Generalstreik

Drei Tote bei Protesten gegen Sparpläne in Athen

Ausland
06.05.2010 11:50
Bei gewaltsamen Protesten gegen die massiven Sparpläne der griechischen Regierung hat es am Mittwoch in Athen drei Tote gegeben. Nach Angaben der Feuerwehr befanden sich die Opfer - zwei Frauen und ein Mann - in einer Bank, die von jugendlichen Demonstranten mit Molotowcocktails in Brand gesetzt wurde.

In der von Randalierern in Brand gesetzten Bank im Zentrum Athens spielten sich offenbar dramatische Szenen ab. Wie die Nachrichtenagentur dpa erfuhr, hatten die zwei Frauen und der Mann in dem vierstöckigen Bankgebäude versucht, sich vor dem Flammeninferno auf einen Balkon zu retten. Dabei brachen sie im raucherfüllten Treppenhaus zwischen drittem und viertem Geschoß ohnmächtig zusammen und wurden vom Feuer erfasst. Eine der beiden Frauen war nach Angaben von Kollegen schwanger. Die Kräfte der Feuerwehr konnten den Brandort nicht rechtzeitig erreichen, weil Autonome sie mit Steinen bewarfen.

Demo löst sich nach Todesnachricht auf
Die Nachricht vom Tod der Unschuldigen hatte sich in Athen in Windeseile verbreitet. Die Großdemonstration gegen das massive Sparprogramm der Regierung, an der sich in Athen mehr als 100.000 Menschen beteiligt hatten, löste sich auf. Im Zentrum Athens herrschte am Nachmittag gespenstische Ruhe. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou verurteilte den Vorfall schärfstens: "Wir sind zutiefst erschüttert über den ungerechten Tod der drei Bankangestellten, unserer Mitbürger, die Opfer eines Mordanschlags wurden", sagte der sozialistische Politiker vor dem Parlament in Athen.

Während der Demonstrationen hatten Hunderte Autonome und wütende Demonstranten versucht, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Es flogen Dutzende Brandflaschen, die Polizei setzte massiv Tränengas ein. Vor dem Grab des Unbekannten Soldaten wurde die Ehrenwache vertrieben.

Nach Angaben von politischen Beobachtern war es eine der größten Demonstrationen der vergangenen 20 Jahre. Auch in Thessaloniki und anderen Städten des Landes gingen Zigtausende Menschen auf die Straße. Dort kam es ebenfalls zu Ausschreitungen. Die Forderungen der Demonstranten: "Den Preis für die Krise sollen nicht die kleinen Leute, sondern diejenigen bezahlen, die das Geld geklaut haben."

Generalstreik lässt Land stillstehen
Der Generalstreik aus Protest gegen die drastischen Sparmaßnahmen, an dem sich nach Angaben verschiedener Gewerkschaften bis zu drei Millionen Menschen beteiligten, ließ am Mittwoch ganz Griechenland stillstehen. Es fanden keine Flüge mehr in das und aus dem Land statt. Schulen, Krankenhäuser, Finanzämter und selbst berühmte Kulturstätten wie die Akropolis waren geschlossen.

Von Mitternacht bis 23 Uhr MESZ war der griechische Luftraum zu. Auch Tausende ausländische Urlauber waren betroffen. Am Morgen schlossen sich die Bus- und U-Bahn-Fahrer dem Streik an, Busse und Bahnen blieben in den Garagen. Aus dem Hafen von Piräus liefen keine Fähren aus. Die Staatsbediensteten legten bereits am Dienstag für 48 Stunden ihre Arbeit nieder. Ärzte behandelten nur Notfälle. Nachrichten im Radio und Fernsehen gab es nicht, weil die Journalisten sich für 24 Stunden am Streik beteiligten.

Viele Geschäftsinhaber ließen ihre Geschäfte am Mittwoch ebenfalls geschlossen. Sie warnten davor, dass die Wirtschaft mit den Sparmaßnahmen "abgewürgt" und sie in den Ruin getrieben würden. Schon jetzt sei der Konsum stark gefallen, die Kaufkraft werde weiter sinken.

"Freier Fall unseres Lebensstandards"
Der Chef der größten Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes Adedy, Spyros Papaspyros, erklärte: "Wir verlangen, dass der freie Fall unseres Lebensstandards ein Ende hat." Er befürchtet neue Lasten für die Arbeitnehmer und dass die Regierung nicht "die ganze Wahrheit" sagt. Die Gewerkschaft räumt zwar ein, dass Ausgabenkürzungen nötig seien, doch träfen sie besonders Menschen der unteren Einkommensschichten. "Es gibt andere Dinge, die die Regierung tun kann, bevor sie von einem Pensionisten Geld nimmt, der 500 Euro im Monat bekommt", so Papaspyros.

Der Protest richtet sich gegen die Sparauflagen der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds. Diese wollen Griechenland einen Kredit über 110 Milliarden Euro gewähren - und fordern dafür Anstrengungen des Mittelmeerstaates. 30 Milliarden Euro soll der Währungsfonds beisteuern, 80 Milliarden Euro übernehmen die Euro-Länder.

Politiker befürchten Horrorszenario
Griechische Politiker haben Angst vor einem Horrorszenario für die Wirtschaft des Landes und letzten Endes auch für die Existenz des Staates. Sie fürchten den Zorn der Bürger, vor allem derjenigen, die stets ihre Steuern und Arbeitnehmerbeiträge bezahlt haben. "Millionen sehen jetzt, dass sie trotz all ihrer Loyalität den Preis bezahlen müssen. Vor allem die Rentner, die sich nicht mehr mit Streiks wehren können", sagte ein Steuerberater.

Die von den Sozialisten geführte Regierung in Athen hat ihr Sparprogramm am Wochenende verschärft und sich zu Sparmaßnahmen von 30 Milliarden Euro bis 2013 verpflichtet. Um das Staatsdefizit zu reduzieren, will die griechische Regierung die Steuern erneut erhöhen und die Gehälter von Staatsbediensteten sowie die Renten kürzen. Das Programm sieht zudem einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und erhebliche Einsparungen im Sozialbereich vor.

Das Parlament in Athen stimmt am Donnerstag über das Sparpaket der Regierung ab. Die sozialistische PASOK von Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat eine Mehrheit von 160 der 300 Sitze - die Annahme des Gesetzes gilt daher als gesichert.

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