Armut, Klimawandel ...

Filzmaier: 2021 ist mehr als ein Corona-Jahr

Politik
03.01.2021 06:00

Alles Corona, oder was? Hoffentlich nicht. Niemand kann die wellenartige Ausbreitung des Virus für 2021 perfekt voraussagen. Doch ist es angesichts von Themen wie Armut und Umweltzerstörung wichtig, dass wir uns nicht allein damit beschäftigen. Trotzdem kommt man in keiner Jahresvorschau an der Entwicklung der Corona-Pandemie vorbei.

1) Bekommen wir unser früheres Leben zurück? Das ist falscher Zweckoptimismus. Richtiges Positivdenken geht so: Mit vielen Impfungen und (!) weiterhin achtsamem Verhalten - Abstand halten, Masken in Menschenansammlungen, regelmäßige Tests - gegenüber Ungeimpften kann es gelingen, die Pandemie einzudämmen. Um sie auszurotten, dafür sind Impfstoff und Impfbereitschaft weltweit viel zu ungleich verteilt. Doch in Österreich ist es möglich, zu verhindern, dass immer mehr Menschen an Corona sterben.

2) Leider gibt es auch ein zweites Szenario: Geimpfte können sich nicht mehr anstecken, aber es stecken sich immer mehr Ungeimpfte an. Es werden immer weniger Menschen bereit sein, sich an vernünftige Schutzmaßnahmen und Einschränkungen zu halten. Solche durchzusetzen, das wird politisch immer schwieriger, „weil’s eh die Impfung gibt“. Dann wird das Corona-Jahr 2021 schlimmer als 2020.

3) Warum? Die Impfung schützt als Herdenimmunität alle nur dann, wenn sich - was sich 2021 kaum ausgeht - 60, 70 oder 80 Prozent impfen lassen. Sind bis dahin alle achtloser als jetzt, steigt die Zahl der Infizierten stark. Selbst wenn infolge von Impfungen prozentuell weniger von ihnen lebensbedrohlich erkranken, würde das in absoluten Zahlen mehr Tote als jetzt bedeuten.

Die Impfung schützt als Herdenimmunität alle nur dann, wenn sich – was sich 2021 kaum ausgeht – 60, 70 oder 80 Prozent impfen lassen. (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Die Impfung schützt als Herdenimmunität alle nur dann, wenn sich – was sich 2021 kaum ausgeht – 60, 70 oder 80 Prozent impfen lassen.

4) Trotz der Gefahren des Coronavirus tut es einer Demokratie nicht gut, sich in der politischen Debatte auf ein Thema zu konzentrieren. Wir brauchen mehr kritische Sachdiskussionen und Transparenz, warum politische Entscheidungen so oder so fallen. Bei der Corona-Politik genauso wie in der Bildungspolitik, Sozialpolitik, Umweltpolitik und, und, und. Das Problem: Wer hofft, dass wir Wirtschaftsentwicklung und Arbeitslosigkeit losgelöst von der Pandemie planen können, ist naiv.

5) 2021 wird zugleich die Bundesregierung getestet. Nein, das hat nichts mit dem Virus zu tun. Es wird sich zeigen, ob das ursprüngliche Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen seine Bewährungsprobe besteht. Oder ob „das Beste aus beiden Welten“ ein billiger Werbespruch war. Im Vorjahr haben wir das nicht erfahren, weil türkis-grüne Politiker in einer Schicksalsgemeinschaft namens Corona zwangsverbunden waren. Nun sollten sie Farbe bekennen, was aus ihren Koalitionsvorhaben wird.

6) Der Haken ist, dass man einfach der jeweils anderen Partei ihre Lieblingsprojekte als Spielwiese überlassen hat. Also etwa den Türkisen Sicherheitsbudgets und Wirtschaftspläne inklusive Steuerreform und den Grünen Umweltinitiativen. Solche Abtauschgeschäfte sind unschön, funktionieren aber in guten Zeiten mit Geldüberschuss blendend. Inzwischen wird der Staat freilich jeden Euro brauchen, um die sozialen Folgen von Corona zu bekämpfen.

Das kommende Wahljahr beginnt mit den Gemeinderatswahlen in Sankt Pölten und Kärnten. (Bild: APA/BARBARA GINDL)
Das kommende Wahljahr beginnt mit den Gemeinderatswahlen in Sankt Pölten und Kärnten.

7) Das kommende Wahljahr beginnt mit den Gemeinderatswahlen in Sankt Pölten und Kärnten. Das interessiert fast nur die in Summe rund 600.000 dort lebenden Bürger, weniger als sieben Prozent der österreichischen Bevölkerung. Doch darf man nicht vergessen, dass die Politikebene der Gemeinderäte im unmittelbarsten Kontakt mit den Leuten steht. Viel mehr als jede Bundesregierung. Daher sind lokale Wahlen als Zeichen für die Stimmungslage mitten in der Corona-Pandemie spannend.

8) Am meisten Aufmerksamkeit wird es 2021 für die oberösterreichischen Landtags- und Gemeinderatswahlen im September geben. Das drittgrößte Bundesland hat 1,5 Millionen Einwohner und mehr als 1,1 Millionen Wahlberechtigte. Die groben Trends resultieren noch aus dem Ibiza-Jahr 2019: Die FPÖ wird verlieren, aber bei Weitem nicht so extrem wie 2020 in Wien. Umgekehrt kann die ÖVP - 2015 mit massiven Verlusten zugunsten der Freiheitlichen - zulegen.

9) Wenn die SPÖ auf schwachem Niveau verbleibt und die Grünen mindestens stabil sind, ist in Oberösterreich die Koalitionsbildung spannend. Es gibt ein Proporzsystem - jeder Partei ab etwa neun Prozent der Stimmen stehen Landesräte zu -, doch bleibt man beim türkis-blauen Pakt? Oder gibt es wie im Bund Türkis-Grün? Oder gar eine einst große Koalition von schwarzer ÖVP und roter SPÖ?

Peter Filzmaier (Bild: Sepp Pail)
Peter Filzmaier

10) Kurz nach Silvester 2020 wünscht man sich alles Gute für 2021. Da wäre es bitter, einander nur zu vergönnen, dass es besser als im Vorjahr wird. Jede Verschlechterung wäre ja eine Art Limbo, bei dem man unter einer sehr tief liegenden Latte durchtanzt. Trotzdem kann das passieren, wenn wir die Corona-Pandemie nicht bekämpfen. Wünschen wir uns daher, dass sich möglichst viele in Österreich lebende Menschen gegenüber ihren Mitmenschen verantwortungsvoll verhalten.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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