Dialog gegen Gewalt

„Können 5 Frauenmorde nicht auf uns sitzen lassen“

Österreich
23.01.2019 13:21

Fünf Frauen sind in den vergangenen zwei Wochen in Österreich getötet worden. In allen Fällen stammen die mutmaßlichen Täter aus dem engeren (Familien-)Kreis, im Vorfeld von zwei Taten gab es sogar Wegweisungen. Angesichts dieser traurigen Serie lud die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures zum parlamentarischen Dialog mit Experten, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit dem Thema Gewalt an Frauen befassen. Das Ziel: der Gewalt in der Familie den Kampf anzusagen und die Diskussion darüber zu versachlichen. „Wir können nicht auf uns sitzen lassen, dass wir Spitzenreiter bei Morden an Frauen sind“, so NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz im Anschluss des Round Table am Mittwoch.

Bures bedankte sich bei allen Teilnehmenden, dass es gelungen sei, über die Parteigrenzen hinweg einen konstruktiven Dialog zu führen. Denn darum sei es vor allem gegangen: die Diskussion zu versachlichen. Schließlich seien nach den Morden an den fünf Frauen die Emotionen teilweise hochgekocht. Bei dem Runden Tisch am Mittwoch habe man sich hingesetzt, „um uns ein klares Bild zu machen, wie in Österreich mit dem Thema Gewalt an Frauen umgegangen wird“. Die Familie, die eigentlich der Ort sein sollte, an dem man Schutz und Fürsorge erwarten kann, ist oft der Ort, an dem Frauen Gewalt ausgesetzt sind. Dem wolle man entgegenwirken.

„Wir alle sind gefordert“, so Bures bei der Pressekonferenz. Sei es, um Frauen zu stärken, sodass sie „gleichberechtigt, selbstbewusst und selbstständig in einer Gesellschaft leben können“, oder bei den nötigen Optimierungen in den Bereichen Opferschutz, Prävention oder Sensibilisierung - auch bei der Ausbildung in der Justiz, um „einen Fokus auf die besondere Situation häusliche Gewalt richten zu können“. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, dass Frauen ohne Angst leben können“, so Bures.

Geringe Verurteilungsquote „ein schlimmes Signal an Opfer und Täter“
Für Strafrechtsexpertin und Kriminologin Katharina Beclin brauche es darüber hinaus „dringend eine erhöhte Anzeigebereitschaft“. Ein höherer Strafrahmen schrecke nicht ab, die derzeitige Gesetzeslage sei ausreichend, aber „je mehr angezeigt und je mehr verurteilt wird, desto abschreckender wirkt es“ auf die potenzielle Gewalttäter. In dieselbe Kerbe schlug die juristische Prozessbegleiterin Sonja Aziz, die von einer Verurteilungsquote von lediglich rund zehn Prozent sprach. Sanktionen für Täter seien „extrem wichtig“, eine niedrige Verurteilungsrate hingegen „ein schlimmes Signal an Opfer und Täter".

„Datenschutz darf nicht über dem Opferschutz stehen“
Auch die Täterarbeit müsse ausgebaut werden - und in dem Bereich dürfe der Datenschutz nicht über dem Opferschutz stehen. Man müsse gewalttätige Partner bereits unmittelbar nach einer Wegweisung kontaktieren dürfen, um sie zu Gesprächen einzuladen, aus denen dann Coachings oder Anti-Gewalt-Trainings resultierten. Oft seien die Täter Polizei bzw. Justiz bekannt, hätten eine Gewaltgeschichte - doch wenn es keine U-Haft gibt, könne es trotz Wegweisung zu einem Mord kommen - wie bei dem Fall in Tulln, bei dem eine 32-Jährige mutmaßlich von ihrem Ehemann vor einem Supermarkt erstochen wurde.

Die Kapazitäten für fallbezogene Risikoeinschätzungen, die umgehende Kooperation mit der eingeschalteten Opferschutzeinrichtung sowie die zeitnahe Kontaktierung der sogenannten Gefährder gebe es trotz eines österreichweiten Netzes von Männerberatungseinrichtungen derzeit aber noch nicht, so Alexander Haydn, Psychologe und Psychotherapeut im Bereich Männerarbeit, der eine Erhöhung der Mittel sowohl für den Opferschutz als auch die Täterarbeit forderte.

„Männer gehen in Karenz und Männer putzen auch“
Für ihn sei auch nötig, bereits Kindern im Kindergarten- bzw. Schulalter das moderne Männerbild näherzubringen. „Männer stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sie gehen in Karenz. Männer putzen auch“, so Haydn. Den jungen Burschen müsse der Wandel von einem patriachalen zu einem sorgenden Rollenbild der Männlichkeit vermittelt werden. „In der Männlichkeit muss auch Platz für Verletzlichkeit und Schmerz sein“, führte die Soziologin Laura Wiesböck aus.

FPÖ kritisiert Expertenrunde, schickte aber Teilnehmerin hin
Kritik an der Gesprächsrunde kam postwendend von der FPÖ: „Während die Regierungsparteien FPÖ und ÖVP an gemeinsamen Lösungsstrategien arbeiten, versuchen die Oppositionsparteien wieder einmal, ihren eigenen Weg einzuschlagen. Von Pressekonferenzen angefangen bis hin zu der heutigen Expertenrunde scheinen sich die Kolleginnen und Kollegen der Opposition wieder in zahlreiche Diskussionen zu verstricken, anstatt die Lösungen der Bundesregierung abzuwarten“, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung von FPÖ-Frauen- und Gleichbehandlungssprecherin Carmen Schimanek und ÖVP-Frauensprecherin Barbara Krenn. Während die ÖVP wegen einer Klubtagung ihre Teilnahme an dem Dialog abgesagt hatte, war eine Vertreterin der FPÖ, Stefanie Karlovits, allerdings anwesend.

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