Gericht entscheidet

Zurückweisung an Grenze war rechtswidrig

Steiermark
05.07.2021 17:41

Im Fall einer Zurückweisung von Geflüchteten am Grenzübergang im steirischen Sicheldorf im Vorjahr hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark am Montag entschieden, dass die Zurückweisung nach Slowenien zu Unrecht erfolgte. Ein zurückgeschobener 21-Jähriger sei sowohl in seinem Recht auf Achtung der Menschenwürde als auch dem Recht auf ausreichende Dokumentation verletzt worden, schrieb der zuständige Richter im Urteil.

Der Fall des 21-jährigen Marokkaners Ayub N. sowie sechs anderer Personen, die am 28. September 2020 an der Grenzkontrollstelle Sicheldorf in der Steiermark von heimischen Polizisten aufgegriffen wurden, wurde unter anderem von der Initiative Alarm Phone Austria sowie der Asylkoordination Österreich dokumentiert und öffentlich gemacht.

„Regelrechte Menschenjagd“
Die Gruppe der Migranten sei einer „regelrechten Menschenjagd“ ausgesetzt gewesen. Die insgesamt sieben Personen hätten ganz klar um Asyl gebeten und seien damit vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen, hieß es. Rechtsanwalt Clemens Lahner, der die Gruppe vertritt, reichte deshalb eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei ein, der nun stattgegeben wurde.

„Hörbares Verlangen nach Asyl“
Die in der südsteirischen Grenzkontrollstelle Sicheldorf anwesenden Sicherheitsorgane hätten „jedenfalls das hörbare Verlangen nach Asyl wahrnehmen müssen“, so der Richter. Auch sei durch die Art und Weise der Personendurchsuchung in die Intimsphäre des Mannes eingegriffen worden. Obwohl er sich während der gesamten Amtshandlung ruhig und kooperativ verhalten hatte, musste sich der 21-Jährige nicht nur niederknien, sondern auch in einem einsehbaren Raum vor den Behörden vollständig entkleiden.

Das sei „jedenfalls unverhältnismäßig“ gewesen und stelle einen „gravierenden Eingriff in die individuelle Persönlichkeitssphäre laut Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) dar“, hieß es weiter in der Begründung des Richters.

„Mahnung an Innenministerium“
Rechtsanwalt Lahner bezeichnete das Urteil als „deutliche Mahnung an das Innenministerium, die systematische Missachtung des Rechtsstaats schleunigst abzustellen“. Wenn sich die Polizei anmaße, zu entscheiden, wer überhaupt ein Asylverfahren bekomme und wer nicht, dann sei das illegal.

Migrations- und Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic ergänzte: „Solche Pushbacks sind und bleiben illegal, daran ändert sich auch nichts, wenn diese unter den Teppich gekehrt oder negiert werden. Einer schleichenden Legitimation durch stillschweigende Duldung dieser illegalen Praxis erteile ich eine klare Absage. Jetzt liegt es am Innenminister und den zuständigen Behörden, den rechtskonformen Zustand wieder herzustellen und die ,Methode Pushbacks‘ konsequent zu unterbinden.“ Man gehe davon aus, dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) „die vor Gericht behandelten Vorgänge vom September 2020 rasch und lückenlos aufklärt und etwaige Mängel rasch abstellt“.

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