„Ungünstige Zeit“

Börsen reagieren nervös auf Trumps Covid-Infektion

Wirtschaft
02.10.2020 11:43

US-Präsident Donald Trump und seine Frau sind positiv auf das Coronavirus getestet worden - das bestätigte Trump auf Twitter. Die Finanzmärkte reagierten nervös auf die Nachricht: Die europäischen Börsen verzeichneten einheitlich Kursverluste am Freitag. Analysten erklären, was das für Finanzmärkte und Konjunktur bedeuten könnte.

Die Erkrankung des US-Präsidenten könnte immense Auswirkungen auf die US-Politik haben, besonders was die Verhandlungen des nächsten Corona-Konjunkturpakets betrifft. Der Dollar verlor an Wert, doch auch an den Finanzmärkten im Ausland konnte man Auswirkungen spüren. Die Wiener Börse berichtete, dass der heimische Leitindex ATX bis 9.25 Uhr 0,23 Prozent verlor. Der Euro-Stoxx-50 verzeichnete gegen 9.20 Uhr einen Verlust mit minus einem Prozent. Der DAX in Frankfurt verlor sogar 1,40 Prozent. In London zeigte sich der FTSE-100 mit minus 1,12 Prozent.

Ölpreis steuert auf Wochenminus zu
Auch der Ölpreis geriet unter Druck: Ein Barrel leichtes US-Öl verbilligte sich um rund vier Prozent auf 37,08 Dollar (31,55 Euro), Nordseeöl der Sorte Brent kostete mit 39,24 Dollar ebenfalls rund vier Prozent weniger. Der Ölpreis steuert damit auf ein Wochenminus von sechs Prozent in den USA beziehungsweise sieben Prozent bei Brent zu.

Aktien europäischer Ölfirmen rutschen ab
Am europäischen Aktienmarkt sackten die Aktien von Ölfirmen wie BP, Dutch und Total ab. Sollte Trumps demokratischer Rivale Joe Biden die US-Wahl gewinnen, könnte der Iran womöglich wieder mehr Öl auf den Markt bringen, weil Biden hinter dem Atomabkommen mit dem Iran stehe, sagte SEB-Rohstoffexperte Bjarne Schieldrop. Seit Jahresauftakt haben die Aktien der Ölfirmen gut die Hälfte an Wert eingebüßt.

Julian Wee, Anlagestratege bei Credit Suisse
„Die erste Reaktion des Marktes war negativ, aber ich bin mir nicht sicher, ob sich das als nachhaltig erweist. Letztendlich wird sich der Markt, wenn die anfängliche reflexartige Reaktion vorbei ist, wahrscheinlich darauf konzentrieren, was das für die Wahlen bedeuten könnte. Wir gehen von einer Wende zugunsten der Demokratie aus, was so ziemlich mit den jüngsten Umfragen übereinstimmt.“

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Wir gehen von einer Wende zugunsten der Demokratie aus, was so ziemlich mit den jüngsten Umfragen übereinstimmt.

Julian Wee, Anlagestratege

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt
„Mit Trumps Ansteckung mitten in der heißen Phase des US-Wahlkampfs hat sich eine neue Quelle der Unsicherheit aufgetan. Die Finanzmärkte haben zu Recht nervös reagiert. Denn der Verlauf von Trumps Erkrankung könnte den Ausschlag dafür geben, wer nächster US-Präsident wird. Dabei geht es um wichtige Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik - etwa um die Frage, ob Joe Biden die Unternehmenssteuern wieder erhöht oder Trump seine Steuersenkungen dauerhaft macht.“

„Wenn Trump keine ernsthaften Symptome entwickelt, könnte er sich erst recht als starker Mann präsentieren und davon wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro profitieren. Wenn er dagegen ernsthaft erkrankt, dürfte es für ihn schwierig werden, seinen Rückstand gegen Biden aufzuholen. Zum einen fiele er im Wahlkampf aus. Zum anderen würden ihm seine Gegner noch mehr vorwerfen, dass er das Virus verharmlost habe.“

