7000 Menschen in Camps

Bosnien: Neue Migrationskrise braut sich zusammen

Ausland
14.09.2019 06:00

Die Stadt Bihac in Bosnien-Herzegowina an der Grenze zu Kroatien sieht sich durch eine steigende Zahl von Migranten überfordert. Viele lagern in improvisierten Camps oder unter freiem Himmel. Der nahende Winter setzt Helfer und Verantwortliche jetzt unter Handlungsdruck.

Das Lager Vucjak, zehn Kilometer entfernt von der nordwestbosnischen Stadt Bihac, ist kein Ort, an dem Menschen hausen sollten. In den Zelten aus Segeltuch liegen Matratzen auf dem nackten Erdboden. Waschräume und Toiletten sind heillos verdreckt. Auf das Frühstück, bestehend aus Brot mit etwas Aufstrich, wartet eine lange Menschenschlange. Vor dem einen oder anderen Zelt backen Männer über einem Feuer Tschapati, das pakistanische Fladenbrot.

Vucjak ist die Antwort der 50.000-Einwohner-Stadt Bihac auf einen Zustrom von Migranten und Flüchtlingen, den sie kaum noch zu bewältigen vermag. Unmittelbar an der Grenze zu Kroatien gelegen, zieht sie Menschen an, die ohne Papiere über die „grüne“ Grenze gehen wollen. Rund 7000 von ihnen halten sich derzeit in Bihac und im umliegenden Kanton Una-Sana auf. Im Juni nahmen die überfüllten Lager der internationalen Hilfsorganisationen keinen mehr auf. Die Migranten schliefen auf der Straße.

Notlager auf früherer Mülldeponie
Mit den Mitteln, die sie hatte, stampfte die Stadtverwaltung auf einer ehemaligen Mülldeponie das Lager Vucjak aus dem Boden. Viele seiner rund 700 Bewohner griff die Polizei in der Stadt auf und transportierte sie gegen ihren Willen hierher. Die Zentralregierung in Sarajevo kümmere sich nicht um das Problem, heißt es.

Den schwierigen Gang über die Berge ins EU-Nachbarland Kroatien nennen die Migranten „The Game“ (Das Spiel).

Entweder du schaffst es nach Österreich, oder …
Entweder du schaffst es bis Österreich, Deutschland oder Italien und kommst ins Asylverfahren, oder du scheiterst, bekommst Prügel und musst zurück zum Start. Der 21-jährige Rezek aus Pakistan erzählt, dass er es in einer Gruppe von zwölf Männern versuchte. Sie kamen bis Slowenien, wo sie die Polizei entdeckte und den kroatischen Behörden übergab. „In Kroatien schlugen sie uns mit Stöcken, sehr hart, drei von uns erlitten Knochenbrüche.“ Trotzdem will Rezek bei nächster Gelegenheit erneut das „Game“ wagen.

Mit Schleppern bis nach Bosnien
Die Hauptschiene der Balkanroute hat sich mehr nach Westen verlagert, sie verläuft nun über Serbien, Bosnien, Kroatien und Slowenien. Bis Bosnien kommen die Migranten mithilfe von Schleppern einigermaßen zügig voran. Bihac ist der Hotspot, wo sie sich aufstauen. Die steigende Zahl der Ägäis-Überquerer bedeutet, dass der Druck steigen wird.

Der langsam nahende, im bosnischen Bergland früh einsetzende Winter könnte eine humanitäre Katastrophe in Gang setzen, wenn Camps wie Vucjak nicht winterfest gemacht werden. Hinzu kommen mehrere Hundert Menschen, die vor dem überfüllten Lager Bira in Bihac oder auf einem Gelände nahe an der kroatischen Grenze unter freiem Himmel lagern.

Gregor Mayer, Kronen Zeitung

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