Vorarlberg spricht

„Heutige Debatten sind Kindergeburtstage“

Vorarlberg
04.07.2021 07:30

24 Jahre stand Johannes Rauch an der Spitze der Vorarlberger Grünen. Vergangenes Wochenende übergab er das Amt des Landessprechers an Eva Hammerer und Daniel Zadra, die als Doppelspitze agieren.

Krone: Vor einer Woche haben Sie Ihr Amt als Landessprecher abgegeben. Warum?
Johannes Rauch
: Bei meiner letzten Kandidatur vor vier Jahren habe ich gesagt, dass es meine letzte ist. Das habe ich so deutlich gesagt, um die Nachfolge in aller Ruhe zu regeln. 24 Jahre sind genug - ich bin ja nicht Adenauer.

Als Landesrat bleiben Sie aber noch im Amt?
Ich bin noch bis 2024 gewählt, habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Zudem befinden wir uns an einer Schnittstelle, bei der sich viele Fragen stellen: Etwa wie verhindert werden kann, dass die Lücke zwischen Coronaskeptikern und Impfgegner und den anderen vollständig aufgeht. Man kann kleine Minderheiten verlieren, aber nicht 20 Prozent einer Gesellschaft.

Wie ruhig haben Sie in jener Nacht vor 24 Jahren geschlafen, bevor sie zum Landessprecher gewählt wurden?
Das war im Jänner 1997 und ich habe eigentlich recht gut geschlafen, weil ich nichts zu verlieren hatte. Ich bin ja aus dem Nichts heraus in dieses Amt hineingestolpert. Erst als ich gewählt war, habe ich gemerkt, wie hoch die Erwartungshaltung war, die damals doch sehr unterschiedlichen Lager zu einen.

Haben Sie nach der Wahl noch ruhig geschlafen?
Ja, meine Ausbildung als Sozialarbeiter und die Erfahrung in der Sozialpsychiatrie haben mir geholfen, mit vielen Situationen umzugehen. Grundsätzlich ist es in der Politik ganz hilfreich, wenn man Mediationserfahrung hat und mit schwierigen Menschen umgehen kann. Man sollte auch nicht gleich unter den Tisch fallen, wenn man angebrüllt oder angefeindet wird.

Welches Ziel hatten Sie als neugewählter Parteichef?
Es war schon Ziel, die Widersprüchlichkeiten einzufangen und zum Nutzen beider Seiten zusammenzuführen. Bei der Erstellung des ersten Parteiprogramms hatten sich ja auch beide Seiten beteiligt und gefunden. 130 Menschen hatten das Programm einstimmig beschlossen. Allerdings sind die Probleme bei der Wahl 1999 wieder aufgebrochen.

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Die Meinungsverschiedenheiten damals haben uns fünf Jahre in unserer Entwicklung gekostet – und mich fünf Jahre meines Lebens.

Johannes Rauch

Es gab damals Streit um den Spitzenkandidaten.
Ja, das war machtpolitisch logisch, aber ich war damals zu jung, zu unerfahren, hatte das nicht auf dem Schirm. Seitdem weiß ich: Wer streitet, verliert. Die Meinungsverschiedenheiten damals haben uns fünf Jahre in unserer Entwicklung gekostet - und mich fünf Jahre meines Lebens. Das war schon heftig damals.

Sie haben 1999 auch den Klubstatus verloren.
Es war ein jahrelanger Prozess, sich wieder zu etablieren, die Klubstärke wieder zu erringen. Fünf Jahre später, wieder mit vier Mandaten, haben wir uns die Führungsrolle in der Opposition erkämpft. Das hat Spaß gemacht, weil auch ein paar Dinge gelungen sind. Unter Sausgruber war es ein einstimmiger Beschluss zum Ausbau der Wasserkraft, der bis heute hält. Unter Wallner haben wir das 365-Euro-Ticket ausgehandelt.

Sie waren auch rhetorisch ein brillanter Oppositionspolitiker. Blutet Ihnen auf der Regierungsbank nicht manchmal das Herz, bei den heutigen Debatten?
Es bemühen sich eh alle. Manche finden ja die Debatten zu scharf. Das ringt mir maximal ein Lächeln ab. Das sind Kindergeburtstage im Vergleich zu meinen ersten Sitzungen, als ich über die Zwangsarbeiter gesprochen habe, die bei den Illwerken die Wasserkraft in die Höhe gebracht haben. Oder die Debatten um gleichgeschlechtliche Liebe vor 60 Prozent Hardcore-ÖVPlern

Wie hat sich Ihre eigene Partei gewandelt?
Ich denke, dass sie sich über die Verankerung und Verbreiterung in den Städten und Gemeinden fest etabliert hat. Die Basisarbeit dort ist ein Fundament. Inzwischen gibt es sogar eine Durchgängigkeit zwischen dem Bundesministerium Gewesslers über mein Landesratsressort bis in die Gemeinden, wenn es um Radwege, Verkehr, Klimaschutz, erneuerbare Energien, Biodiversität geht. Das ist auch ein Unterschied in der Wirkmächtigkeit.

Wie hat sich Ihr politisches Leben durch die zwei längeren Pausen, die Sie gesundheitsbedingt einlegen mussten, verändert?
Ich war nie jemand, der ein übersteigertes Selbstbewusstsein hatte. Zugleich hatte ich viel Glück im Leben, denn es gab Menschen an meiner Seite, die alles mitgetragen haben - Katharina Wiesflecker an erster Stelle. Ich hatte immer Freude an der Arbeit. Nie losgelassen hat mich die Frage der sozialen Gerechtigkeit oder die Vorstellung, ohne eine intakte Umwelt zu leben. Unterm Strich bin ich zwar mit Schrammen, aber unverletzt davongekommen. Das ist gut, denn ich kenne viele Menschen, die extrem verbittert oder gekränkt sind.

Wo sehen Sie Ihre Partei in zehn Jahren?
Ich denke, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist und glaube, dass statt Schwarz-Grün eines Tages auch Grün-Schwarz möglich sein könnte. Man muss ja nur nach Baden-Württemberg schauen. Ein Wahlergebnis deutlich über 20 Prozent halte ich für möglich, da ich einen Wunsch der Bevölkerung nach Transformation orte. Immer wieder stellt sich die Frage, wie Leben und Arbeiten klimaneutral und geschlechtergerecht möglich sein kann.

Warum haben Sie nie eine Doppelspitze mit Katharina Wiesflecker gebildet?
De facto war es eine Doppelspitze, obwohl es nie statutarisch verankert war. Es gab keine relevanten Entscheidungen, die wir nicht gemeinsam getroffen haben. Und dass wir 2014 gemeinsam in die Regierung eingezogen sind, das war für mich so sonnenklar wie irgendwas. Ich hatte ja ein Ressort angeboten bekommen, das von hier bis Texas reicht. Das hat mich ebenso wenig interessiert wie der Landesstatthalter. Wir wollten zwei Ressorts. Das war die richtige Entscheidung!

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