Urteil mit Sprengkraft

„Krieg der Kerne“ um das steirische Kürbiskernöl

Steiermark
14.08.2018 06:30

Es ist ein echtes Donnerwetter, das sich da über der Landwirtschaftskammer Steiermark und dem Verein „Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl g.g.A.“ mit seinen 3400 Mitgliedern zusammenbraut. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit einer kleinen Ölmühle aus der Südoststeiermark um die Marke „Steirisches Kürbiskernöl“ kam es kürzlich zum Knalleffekt: Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Kammer die traditionsreiche Marke in Österreich zu löschen hat. Nun geht es um Schadenersatz in Millionenhöhe!

Den 20. Geburtstag hat sie nicht mehr erlebt. Sie ist eine ganz Große der Steiermark, eine Identitätsstifterin, die es plötzlich und völlig unerwartet nicht mehr gibt: die nationale Individualmarke „Steirisches Kürbiskernöl“.

Das runde Jubiläum hätte man am 30. September 2018 gefeiert. Vermutlich mit viel Pomp und Trara. Wäre da nicht eine Spaßverderberin in Form einer kleinen südsteirischen Ölmühle aufs Parkett getreten.

„Alles begann im Jahr 2013“, erinnert sich Johann Kurzmann, Hausherr der Ölmühle Schmid in Halbenrain im Bezirk Südoststeiermark, zurück. „Wir haben damals eine Marke für unser Kürbiskernöl auf den Markt gebracht, die der des Vereins ,Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl’ ähnelt. Das hat der Landwirtschaftskammer als Markeninhaberin nicht gepasst“, erzählt der 54-Jährige.

Niederösterreichische Kerne für steirisches Öl
Die Ölmühle Schmid wurde im Jahre 1802 gegründet und ist seither durchgehend in Familienbesitz. Dementsprechend groß sind der Stolz und der Überlebenswillen der Eigentümer: „Uns hat vor allem eines gestört: Der Verein darf ganz offiziell Kerne von seinen vielen Mitgliedern aus Niederösterreich und dem Burgenland verwenden und dann seine Flaschen mit ,Steirisches Kürbiskernöl’ etikettieren. Und ich kleiner Lohnpresser, der ausschließlich Kerne aus der Steiermark bezieht, in der Steiermark presst und das Kernöl in der Steiermark abfüllt, darf das nicht? Nur weil ich nicht brav Mitgliedsbeitrag in den Verein einzahle, der ohnehin schon von EU, Bund und Ländern Fördergelder kassiert? Da passt doch im System etwas nicht!“, ist der Südsteirer zornig.

David gegen Goliath: Wer hält länger durch?
Also wird vor Gericht gestritten - und das auf Teufel komm raus. Immerhin geht es ja nicht um irgendetwas. Für beide Seiten. Eine Armee an Anwälten ist mit der immer komplexer werdenden Angelegenheit befasst, Rechtsexperten fliegen quer durch Europa, um ihre Sicht der Dinge auch auf EU-Ebene darzulegen. Der Aktenberg wächst und wächst, die Prozesskosten steigen in schwindelerregende Höhen. „Man hat mit allen Mitteln versucht, uns fertig zu machen. So nach dem Motto - solch ein kleiner Maxi wagt es, sich mit der übermächtigen Kammer anzulegen“, erhebt Kurzmann auch jetzt noch schwere Vorwürfe.

Allein der Prozess verschlingt 800.000 €
Manchmal ist es schwierig, den Ausführungen des Mannes zu folgen, zu eng ist er mittlerweile mit der Materie verwachsen. Aus Notwehr wurde so etwas wie eine Obsession. Tage- und nächtelang habe man nichts anderes getan, als für die eigene Überzeugung zu kämpfen. Jahrelang.

„Die Verfahrenskosten betrugen zum Schluss 800.000 Euro, der Verdienstentgang miteingerechnet“, betont Kurzmann. Auch bei seiner Lebensgefährtin, welche die traditionsreiche Mühle von ihrem Vater übernommen hat, hinterließ die Dauerbelastung Spuren: „Noch einmal würde ich all das nicht überleben“, so Schmid.

„Dabei wollten wir ja nie irgendjemandem etwas wegnehmen. Wir wollten lediglich für einen freien Markt kämpfen - und eine faire Behandlung“, sagt die 38-jährige Müllnerin.

Am 29. Mai 2018 kam das überraschende Urteil
Umso verständlicher, dass den Mühlen-Besitzern der Abend des 29. Mai für immer in Erinnerung bleiben wird: „Als wir den Anruf bekommen haben, dass der Oberste Gerichtshof nach fünf Jahren Dauer-Clinch tatsächlich zu unseren Gunsten entschieden hat, war das schöner als Weihnachten und Geburtstag zusammen“, erzählt Johann Kurzmann. „Niemand hatte wohl damit gerechnet, dass wir als kleine Mühle bis zuletzt durchhalten - mental und finanziell. Aber wir haben es geschafft!“, freut sich das Paar.

Richter entschieden: Ernsthafte Nutzung fehlt
Zentraler Streitpunkt war unter anderem, dass die steirische Landwirtschaftskammer als Markenbesitzerin nicht als Produzentin in Erscheinung tritt. Damit sei keine „ernsthafte Nutzung“ zu erkennen, so das Urteil des Obersten Gerichtshofs.

„In der Praxis funktioniert es ja seit jeher so, dass die Kammer als Markeninhaberin die Bezeichnung ,Steirisches Kürbiskernöl’ über den Verein ,Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl g.g.A.’ seinen etwa 3400 Mitgliedern in Österreich zur Verfügung stellt. Damit fehlt markenrechtlich der Hinweis auf ein erzeugendes Unternehmen“, erläutert der Wiener Patentanwalt Wolfgang Poth.

Millionenklagen in Vorbereitung
Mit dem aktuellen Richterspruch alleine will sich die Ölmühle Schmid allerdings nicht zufrieden geben: „Wir hatten jahrelang mit einem massiven Wettbewerbsnachteil zu kämpfen, konnten darüber hinaus nicht investieren und uns vergrößern“, sagt Johann Kurzmann.

Deshalb sehen sich nun die Landwirtschaftskammer Steiermark und der Verein „Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl g. g. A.“ mit einer saftigen Schadenersatzklage konfrontiert: „Knapp 4,9 Millionen Euro werden in einem ersten Schritt durch unseren Anwalt eingeklagt. Diese Summe bezieht sich auf die fünfjährige Dauer des Streits, in der uns viele Nachteile gegenüber dem übermächtigen Verein entstanden sind. Hochgerechnet auf die vergangenen 20 Jahre, in der die Marke ,Steirisches Kürbiskernöl’ existiert hat, könnte die Summe allerdings noch auf 30 bis 40 Millionen Euro anwachsen.“

Nach dem verlorenen Höchsturteil schlägt der Verein „Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl“ zurück. Geschäftsführer Andreas Cretnik gegenüber der „Krone“: „Wir haben die Ölmühle Schmid auf Schadenersatz und Unterlassung geklagt. Deren Verhalten lassen wir uns nicht gefallen. Für Konsumenten und Produzenten ändert sich derzeit nichts. Wir haben um eine Ersatzmarke angesucht, das Eintragungsverfahren läuft.“

Ein Interview mit Andreas Cretnik lesen Sie in der Dienstagausgabe der „Steirerkrone“.

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