Marathon-Sitzung

Nationalrat beschließt AUA-Zuschuss

Österreich
27.02.2009 18:06
Drei Tage vor den mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg hat am Donnerstag ein wahrer Sitzungs-Marathon im Parlament stattgefunden. Beschlossen wurden unter anderem ein flexibleres Kurzarbeitsmodell zur Vermeidung einer noch höheren Arbeitslosenquote, die Abfederung bei der Rückzahlungspflicht des Kindergeld-Zuschusses sowie der 500-Millionen-Euro-Zuschuss für den AUA-Verkauf. Nach einer 16,5-stündigen Debatte wurde die Sitzung beendet, auch wenn das BZÖ noch gerne in die "Verlängerung" gegangen wäre. Das Bündnis brachte nach 2 Uhr früh einen "Dringlichen Antrag" ein, von einem Erstaufnahmezentrum im Süden Österreichs abzusehen. Damit hätte gegen 5.30 Uhr die Debatte dazu stattfinden müssen - hätte.

Denn die ÖVP machte von ihrem prioritären Antragsrecht Gebrauch und brachte eine eigene Dringliche an den Wirtschaftsminister in Sachen Konjunkturlage ein - allerdings nur formhalber. Flott wurde nämlich der Antrag wieder zurückgezogen, seine Aufgabe war erfüllt. Der vom BZÖ eingebrachte Antrag war schon durch den VP-Antrag verfallen, folgerichtig fand gar keine Debatte statt.

BZÖ und Grüne zeigten sich erbost. Sowohl Bündnischef Herbert Scheibner als auch die Grün-Mandatarin Daniela Musiol vertraten die Ansicht, dass mit der Vorgangsweise der ÖVP die Geschäftsordnung gebogen und neuerlich gezeigt werde, wie man mit der Opposition umgehe.

Heftiger Streit über AUA-Zuschuss
Bereits zu Beginn der Sitzung gingen vorallem bei der Debatte über den AUA-Zuschuss die Ansichten am weitesten auseinander. Während SPÖ und ÖVP die Gabe an die Lufthansa für alternativlos hielten, forderten die drei Oppositionsparteien, die Sache an den Ausschuss zurückzuverweisen. FPÖ, BZÖ und Grüne hielten der Regierung geschlossen vor, selbst für das Desaster bei den Austrian Airlines verantwortlich zu sein. FPÖ und BZÖ forderten vehement, dem abgelösten AUA-Chef Alfred Ötsch seine Abfertigung zu streichen und Schadenersatzforderungen gegen ihn und den ÖIAG-Vorsitzenden Peter Michaelis einzuleiten.

SPÖ fordert Rücktritt von ÖIAG-Chef Michaelis
Letzterer hatte es auch der SPÖ angetan, im negativen Sinne. Generalsekretärin Laura Rudas forderte Michaelis zum Rücktritt auf. Finanzsprecher Jan Kai Krainer vergaß nicht zu betonen, dass das Führungspersonal bei der AUA noch unter Schwarz-Blau ausgewählt worden sei und nun die SPÖ die Aufräumungsarbeiten durchführen müsse. ÖVP-Finanzsprecher Günter Stummvoll wiederum beklagte, dass eine frühere Privatisierung zwar sinnvoll gewesen wäre, mangels Mehrheit aber nicht möglich gewesen sei.

Die Opposition vermutete, dass der Halbmilliarden-Zuschuss angesichts der Beschwerde der Air France vor der EU-Kommission nicht halten könnte. Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass man schon Mitte Juni eine positive Entscheidung aus Brüssel hören werde.

Auch "Kurzarbeit neu" abgesegnet
Stimmiger war die Debatte zur Flexibilisierung der Kurzarbeit, bei der nur die Grünen die Zustimmung verwehrten. Sie befanden, dass das neue Modell dazu führen könnte, dass Arbeitnehmer unter die Armutsgrenze fallen, weshalb man sich auf eine Ablehnung festlegte. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) meinte hingegen, wer die Menschen liebe und für sie arbeiten wolle, der müsste dieser Änderung eigentlich zustimmen. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betonte, dass drei Beschäftigte in Kurzarbeit weniger Kosten verursachten als ein Arbeitsloser.

Regel beim Kindergeld-Zuschuss gelockert
Beschlossen wurde im Plenum auch eine Entschärfung bei den Rückforderungen für den Kindergeld-Zuschuss. Das Einkommenslimit, ab dem gezahlt werden muss, wurde deutlich erhöht, zudem kann das Darlehen nur noch sieben Jahre zurückverlangt werden. Dem BZÖ war diese Regel noch immer zu streng. Gute Nachrichten gab es für Bezieher geringer Hinterbliebenenpensionen. Hier wurde einstimmig der sogenannte Schutzbetrag erhöht. Dieser liegt nunmehr bei rund 1.671 Euro. Wer mit seinen Einkünften und der Hinterbliebenenrente diese Summe nicht erreicht, dem wird die Pension bis zu diesem Betrag aufgestockt.

Regelung für Section Control repariert
Am späten Abend hat der Nationalrat zudem eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass die Section Control wieder für die Abstandmessung im Straßenverkehr eingesetzt werden kann. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte diese vor einigen Wochen für verfassungswidrig erklärt, da sie ohne gesetzliche Grundlage betrieben würden und in das Grundrecht auf Datenschutz eingriffen. Deshalb konnten seither keine Strafen aufgrund von Aufnahmen der Section Control verhängt werden.

