Album & Interview

Billy Gibbons: Buntes Rock-Statement aus der Wüste

Musik
10.06.2021 12:37

Auf ein ZZ-Top-Album müssen wir uns noch weiterhin gedulden, doch Frontmann und Bandgründer Billy F. Gibbons hat die Pandemie dazu genutzt, um in der sengenden kalifornischen Wüstenhitze sein drittes Soloalbum „Hardware“ einzuspielen. Im Interview erklärte uns die 71-Jährige Rock-Legende, wie er die 50er-Surf-Gitarre wiederfand, warum er Gram Parsons für einen Busfahrer hielt und weshalb seine markante Kopfbedeckung ihren Ursprung in Österreich hat.

(Bild: kmm)

Fans von angestaubten Stoner-Rock-Klängen sind mit dem Rancho De La Luna-Studio im kalifornischen Joshua Tree bestens vertraut. Dort haben die Queens Of The Stone Age rund um Chef-Exzentriker Josh Homme 1998 ihr wegweisendes Debüt eingespielt, die Arctic Monkeys 2013 auf „AM“ den Brit-Pop in den Westen gebracht, sich Dave Grohl mit seinen Foo Fighters für „Sonic Highways“ ausgetobt und schlussendlich war sogar Punk-Urvater und Homme-Intimus Iggy Pop 2018 für „Post Pop Depression“ in den unendlichen Weiten des heißen Nichts zugange. Was das alles mit ZZ-Top-Mastermind Billy Gibbons zu tun? Eigentlich nichts und dann doch wieder so viel. Er dachte nämlich lange, dass das famose Alterswerk „Hardware“, sein mittlerweile drittes Soloalbum, dort entstehen würde, was aber ein Irrglaube war, wie er uns lachend im Zoom-Call erzählt. „Matt und Austin riefen mich an und sagten mir, sie hätten dort ein Studio. Es war aber nicht das Rancho de la Luna, sondern eines ,gegenüber auf der anderen Straßenseite‘. Was sie mir verschwiegen war, dass ihr Studio 20 Meilen entfernt gegenüber lag.“

Zeit genützt
Ein krachendes Lachen bahnt sich seinen Weg durch den markanten Bart und Gibbons ist mittendrin in seinem Element. Wenn er gerade nicht von teuren Autos und scharfen ZZ-Top-Jalapeñosaucen spricht, dann am liebsten immer noch über Hard Rock. Der 71-Jährige wurde einst vom „Rolling Stone“ auf Platz 32 der 100 besten Gitarristen aller Zeiten gewählt und ist der markanteste Baustein in jener Rockband, die weltweit die langlebigste in Originalbesetzung ist. Mit Dusty Hill und dem ironischerweise bartlosen Frank Beard bildet er seit exakt 51 Jahren die Blues-durchtränkte Wüsten-Kultcombo ZZ Top. Und weil die anderen im Herbst ihres Lebens lieber auf ihren Ärschen sitzen und Gibbons ein rastloser Vollblutmusiker ist, hat er die Zeit in der Pandemie eben genützt, um wieder ein eigenes Album zu schnitzen. Ach ja - Matt ist sein guter Freund und Drummer Matt Sorum und Austin ist Austin Hanks ein traditioneller Ausnahmegitarrist und Songwriter, den man durchaus als Bruder im Geiste Gibbons‘ bezeichnen kann.

Die angesprochenen Escape Studios in der Nähe von Palm Strings waren nämlich entscheidend für das gesamte Projekt. „In der Wüste hast du nur Sand, Steine, Kakteen und Schlangen. Wenn du sonst nichts hast, dann ist es am besten, mit etwas zu beginnen“, lacht Gibbons, eine Frohnatur durch und durch, mit seinem breiten texanischen Slang in die Kamera. Auf dem Albumcloser „Desert High“ hat Gibbons versucht, die Zeit in der Wüste auf einen Song zu bannen. Die einzigartige Stimmung und die dort verbrachte Zeit bestmöglich mit Worten zu beschreiben. „Wir sind der Sache damit ziemlich nahegekommen, aber um das Gesamterlebnis wirklich zu spüren, musst du schon selbst dort sein.“ Nach dem ersten Lockdown ging es dem Berufsjugendlichen auch darum, einfach Krach zu machen und der ewigen Liebe Musik zu frönen. Da kam das mysteriöse Studio genau richtig. „Ich dachte anfangs, ich werfe mal einen Blick hinein, aber drei Monate später waren wir noch immer da. Wir kamen ohne Gitarren und Schlagzeug, aber da stand genug Equipment herum, an dem wir uns versuchen konnten.“

Plötzlich Surf-Gitarre
Ein entscheidender Moment für „Hardware“ war jener, als Gibbons in einer staubigen Ecke eine alte Fender-Jazzmaster-Gitarre und einen ebenso alten Fender-Verstärker entdeckte und darauf herumklimperte. „Ich sang dann die Zeile ,I’m a west coast junkie from a lonesome Texas town‘ dahin und plötzlich war die Surf-Gitarre wieder zurück.“ Dem honorigen Herren darf man ruhig verzeihen, dass die Surf-Gitarre freilich auch schon durch andere Bands und Künstler wieder in die Gegenwart transferiert wurde, aber ein Track wie „West Coast Junkie“ mit seinem 50s-Surf-Feeling gab dem erdigen und von seiner Hauptband nicht wirklich weit entfernten Sound tatsächlich eine neue Geschmacksnote. Ansonsten herrscht zwischen der Musikerballade „Vagabond Man“, dem Rock’n’Roll-Stampfer „My Lucky Card“ oder dem südländischen „Spanish Fly“ alles, was man an Gibbons kennt und liebt.