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei VP Bank
„Die Corona-Erkrankung kommt für den US-Präsidenten zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Gerade im Schlussspurt ist die volle Energie des Kandidaten gefordert. Welche Konsequenzen die Erkrankung für den Wahlausgang haben wird, hängt entscheidend von deren Verlauf ab. Sollte Donald Trump einen schwierigen Krankheitsverlauf erleiden, ist die Glaubwürdigkeit des Präsidenten endgültig beschädigt. Trump hat das Virus oftmals in seinen Auswirkungen heruntergespielt. Ein schwerer Krankheitsverlauf wäre also unter einer nüchternen Analyse gut für Joe Biden. An den Finanzmärkten könnte die Viruserkrankung des Präsidenten für Unruhe sorgen, wenn es zu einem schwierigen Krankheitsverlauf käme. Die ohnehin bestehenden Unsicherheiten würden dann nochmals zunehmen. So viel steht fest, die Wochen vor den Wahlen werden turbulent.“

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Ein schwerer Krankheitsverlauf wäre also unter einer nüchternen Analyse gut für Joe Biden.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt

Thomas Altmann, QC Partners
„Die Börsen haben in einer ersten Reaktion geschockt auf den positiven Covid-19-Test von Donald Trump reagiert. Damit begibt sich einer der wichtigsten Politiker weltweit in Quarantäne und in den Krankenstand. Von Trumps Krankheitsverlauf wird jetzt abhängen, inwieweit er die Amtsgeschäfte in den kommenden Wochen wahrnehmen kann. Die Auswirkungen sowohl auf die US-Politik, insbesondere bei der Verhandlung des nächsten Hilfspaketes, als auch auf den US-Wahlkampf können immens sein.“

Yako Sera, Marktstratege bei Sumitomo Mitsui Trust Bank
„Wenn Trumps Symptome mild sind und er sich schnell erholt, könnte seine Unterstützung zunehmen. So ähnlich geschah dies beim brasilianischen Präsidenten Bolsonaro. Allerdings schadet dies Trumps Fähigkeit, einen Wahlkampf zu führen, und die Zeit bis zur Wahl wird knapp. Ob es Trump oder Biden ist, das größte Problem ist die Unsicherheit. Solange wir unsicher sind, wer die Wahl gewinnen wird, ist es für die Märkte schwierig, sich wirklich zu positionieren.“

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Wenn Trumps Symptome mild sind und er sich schnell erholt, könnte seine Unterstützung zunehmen.

Yako Sera, Marktstratege

Naoya Oshikubo, Ökonom bei Sumitomo Mitsui Trust
„Trump ist in den Umfragen hinter Biden zurückgeblieben. Es ist ihm eindeutig nicht gelungen, den Abstand nach der ersten Fernsehdebatte zu verringern. Ich vermute, dass die Märkte zu der Ansicht neigen werden, dass Biden die Wahl wahrscheinlich gewinnen wird. Was mich beunruhigt, ist, dass er noch aggressiver gegenüber China wird, nachdem er sich das Virus selbst eingefangen hat. Denn ich hatte den Eindruck, dass der britische Premierminister Boris Johnson nach seinem Covid-19-Virus noch antichinesischer geworden ist. Vorläufig wird es für die Finanzmärkte schwierig sein.“

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Was mich beunruhigt, ist, dass Trump noch aggressiver gegenüber China wird, nachdem er sich das Virus selbst eingefangen hat.

Naoya Oshikubo

Börsen reagieren generell positiver auf Wahlsieg der Republikaner
Finanzmärkte neigen üblicherweise dazu, einen Wahlsieg der Republikaner positiv zu bewerten, weil sie in diesem Fall auf niedrigere Steuern und weniger Regulierung hoffen. Bei einem Wahlsieg Bidens werden dagegen höhere Steuern erwartet, was negativ eingeschätzt werden dürfte. Zugleich allerdings wird damit gerechnet, dass der Demokrat die Ausgaben für die Infrastruktur steigert.

„Je nach Wahlsieger dürften zwar unterschiedliche Unternehmen profitieren, in der Summe sehen wir aber kaum größere Unterschiede bei den Marktauswirkungen“, konstatierten die Experten der Commerzbank. „Wichtig wäre aus Sicht der Märkte, dass der Sieger rasch feststeht.“

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