"Spießrutenlauf"

Stadtspaziergang beschert Blinden oft viele blaue Flecken

Wien
14.10.2009 11:19
Fahrräder, Mistkübel, Elektroautos - Dinge wie diese können einen blinden oder sehbehinderten Menschen mitunter zur Verzweiflung bringen. "Aber sicher nicht, weil wir gegen umweltfreundliche Methoden sind", betont Gerhard Höllerer, Präsident des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbands (ÖBSV) anlässlich des am Donnerstag stattfindenden "Internationalen Tag des Weißen Stocks".

Nein, vielmehr können an Verkehrsstangen angekettete Drahtesel und Co. zum gefährlichen Hindernis für Blinde und Sehbehinderte werden. So hat z. B. ein an einer Verkehrsstange in der Luft hängender Mistkübel seine Tücken. Beim Spaziergang durch die Wiener Innenstadt demonstriert Höllerer welche: Beim Ertasten mit dem Blindenstock geht dieser am Boden unter dem Abfallbehälter durch und zeigt sozusagen "Weg frei" an. Das Hindernis oberhalb bleib unbemerkt, der Präsident geht weiter - und knallt gleich darauf ungefähr in Hüftgegend gegen den Kübel.

Postkasten beschert "blauen Fleck"
Keine zehn Schritte weiter das nächste Hindernis: Im gut sichtbaren Gelb ist ein Briefkasten frei hängend an einer Hausmauer angebracht und reicht in den Gehsteig hinein. Leider nützt die Signalfarbe nichts - Höllerers Blindenstock unterläuft den Postkasten, erkennt die oben lauernde Gefahr nicht und - wumm, der nächste "blaue Fleck", dieses Mal in Brusthöhe. Eine kleinere Person hätte der Briefkasten an der Stirn erwischt.

Ein Fahrrad ist am Gehweg abgestellt und an einer Verkehrsstange angekettet. "So etwas habe ich gern", meint Höllerer und gleich wird klar, warum: Beim Weg-Ertasten verheddert sich zuerst der Blindenstock zwischen Radspeisen und Fahrradkette und weil der Drahtesel auch noch lässig quer steht, muss sich der Präsident erst mühevoll orientieren, um wieder auf die richtige Strecke zu gelangen.

"Spießrutenlauf" zwischen Abfallcontainern
"An den Mülltagen, wenn die ganzen Abfallcontainer vor den Häusern stehen, ist es ein richtiger Spießrutenlauf", meint Höllerer. "Mühsam sind auch Wahlplakate oder die sogenannten A-Ständer." Sagt's - und verhängt sich mit seinem Stock sogleich zwischen zwei Werbeständern einer Trafik, die am Gehweg aufgestellt sind. Absperrketten, Baustellentafeln, Lkw-Laderampen, Dachlawinen-Stangen oder auch vor Geschäften aufgestellte Wühltische - alles Hindernisse, bei denen ein Sehender gar nicht auf die Idee einer Gefahr käme.

Gefährliche Elektroautos im Straßenverkehr
Besondere Furcht hat man laut dem Präsidenten vor hybriden und elektrischen Fahrzeugen, die bei Leerlauf oder niedrigen Geschwindigkeiten auf einen kaum hörbaren Elektromotor umschalten. Problematisch für alle, die sich im Straßenverkehr besonders auf ihr Gehör verlassen müssen. Nach Angaben der Europäischen Blindenunion (EBU) wurde z. B. ein elektrisch betriebener Toyota Prius in Tests an der Universität Kalifornien erst gehört, nachdem er auf rund 1,30 Meter herangekommen war. Ein angemessenes akustisches Signal könnte hier eine mögliche Lösung sein, meinen die Betroffenen.

Der "Internationale Tag des Weißen Stocks" wurde 1969 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und wird seither am 15. Oktober begangen. In Österreich feiern rund 318.000 sehbeeinträchtigte Menschen diesen Tag. Zu ihren zentralen Forderungen gehören, dass Blindenführhunde sowie Mobilitäts- und Orientierungstrainings als medizinische Rehabilitationsmaßnahme anerkannt werden.

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