keine.

Detail am Rande: Ex-Vizekanzler und Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger wählte Weißmann und spaltete die FPÖ-Stiftungsräte.

Türkiser Freundeskreis: „Klares Signal für Weiterentwicklung“
Der Leiter des Türkisen Freundeskreises und Mastermind/Manager der Generalswahl, Thomas Zach, zur Bestellung des neuen Generaldirektors des ORF: „Der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verbindet journalistische, programmwirtschaftliche und digitale Kompetenz und er ist vor allem ein Teamplayer - genau das braucht der ORF für seine Zukunft.“

Eine breite Mehrheit im Stiftungsrat stehe hinter einem digitalen Reformkurs für den ORF - die Bestellung von Weißmann sei ein klares Signal für die ambitionierte Weiterentwicklung des größten österreichischen Medienunternehmens, ist Zach sicher. Und: „Die finanziellen, technologischen und wettbewerblichen Herausforderungen für den ORF sind enorm - umso wichtiger ist es, dass jetzt mit Weißmann ein erfahrener und innovativer österreichischer Medienmanager zum Generaldirektor bestellt wurde. Weißmann steht für einen ORF für alle, die in Österreich leben.“

Stiftungsrat bittet um „Kooperation und Einvernehmen“
Der Stiftungsrat bat die alte und neue Geschäftsführung am Dienstag um „Kooperation und Einvernehmen in allen Entscheidungen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen“. Damit solle die Kontinuität der Unternehmensführung gewährleistet werden.

Die gleiche Vorgangsweise gab es auch beim Übergang von Monika Lindner zu Wrabetz vor 15 Jahren. Martin Schauer, stv. Vorstand des Instituts für Zivilrecht der Universität Wien, hatte dazu auch ein begleitendes Gutachten erstellt. Aufgabe des Stiftungsrates ist es, solche Übergänge bestmöglich in Sinne einer „Good Governance“ zu begleiten. Das sei damit gewährleistet.

ÖVP: „Journalist und Manager ohne Parteibuch“
SPÖ-Generalsekretär Christian Deutsch erklärte - quasi in einem Atemzug mit den Freiheitlichen - hingegen: „Die Mediendompteure im Kanzleramt haben ganze Arbeit geleistet.“ FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker polterte: „Die Türkisen kapern den ORF und nehmen ihn für sich in Anspruch.“ ÖVP-Mediensprecher Axel Melchior, freilich voll des Lobes für Weißmann, schoss zurück: „Die SPÖ hat einmal mehr bewiesen, dass sie wie immer jemanden mit rotem Parteibuch an der Spitze des ORF wollte. Nur deshalb empört sich die SPÖ an der Entscheidung des Stiftungsrates, der nun einen Journalisten und Manager ohne Parteibuch zum neuen ORF-Chef gewählt hat.“

SPÖ-Freundeskreis „enttäuscht“ von Grünen
Auch SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer sprach von einer Zäsur und zeigte sich besorgt, dass künftig „Check and Balance“ nicht eingehalten werden könnten und enttäuscht über das Abstimmungsverhalten der Grünen. Aufhorchen ließ auch noch Viktoria Spielmann von den Wiener Grünen: „Dass Weißmann neuer ORF-Generaldirektor ist, überrascht mich nicht. Überraschender ist, was in Österreich alles möglich ist und dass wir Grünen dabei zuschauen, wie sich die Demokratie (gesellschaftlicher Diskurs, Politik, Medien) in eine türkis-autoritäre Richtung entwickelt.“

Weißmann: „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“
Und Weißmann selbst? Der sprach gegenüber der „Krone“ inzwischen von einer „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, und zwar noch bis Jahresende mit Alexander Wrabetz. „Er hat mich ja selbst vor einem Jahr als Chef des ORF-Players vorgeschlagen.“ Zu Vorwürfen, er hätte im Vorfeld der Wahl regelmäßig an den Treffen des türkisen Freundeskreises teilgenommen, meinte Weißmann: Es sei ganz normal, dass man sich austauscht.

Wrabetz frustriert
Dem nunmehr scheidenden Generaldirektor war der Frust hingegen deutlich anzumerken: „Die Regierung hat entschieden, mich abzusetzen und das hat der Stiftungsrat jetzt auch so gemacht. Es ist durchaus bewegend, dass ich nach 15 erfolgreichen Jahren abgesetzt wurde. Aber das ist die Entscheidung des Stiftungsrates und die ist zu respektieren.“

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