"Voller Vorurteile"

FPÖ droht Rückzahlung wegen Wahlkampf-Comic

Österreich
15.06.2010 14:29
Brüssel als dekadenter Sündenpfuhl, die EU-Kommission als "abgehobene, undemokratische Runde" und der angeblich von SPÖ, ÖVP und Grünen betriebene EU-Beitritt Israels: Diese Darstellung Europas hat die FPÖ im EU-Wahlkampf 2009 als Comic unter dem Titel "Der Blaue Planet" (siehe Infobox) an Tausende Jungwähler verschickt - finanziert aus der staatlichen Förderung für politische Bildungsarbeit. Nun könnte der FPÖ eine Rückzahlung drohen.

Im zuständigen Beirat des Kanzleramts wurde am Dienstag ein vernichtendes Experten-Gutachten präsentiert. Beiratsmitglied Werner Kogler von den Grünen hofft auf einen Rückforderungs-Beschluss bei der nächsten Sitzung im Juli.

Jährlich erhalten die Parteien fast zwölf Millionen Euro an öffentlicher Förderung für ihre "Parteiakademien". Damit das Geld tatsächlich in die politische Bildungsarbeit fließt (und nicht etwa in Wahlpropaganda), legt das Publizistikförderungsgesetz bestimmte Mindeststandards für die Mittelverwendung fest, außerdem gilt ein Richtlinienkatalog des zuständigen Beirats im Bundeskanzleramt. Demnach soll die politische Bildungsarbeit ein "umfassendes Verständnis von Demokratie" fördern und zur "Erziehung demokratisch denkender, aufgeschlossener dem Pluralismus bewusster Menschen" dienen.

Experte fällt vernichtendes Urteil
Angesichts des FP-Wahlkampfcomics über "HC's Kampf für Freiheit gegen eine zentrale EU" hat der Publizistikförderungsbeirat den Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer um ein Gutachten gebeten - und das Papier ist vernichtend ausgefallen: Demnach ist der Comic durch keine einzige der fünf in den Richtlinien genannten Zielsetzungen der Akademieförderung gedeckt. Auch die im Comic eingestreuten Fußnoten mit Sachinformationen ergeben laut Mayer kein anderes Bild, zumal die Fußnoten "zum Teil sachlich falsch oder rein polemisch" seien.

"Die Publikation bedient alle negativen Klischees, die aus den Medien bekannt sind, auf einem sehr tiefen Niveau. Ein Informationsgehalt ist nicht zu finden", urteilt Mayer in seinem Gutachten. "Die Darstellung der Europäischen Union als geldgieriges, überhebliches autoritäres Monster mag man als politische Propaganda hinnehmen, als politische Bildungsarbeit kann eine solche Darstellung jedenfalls nicht qualifiziert werden", heißt es weiter. Das in einer Demokratie notwendige Abwägen von gegenläufigen Interessen werde "nicht einmal in Ansätzen sichtbar gemacht". Selbst die durch die Förder-Richtlinien gedeckte Politisierung der Bürger erfolge in dem Comic "in einer ganz einseitigen Weise".

Freiheitliche schießen gegen Gutachter
Der Geschäftsführer des Freiheitlichen Bildungsinstituts Klaus Nittmann weist das Mayer-Gutachten als "tendenziös" zurück. Sollte die Diskussion um den "Lerncomic" (Nittmann) über die EU tatsächlich zu einer Rückforderung führen, dann will er dagegen gerichtlich vorgehen. "Wir werden einer Verhandlung vor den ordentlichen Gerichten sehr gelassen entgegen sehen", sagte Nittmann. Schließlich erlaube das Publizistikförderungsgesetz auch die Darstellung von Themen aus Perspektive der jeweiligen Partei - und im Begleitschreiben zu dem Comic sei auch explizit auf dessen teils tendenziöse Darstellung hingewiesen worden.

Mayer habe dieses Begleitschreiben in seinem Gutachten allerdings nicht berücksichtigt, daher basiere das Gutachten auf einer unvollständigen Faktenlage, sagte Nittmann. Zudem sei Mayer als Gutachter "befangen", weil er von den Grünen 2006 als Rechnungshofpräsident vorgeschlagen worden sei. Zudem sei der Verfassungsjurist Beiratsmitglied bei Transparency Österreich und, da diese Organisation eng mit der EU zusammenarbeite, auch aus diesem Grund befangen.

Kosten betrugen bis zu 300.000 Euro
Die Genauen Kosten des EU-Comics konnte Nittmann nicht beziffern, eine Größenordnung zwischen 200.000 und 300.000 Euro werde aber "in etwa stimmen". 

Über die weitere Vorgehensweise will der Beirat, in dem Regierung und Parteien vertreten sind, in seiner nächsten Sitzung am 6. Juli entscheiden. Bis dahin soll das FP-Bildungsinstitut eine offizielle Stellungnahme vorlegen, wie Kogler nach der Sitzung sagte. Er hofft auf eine Empfehlung des Beirats für die Rückforderung der  Fördermittel. "Weil es nicht hinzunehmen ist, dass Hunderttausende Steuereuro für diese Methode der Darstellung und diese inhaltliche Hetze hergegeben werden", wie Kogler kritisierte. Freilich kann der Beirat nur eine Empfehlung abgeben - die Entscheidung liegt dann bei Kanzler Werner Faymann.

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