Größer hätte das Finale der Salzburger Pfingstfestspiele 2021 nicht ausfallen können. Anna Netrebko sprang für Anja Harteros als Tosca ein und gab damit schon einmal einen Vorgeschmack auf den Sommer. Zusammen mit Jonas Kaufmann in seiner Paraderolle als Cavaradossi riss sie am Montag das Publikum im Großen Festspielhaus von den Stühlen.
Eigentlich hätte Netrebko Anja Harteros‘ Platz als Tosca erst bei den Sommerfestspielen einnehmen sollen, denn die sang die Titelpartie 2018 in der Inszenierung von Michael Sturminger bei den Osterfestspielen, die in diesem Jahr im Sommer wiederaufgenommen wird. Harteros musste aber ebenso wie Bryn Terfel kurzfristig absagen. Auf diesem Weg kam Anna Netrebko also an die einmalige Möglichkeit, Tosca schon einmal vor Publikum im Großen Festspielhaus auszuprobieren, wenn auch nur konzertant. Während im Sommer Gatte Yusif Eyvazov die Rolle des Cavaradossi besetzen wird, stand am Pfingstmontag niemand geringerer als Jonas Kaufmann neben ihr.
Während Netrebkos Debüt in der Titelrolle nur drei Jahre zurück liegt, zieht Jonas Kaufmann als Cavaradossi schon recht lange erfolgreich durch die Lande. Seine geschmeidigen Registerwechsel, der nicht enden wollende Atem und die Leichtigkeit, mit der er auf den kurvigen Wegen der Arien wandelt, gaben ein Zeugnis davon ab, wie tief Kaufmann seinen Cavaradossi in Fleisch und Blut sitzen hat. In weiser Voraussicht winkte Zubin Mehta deshalb auch sofort nach der Sternenarie ab, die das Publikum prompt mit johlendem Szenenapplaus kommentierte.
Ebensolchen Jubel bekam auch Netrebko für ihre „Visi d‘Arte“-Arie. Ihr immer dunkler und voller werdender Sopran gab dem Stück viel Seele und ihr nuanciertes Spiel mit der Dynamik berührte tief. Während die Austro-Russin in ihrer letzten Tosca, der gestreamten Inszenierung der Wiener Staatsoper, neben ihrem Mann als Cavaradossi komplette Waffenobrigkeit hatte, stand ihr mit Kaufmann ein Sparringspartner auf Augenhöhe gegenüber, der sie hie und da sogar noch aus der Reserve locken konnte. Hochkarätiger wird man „Tosca“ dieses Jahr vermutlich nicht mehr hören.
Auch der Rest der Rollen war bis in die Spitzen prominent besetzt. Cecilia Bartoli, die künstlerische Leiterin des Festivals, hatte es sich tatsächlich nicht nehmen lassen, selbst den Hirten zu singen und in Latzhose über die Bühne zu schlendern, was sehr zur Erheiterung des Publikums beitrug. Mit Luca Salsi als Scarpia war es Bartoli gelungen, den zweiten Ausfall ebenfalls mit einem großen Namen zu besetzen. Abgrundtief böse und sich seiner (Stimm-)Gewalt stets bewusst, trieb er Tosca mit vollem Eifer dazu, ihn symbolisch zu erstechen. Mit ähnlichem Eifer legte auch Alessandro Spina seinen Angelotti an. So ist es nicht verwunderlich, dass Zubin Mehta keine großen Anstalten machte, noch in die Interpretationen einzugreifen. Mit wachsamen Augen über das Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino besann er sich eher darauf, Puccinis Musik nicht größer als seine Sänger werden zu lassen.
Nach über zwei Stunden geballter Starpower und Leidenschaft überschüttete das Publikum die Künstler geradezu mit frenetischem Applaus. Diese genossen das Bad in der Menge ausgiebig. Ein großes und würdiges Finale für die ersehnte Rückkehr der Salzburger Pfingstfestspiele.
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