Streit eskaliert

Atom-Abrüstung: USA stellen Russen Ultimatum

Ausland
05.12.2018 06:06

Nächste Eskalationsstufe im Streit über den INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenraketen zwischen den USA und Russland: Die USA haben Russland am Dienstag ein Ultimatum von 60 Tagen gestellt, um sich wieder an den Vertrag zu halten. Wenn Russland darauf nicht reagiert, wollen die Vereinigten Staaten das Abkommen aufkündigen. „Russland hält sich strikt an die Bestimmungen des Vertrages, und das ist der amerikanischen Seite auch bekannt“, wies das russische Außenministerium die Vorwürfe der NATO-Staaten umgehend zurück, mit neuen Marschflugkörpern gegen einen der wichtigsten Abrüstungsverträge verstoßen zu haben. Muss sich die Welt jetzt auf ein neues atomares Wettrüsten einstellen?

Die USA hätten in der Vergangenheit „maximale Geduld“ gezeigt, sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag nach Beratungen mit den Kollegen der anderen NATO-Staaten in Brüssel. Wenn Russland den Vertrag allerdings weiter verletze, ergebe es für die USA keinen Sinn mehr, im Vertrag zu bleiben, hieß es weiter.

Marschflugkörper verstoßen gegen INF-Vertrag
Die NATO hatte Russland kurz zuvor erstmals geschlossen vorgeworfen, mit neuen Marschflugkörpern (siehe auch Video oben) gegen den INF-Vertrag zu verstoßen. Man rufe Russland auf, sofort und nachweisbar wieder volle Vertragstreue herzustellen, kommentierte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Letzte Chance für die Russen?
Mit dem Vorgehen soll Russland eine letzte Gelegenheit erhalten, die von der NATO vermutete Missachtung der Regeln des Vertrags zu beenden. Wenn es dies nicht tut, könnte auf Bündnisebene zum Beispiel ein Ausbau der Raketenabwehr in Europa beschlossen werden. Sollte Russland nicht einlenken, hätte dies auch zur Folge, dass die USA den INF-Vertrag mit politischer Rückendeckung der anderen Alliierten kündigen könnten.

„Kein Land, dem man ein Ultimatum stellt“
Russland habe nicht die Absicht, auf diese Forderung einzugehen, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses in der Staatsduma, Wladimir Schamanow, am Dienstag: „Russland ist kein Land, dem man ein Ultimatum stellt.“ Zudem habe man sich strikt an die Bestimmungen des Vertrags gehalten. Auch sein Land habe an die USA Forderungen gestellt und keine Reaktion erhalten. „Wir werden deshalb nicht auf diese vermeintlichen Anschuldigungen antworten.“

Das geplante Vorgehen gilt allerdings bereits als Kompromiss unter den NATO-Partnern. US-Präsident Donald Trump hatte eigentlich bereits im Oktober angekündigt, den INF-Abrüstungsvertrag wegen neuer russischer Marschflugkörper vom Typ 9M729 aufkündigen zu wollen. NATO-Partner wie Deutschland befürchten, dass dies ein fatales Signal wäre und ein neues Wettrüsten auslösen könnte. Sie wollen deswegen alle Möglichkeiten nutzen, um das Abkommen doch noch zu retten.

Bedrohung durch Russland hoch wie seit 2014 nicht
Das ukrainische Militär schätzt die Bedrohung durch Russland so hoch ein wie seit 2014 nicht mehr. Die Regierung in Moskau habe seit August Soldaten verstärkt an der Grenze zusammengezogen, sagte der ukrainische Generalstabschef Viktor Muschenko am Dienstag. „Vor uns steht ein Aggressor, der keine rechtlichen, moralischen oder anderen Grenzen kennt“, so seine Einschätzung. Die Blockade der Straße von Kertsch bezeichnete er als „Akt der Aggression“.

Maas warnt vor „neuer Aufrüstungsspirale“
„Wir wollen keine neue Aufrüstungsspirale in Europa - wir wollen schon gar keine neue nukleare Aufrüstungsspirale“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas nach den Beratungen. Er wertete es Erfolg, dass die USA den Vertrag am Dienstag noch nicht gekündigt hätten. Man wolle nun versuchen, das Thema internationale Rüstungskontrolle wieder auf die Tagesordnung setzen. „Wir denken, dass es klug ist, weiter zu versuchen, den Vertrag zu erhalten und Russland zur Vernunft zu bringen“, sagte der niederländische Außenminister Stef Blok.

Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces) wurde 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen. Er verpflichtet beide Seiten zur Abschaffung aller landgestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Zugleich untersagt er die Produktion und Tests solcher Systeme.

Die USA werfen Russland seit Längerem vor, mit der Entwicklung eines Marschflugkörpers mit dem Namen 9M729 (NATO-Code: SSC-8) gegen den Vertrag zu verstoßen. Russland dementiert das und hat im Gegenzug auch den USA schon mehrfach einen Vertragsbruch vorgeworfen. Ein Einlenken Russlands gilt deswegen als sehr unwahrscheinlich.

Militärinsider: Auch USA haben kein Interesse mehr an Atomvertrag
In europäischen Militärkreisen wird allerdings vermutet, dass auch die USA kein großes Interesse an einem Erhalt des Vertrags haben. Er verpflichtet nämlich nur Russland und sie selbst zum Verzicht auf die atomaren Mittelstreckenwaffen. Andere aufstrebende Militärmächte wie China können sie weiter entwickeln. Ziel der USA könnte es deswegen sein, das INF-Abkommen durch einen neuen multilateralen Vertrag zu ersetzen. Alternativ könnten sie zur Abschreckung von Gegnern selbst neue landgestützte Mittelstreckensysteme bauen.

Auch Pompeo verwies am Dienstag darauf, dass Nordkorea und China nicht durch den INF-Vertrag gebunden seien.

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