Obama legt sich fest

“GITMO”-Häftlinge jetzt doch in US-Gefängnisse

Ausland
21.05.2009 17:16
US-Präsident Barack Obama hält auch nach seiner schweren Niederlage im Kongress am Mittwoch an der Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo auf Kuba fest. Ein Teil der rund 240 Guantanamo-Häftlinge soll zudem in Hochsicherheitsgefängnisse in die USA verlegt werden. Etwaige Terror-Verfahren sollen dann vor US-Bundesgerichten geführt werden, sagte Obama am Donnerstag in einer mit Hochspannung erwarteten Rede zur nationalen Sicherheit in Washington.

Häftlinge, die amerikanische Gesetze gebrochen haben, würden vor US-Gerichte gestellt, kündigte der Präsident an. Es werde keiner freigelassen, der "ein nationales Sicherheitsrisiko" darstelle, versicherte er, nachdem ihm Senatoren beider Lager am Mittwoch aus Angst vor mutmaßlichen Terroristen in US-Gefängnissen die Zustimmung zur Lager-Schließung verweigert hatten. Zugleich erklärte der Präsident, die Behörden hätten nach entsprechenden Untersuchungen befunden, dass 50 Guantanamo-Insassen ins Ausland transferiert werden könnten.

Für mutmaßliche Terroristen, gegen die nicht genügend Beweise für eine Anklage vorliegen, soll gemeinsam mit dem Parlament ein "legitimer rechtlicher Rahmen" für längerfristige Inhaftierungen erarbeitet werden. "Längere Inhaftierungen dürfen nicht die Entscheidung eines Einzelnen sein", sagt Obama.

In seiner Grundsatzrede zur Terrorabwehr vor Militäranwälten räumte er "Schwierigkeiten" bei der Schließung ein, doch sei sein Plan alternativenlos. "Die Beibehaltung des Lagers würde uns letztlich teurer kommen als seine Schließung", sagte er. Das Terrornetzwerk Al Kaida benutze die Existenz des Lagers als Werbung für die Anwerbung von Terroristen. Das Gefangenenlager auf der Karibik-Insel Kuba habe der moralischen Autorität der USA in der Welt Schaden zugefügt.

Kritiker schaffen "Klima der Furcht"
Obama warf seinen Kritikern vor, mit der Debatte über die Schließung von Guantanamo ein "Klima der Furcht" zu schaffen. "Wenn wir weiterhin Entscheidungen in einem Klima der Furcht treffen, werden wir weiterhin Fehler machen", sagte er. Ausdrücklich kritisierte Obama die Politik seines Vorgängers George W. Bush, dessen Handhabung von Terrorverdächtigen die heutigen Probleme erst verursacht habe. "Wir müssen nun etwas aufräumen, das schlichtweg ein Schlamassel ist, ein fehlgeleitetes Experiment, das uns eine Flut von Gerichtsverfahren eingebracht hat." Er räumte ein, Bush habe bereits 500 Gefangene aus Guantanamo entlassen. Eine "Wahrheitskommission" zur Untersuchung der Anti-terror-Politik Bushs lehnte Obama ab.

Der US-Präsident bekräftigte auch seine Entscheidung, Fotos von Gefangenenmisshandlungen in Afghanistan und Irak durch US-Sicherheitskräfte nicht zu veröffentlichen. Es gebe keinen Grund dafür, sie zu veröffentlichen, aber einen "klaren und zwingenden" Grund, es nicht zu tun, sagte er. Die Verantwortlichen seien für die Misshandlungen zur Rechenschaft gezogen worden. Es sei unstrittig, dass ihre Taten falsch gewesen seien. Nun die Bilder davon zu veröffentlichen, würde antiamerikanische Gefühle in der Welt verstärken. Er habe sich deshalb aus seiner Verantwortung, Schaden von Amerikaner abzuwenden, gegen die Veröffentlichung entschieden.

Senat verweigerte Schließungsbudget
Der Senat hatte am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit 80 Millionen Dollar (59 Millionen Euro) verweigert, die Obama für die im Jänner 2010 geplante Schließung des weltweit kritisierten Lagers beantragt hatte. Senatoren beider Parteien hatten ihm die Gefolgschaft verweigert, weil sie besorgt sind, dass viele der 240 Häftlinge in die USA verlegt werden könnten. US-Medien sprachen von einem ersten klaren Rückschlag für den seit Jänner regierenden Obama. Dennoch halte der Präsident an seinem Schließungsplan fest, der zu seinen wichtigsten Wahlversprechen gehörte.

"Hohe Rückfallquote" bei Ex-"GITMOs"?
Zugleich berichtete die "New York Times" (siehe Infobox) von einer hohen "Rückfallquote" der bisher 535 freigelassenen Guantanamo-Häftlinge. Einer von sieben Häftlingen habe sich erneut dem Terror verschrieben oder sei militant aktiv geworden. Zu diesem Ergebnis kommt nach Angaben des Blattes ein noch unveröffentlichter Bericht des US-Verteidigungsministeriums. Der Bericht werde mit Rücksicht auf die Schließungspläne Obamas zurückgehalten, hieß es.

Unterdessen wurde bekannt, dass der erste Guantanamo-Häftling in den USA vor ein ziviles Gericht gestellt werden soll. Das aus Tansania stammende mutmaßliche Al-Kaida-Mitglied Ahmed Ghailani soll sich vor einer New Yorker Jury für 1998 verübte Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania verantworten. Bei den Anschlägen waren 224 Menschen ums Leben gekommen.

Deutschland und EU zögert bei Aufnahme
Auch Deutschland und Europa zögern bei der Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen. Erst vor kurzem erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin, die Bundesregierung habe sich noch nicht festgelegt. Man befinde sich noch am Anfang der Gespräche mit der US-Regierung und anderen EU-Ländern.

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