Es wäre schade, wenn es sie nicht gäbe. Das gilt für alle zwei, die BMW R 1250 GS, in diesem Fall als Adventure, wie auch für die Großglockner Hochalpenstraße, die Salzburg und Kärnten so spektakulär miteinander verbindet.
Was wir im Bild hier unten sehen, ist ein technisches Meisterwerk, das seiner Zeit weit voraus war, als es gebaut wurde: eine der vier Wallack-Schneefräsen, ohne die der Winter da oben bis in den Sommer reichen und die Touristen ebenso wie Einheimische mit bis zu 20 Meter hohen Schneemassen am Befahren dieser herrlichen Alpenstraße hindern würde.
Derzeit steht der „Rotationspflug System Wallack“ arbeitslos am Straßenrand auf dem Weg zum Glocknerhaus und Touristen fragen sich, warum er sich so plakativ breit macht. Ihnen sei das kleine Ausstellungshäuschen an der Fuscherlacke empfohlen, auf 2262 Meter gelegen. Dort lernen sie etwa, dass Franz Wallack, der Erbauer der Großglocknerstraße, die blauen Schneefresser selbst entworfen hat, weil es keine geeigneten Maschinen gab. Bis 1953 mussten alljährlich an die 350 Männer rund 70 Tage schaufeln, unter Einsatz ihrer Gesundheit. Das gute Stück kann man also durchaus herzeigen.
Das zweite Fahrzeug auf dem Foto ist ebenfalls nicht zu verachten, denn auch die aktuelle Version der BMW R 1250 GS Adventure ist ein besonders gut gelungenes Stück Technik. Gesegnet mit der neuen Zweizylinder-Boxer-Generation performt sie eine souveräne Gelassenheit, die jede Bergstraße zum Genuss macht. Man möchte zwischen Fusch und Heiligenblut hin- und herpendeln, bis der 30-Liter-Tank leer ist. Theoretisch geht sich das sechsmal komplett aus, praktisch eher fünfmal. Wenn man das mit seinem Klimagewissen vereinbaren kann (Empfehlung: ein Abstecher zum Gletschersee der Pasterze, der vor nicht allzu langer Zeit noch Teil des Gletschers war). Aber immerhin kann einem niemand nachsagen, dass man als Krawallbruder unterwegs ist. Der Auspuffsound ist nachbarschaftskompatibel.
Hervorragender Hightech-Boxer
Dank der ShiftCam genannten variablen Ventilsteuerung schiebt die BMW jedenfalls von unten heraus noch vehementer an als früher und liefert oben herum noch mehr Power. Den Moment, wenn die Nockenwelle bei rund 5000/min. umschaltet, spürt man nicht. 136 PS und ab 6250/min. satte 143 Nm liefert das auf 1254 ccm vergrößerte Herz der BMW, das so unaufdringlich schlägt, wie es vehement für Vortrieb sorgt.
Ein Leichtgewicht ist sie logischerweise nicht, aber ihre 268 Kilogramm sind so gut verpackt, dass sie nicht das Gefühl von Ballast aufkommen lassen, sondern eher das von Solidität. Als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen. Dazu trägt auch die Telever-Konstruktion am Vorderrad bei, dank der die Gabel selbst bei härtesten Bremsmanövern nicht eintaucht. Alles vermittelt ein Vertrauen, dass man um die 37 Kehren auf dem Weg zum höchsten Punkt nur so herumcarvt. Man thront auf 91 Zentimeter Höhe auf der Rallye-Sitzbank (gehört zum Style HP, Minimum ist 82 cm) wie ein Reisekönig, sogar der verkleinerte HP-Windschild sorgt für absolut ausreichenden Windschutz. Das Gewicht von Gepäck und/oder Sozius/Sozia gleicht das optionale Dynamic ESA automatisch aus.
Klar, die GS Adventure ist vor allem ein Reisemotorrad, auf Alpenpässen ist sie zu Hause und in rauen Mengen vertreten. In den Dolomiten noch mehr als am Glockner. Sie kann aber auch offroad, vor allem wenn „Fahrmodi Pro“ mit an Bord ist und damit der Enduro-pro-Modus. Man muss auf losem Untergrund nur mit ihrer sehr bewegenden Masse umgehen können.
Tolles Display - mit Abstrichen
Es sind nur Details, die etwas irritieren: So gut ablesbar und gestochen scharf das wunderbare 6,5-Zoll-TFT-Display (Serie, wie der LED-Scheinwerfer) auch ist - warum haben sie es in München nicht intelligenter gestaltet? Man muss umschalten zwischen Reichweite, Tankanzeige und Trip-Zähler, muss sogar die ganze Reihe der Bordcomputer-Anzeigen durchzappen. Ein paar Elemente gleichzeitig hätten ihr schon Platz finden können.
Aber das gibt es nicht für Geld noch gute Worte. Ansonsten lässt die Adventure kaum Wünsche offen, wenn man es sich denn leisten kann. Die Testmaschine kommt auf einen Gesamtpreis von exakt 28.163 Euro, und da ist noch kein Navigationssystem mit dabei. Wohl aber Schaltassistent, Kurven-ABS, LED-Tagfahrlicht und -Blinker, kurz: Touren-, Komfort- und Dynamik-Paket, Intelligenter Notruf und der Alutank. Nackt kostet die GS Adventure 21.450 Euro.
So teuer wie einst 3800 Liter Milch
Wie relativ der Preis ist, lernt man auch in der Ausstellung an der Fuscherlacke: Im Jahr 1930, als der Bau der Straße mit dem ersten Sprengschuss in Ferleiten startete, kostete ein Kilogramm Rindfleisch umgerechnet knapp 50 Euro, ein Kilogramm Käse gar fast 75 Euro, die gleiche Menge Butter mehr als 80 Euro. Milch wird mit 7,43 Euro angegeben. Rechnet man die Testmaschine also beispielsweise mit dem Milch-Kurs um, kommt sie auf nicht einmal 4000 Euro.
Tatsächlich ist aber die BMW teurer, Milch und Fleisch hingegen billig. Was das fürs Klima bedeutet, könnte man wiederum diskutieren.
Ende Oktober wird für dieses Jahr die letzte GS zwischen Ferleiten und Heiligenblut carven, bevor alles unter einer weißen Decke begraben wird. Und solange das noch passiert, starten die Wallack-Schneefräsen im Frühjahr wieder ihre jeweils drei Dieselmotoren. Denn offenbar gibt es noch immer nichts Besseres. Und viele glauben: Auch das gilt für beides.
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