Im Gegensatz zu seinem letzten Soloalbum „The Big Bad Blues“ entstanden die Songs sehr unmittelbar und teilweise direkter als man vermuten würde. Etwas das während der Songwritingsessions inspirierte „She’s On Fire“. „Wir fuhren jeden Morgen etwa 20 Meilen zum Studio und auf dem Weg dorthin gab es ein nettes mexikanisches Restaurant, in dem wir immer frühstückten. Nach etwa einem Monat brannte plötzlich der Laden und die Chefin, mit der wir uns anfreundeten, sagte mir nur: ,Keine Sorge Billy, ich verbrenne dein Frühstück schon nicht‘. Alles ging gut, wir mussten lachen und daraus entstand der Song.“ Im bereits angesprochenen „Desert High“ erinnert er sich an alte Freunde und Wegbegleiter wie „Lizard King“ Jim Morrison, Keith Richards oder Gram Parsons, den Gibbons beim ersten Kennenlernen erst einmal mit dem Busfahrer verwechselte, wie er süffisant anmerkt. Nostalgische Rückblicke sind für einen Musiker seines Kalibers natürlich unumstößlich, was auch für den kryptisch betitelten Song „S-G-L-M-B-B-R“ gilt.

An die Moderne adaptiert
„Ich bin ein großer Fan von Trio-Bands und da vor allem von den legendären Cream mit Ginger Baker, Jack Bruce und Eric Clapton. Auf ihrem zweiten Album ,Disraeli Gears‘ 1967 hatten sie einen Song namens “SWLABR„ und ich wusste lange nicht, was er bedeuten soll. ,Some Women Like…‘ und was dann? Dem wollte ich nacheifern und ich habe jetzt mein ,Some Guys Like…‘ und ihr könnt weiterraten.“ Dass Gibbons sich auch nicht vor der jüngeren Generation fürchtet zeigt das flotte „Stackin‘ Bones“, in dem man die weibliche Rockband Larkin Poe hört, die er einst auf einer ZZ-Top-Tour über die Vorband Tyler Bryant And The Shakedown kennenlernte. Mit den modernen Mechanismen des Musikbusiness arrangiert sich Gibbons so gut wie möglich. „Heute ist alles anders, aber man muss sich immer vergegenwärtigen, was einem wichtig ist. Ich habe auch Shows vor einer Kamera gespielt, das war sehr gewöhnungsbedürftig. Wenn man aber daran denkt, dass man es für die Musik macht und darin aufgeht, macht es auch keinen so großen Unterschied mehr zu einem echten Konzert.“

Echte Livekonzerte rücken immer näher, auch das schon vor Jahren angekündigte ZZ-Top-Album sollte sich bis 2022 ausgehen - hofft Gibbons zumindest. „Dusty und Frank sitzen lieber vor ihren Fernsehern oder sind im Golfplatz, während ich an den Songs arbeiten muss“, lacht Gibbons erneut laut auf, „ich habe im Prozess für ,Hardware‘ vier oder fünf Songs geschrieben, die viel besser zur Band passen und sie den Jungs weitergeschickt. Jetzt liegt es an ihnen sie zu verfeinern und dann treffen wir uns im Studio, um daran zu feilen.“ Dass auch so manch anderes, auf „Hardware“ verwendetes Material bei den Kollegen auf Anklang stieß, bestätigt Gibbons auf Nachfrage. „Dusty hat ,West Coast Junkie‘ gehört, bestätigte mir den Surf-Gitarrensound und fand den Track so gut, dass er meinte, so einen Song würden wir für die Band auch brauchen. Das geht aber nur, wenn ich das exakt gleiche Equipment wieder dafür verwende. Anders ist die Reproduktion dieses Sounds mit Sicherheit nicht möglich.“

Österreich-Bande
Eine ZZ-Top-Tour 1996 war übrigens dafür verantwortlich, dass die markante Haube zu Gibbons‘ Markenzeichen wurde - und das ausgerechnet in Wien. „Wir hatten damals während einer Europatour eine zweiwöchige Pause. Während die Jungs den Jetlag riskierten und heimflogen, blieb ich in Wien. Über eine nette Dame unserer damaligen Plattenfirma Warner Music, die mit Politikern befreundet war, wurde ich zu einem Teil eines Staatsempfangs, bei dem der Anführer der westafrikanischen Stammesgruppe Bamileke anwesend war. Ihm gefiel mein Stetson und er wollte ihn unbedingt haben. Ich sagte ihm, bei uns in Texas wären wir Kuhhandel gewöhnt und er müsse mir seine Kopfbedeckung geben. So bekam ich die Haube und 25 Jahre später trage ich sie noch immer. Zudem begründete dieses Treffen meine Liebe zu Afrika, wo ich sogar einmal sechs Monate lang in einem Haus lebte.“ Bleibt nur zu hoffen, dass Gibbons bei seinem nächsten Konzertbesuch auf österreichischem Boden eine ähnliche Legende begründen kann.

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