Nunmehr hat der Nationalrat eine gesetzliche Absicherung vollzogen. Festgelegt wurde unter anderem, dass die Einsatzzwecke jenen der Geschwindigkeitsüberwachung durch Radarboxen entsprechen müssen. Vorgesehen sind zudem restriktive Datenverwendungs- und Löschungsbestimmungen, allerdings kann auch von vorne geknipst werden, was von Teilen der Opposition kritisiert wurde.

Alle technischen Maßnahmen, durch die Unbeteiligte auf Fotos unkenntlich gemacht werden könnten, müssen jedenfalls ergriffen werden. Medien dürfen Bildquellen der Section Control künftig im Einzellfall nützen, allerdings nur, wenn es um spezifische Verkehrs-bzw. Witterungsbedingungen geht. Eine Identifizierung von Fahrzeugen und Personen darf damit nicht verbunden sein.

Hitzige Aktuelle Stunde
Mit heftigen Gefechten zwischen den Parteien hatte die Sitzung während der Aktuellen Stunde zum Thema Sicherheit und Kriminalität begonnen. Das Plenum entwickelte sich schnell zu einem hitzigen Gefecht, das zwei Ordnungsrufe zufolge hatte. Peter Westenthaler (BZÖ) handelte sich für die Bezeichnung des Grünen Klubs als "parlamentarische Schlepperbande" einen Ordnungsruf ein, und eben dieser für ein Taferl mit der Aufschrift "FPÖ selbst ein Fall fürs Kriminal" (Bild).

Besondere Aktivitäten beim Plenum setzte die FPÖ, die sich sowohl das Thema für die Aktuelle Stunde als auch jenes für den Dringlichen Antrag aussuchen konnte. Bei ersterer Debatte prangerte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein "sicherheitspolitischen Fiasko" durch steigende Kriminalität an, bei zweiterer wandte sich Wehrsprecher Peter Fichtenbauer gegen das "Aushungern des Bundesheeres auf budgetärer Ebene". Die jeweiligen Ressortchefs Maria Fekter (ÖVP) und Norbert Darabos (SPÖ) ließen die Vorwürfe an sich abperlen.

Das BZÖ wiederum brachte sich ins Gespräch, indem es neuerlich gegen das geplante dritte Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge im Süden des Landes ins Feld zog. Fekter beharrte darauf, kündigte eine Entscheidung innerhalb der nächsten zwei Monate an, nannte aber weiter keinen Ort. Schließlich ließen sich auch die Grünen nicht lumpen. Sie beantragten einen U-Ausschuss bezüglich des Skandals um einen Beamten der Bundesbuchhaltungsagentur, der Gelder auch zu Lasten des AMS verschoben haben soll.

FPÖ-"Dringlicher" abgeschmettert
Der Dringliche Antrag der Sitzung - eingereicht am Vormittag, debattiert am Nachmittag - kam von den Freiheitlichen: In dem Antrag betreffend "budgetäre Zersetzung des österreichischen Bundesheeres" verlangten die Freiheitlichen, das Heeresbudget für die Jahre 2009 und 2010 auf mindestens 2,86 Milliarden Euro zu erhöhen. Zudem sollt eine Anschubfinanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro zur Umsetzung der Bundesheerreform bereitgestellt werden. Der Antrag wurde abgelehnt.

Mehr zum "Dringlichen" der FPÖ und der langen Debatte über das Bundesheer siehe krone.at-Bericht in der Infobox!

Stimmabgabe per Brief erleichtert
Kurz nach Mitternacht beschloss das Parlament schließlich, dass die Stimmabgabe per Brief erleichtert wird, zumindest einmal für die EU-Wahl am 7. Juni. In Zukunft muss auf der Wahlkarte nicht mehr angegeben werden, wo, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit die Stimme abgegeben wurde. Eine eidesstattliche Erklärung des Wählers, dass der Stimmzettel persönlich, unbeobachtet, unbeeinflusst und vor dem Schließen des letzten österreichischen Wahllokals ausgefüllt wurde, reicht aus.

Auch die zwingende Übermittlung der Wahlkarte am Postweg entfällt. Diese kann zum Beispiel persönlich bei der Bezirkswahlbehörde abgegeben werden. Etwaige Portokosten übernimmt der Staat. 400.000 Euro an Kosten für den Bund könnte das in etwa bringen. Diese Erleichterungen sind vorerst auf die Europawahl beschränkt, die quasi der Testfall für spätere weitere Urnengänge ist.

Geschäftsordnungsreform auf dem Weg
Als letzten Tagesordnungspunkt seiner fast 17-stündigen Sitzung hat der Nationalrat die erste Etappe zur Geschäftsordnungsreform auf den Weg gebracht. Ein Fünf-Parteien-Antrag dazu wurde in Erster Lesung kurz debattiert und dann dem zuisch mit Ende der Legislaturperiode parlamentarisch verfallen.

Bürgerinitiativen können künftig schon mit 16 unterzeichnet werden. Schließlich dürfte es auch zusätzlicher Plenarsitzungen bedürfen, da es für jede Fraktion das Recht geben wird, mehrere Berichte - z.B. Sozialbericht, Grüner Bericht - einer Debatte im Plenum zuzuführen. Beschlossen werden soll das Paket noch bei einer der Plenarsitzungen im März. Andere heikle Punkte zur Geschäftsordnungsreform - vor allem die Reform der U-Ausschüsse - werden vorerst noch in Arbeitsgruppen behandelt.

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