Balkan-Länder ratlos

„Flüchtlinge kommen von allen Seiten“

Ausland
23.05.2018 06:05

Man stelle sich vor, am Wiener Heldenplatz schlagen über Nacht Hunderte Flüchtlinge ihre Zelte auf. Genau das passiert derzeit im Stadtpark im bosnischen Sarajevo. Die Flüchtlinge kommen über die neue Balkanroute: Um 200 Euro winkt sie die Grenzpolizei von Griechenland nach Albanien durch, 100 Euro kostet der Übergang nach Montenegro, um 50 Euro geht es nach Bosnien. „Sie kommen von allen Seiten“, titeln lokale Medien.

Selbst über die Minenfelder aus dem Jugoslawien-Krieg werden sie geschleust. 50.000 Menschen suchen auf der neuen Route ihren Weg in den Norden, sagen Behörden. Über Kroatien soll es nach Österreich gehen. Die überforderten Länder im Süden wissen nicht weiter.

Indes kommen in Griechenland, Spanien und Italien wieder mehr Flüchtlinge über die Mittelmeerroute. Und auch die Zahl jener, die nicht ankommen, steigt. 619 Personen sind seit Jänner in den Tiefen des Meeres ertrunken, 23.715 Migranten haben es auf europäischen Boden geschafft. Das ist weniger als vor zwei Jahren, doch der Anstieg lässt die EU-Grenzschutzagentur Frontex wieder Alarm schlagen.

Wann schließen Sie die Route, Herr Kurz?
Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) brüstete sich vor einem Jahr damit, die Mittelmeerroute schließen zu wollen, so wie er die Balkanroute geschlossen habe. Unabhängig von der viel diskutierten Moral, wann schließt er sie nun? Kurz antwortet so: „Der Kampf gegen illegale Migration ist eine unserer Prioritäten. Es braucht einen totalen Systemwechsel: Migranten und Flüchtlinge sind an der EU-Außengrenze zu versorgen und von dort in ihre Herkunftsländer oder in sichere Zentren in Drittstaaten zurückzubringen.“

Kern: „Enge Abstimmung mit europäischen Partnern nötig“
SPÖ-Chef Christian Kern kritisiert: „Politische Großprojekte dieser Art lassen sich nur in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern umsetzen. Statt einsam den Mond anzuheulen, soll sich die Regierung auf europäischer Ebene für gute Lösungen einsetzen. Zum Beispiel bei Rückführungsabkommen.“

Während die Politik keine Lösungen findet, steigt die Zahl der Flüchtlinge weiter - und die Zahl der Toten.

EU ringt weiter um Umverteilung
Die EU soll nun bis Juni 2018 eine Reform der sinnlosen Dublin-Regelung präsentieren. Nach dem aktuellen Dublin-System ist das erste Einreiseland für das Asylverfahren von Flüchtlingen zuständig. Dass diese Regelung die Länder an den Außengrenzen vor einen Kollaps stellt, zeigte nicht nur die Krise 2015. Die Innenminister verhandeln bereits seit Monaten. Auf dem Tisch liegen solidarische Verteilungsquoten, von denen etwa Ungarn nichts wissen will, und Geldstrafen für verweigernde Länder, die sie pro nicht aufgenommenem Flüchtling zahlen sollen.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sperrt sich gegen die Reform: „Die viel diskutierte Umverteilung von Asylwerbern innerhalb Europas kann nicht die Lösung sein, im Gegenteil, sie würde weitere Einwanderer anlocken und die Geschäfte der Schlepper begünstigen“, sagt er zur „Krone“. „Der erste Schritt muss sein, dass Asylanträge nicht mehr in Europa gestellt werden, sondern auf dem jeweiligen Heimatkontinent“, so seine Vorstellungen. Bei den EU-Treffen hielt er sich damit zurück. Die türkis-blaue Regierung will das Thema Migration zum Fokus beim bevorstehenden EU-Ratsvorsitz machen.

Maida Dedagic, Kronen Zeitung

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