Friedensrocker

Michael Franti & Spearhead: “All Rebel Rockers”

Musik
12.08.2008 23:11
Über den Krieg können viele singen. Das ist auch gut so, es muss verklärte Songs für den Weltfrieden geben. Für Michael Franti ist das zu wenig. Der 42-Jährige kalifornische Reggae-Funk-HipHop-Rocker mit afrikanischen Wurzeln reiste inmitten der größten Unruhen in das irakische Kriegsgebiet und den Nahen Osten, ersang sich mit seiner offenen Art das Vertrauen verängstigter Familien, schrieb Songs über das Non-Stop-Brummen der Dieselgeneratoren in den zerstörten Straßen Bagdads und verpackte diese Erlebnisse 2006 in den Longplayer "Yell Fire!" und den Film "I Know I'm Not Alone". Auf seinem neuen Album "All Rebel Rockers" schlägt der Schock über das Erlebte in eine flammende 55-minütige Aufforderung zu Gegenmaßnahmen um.
(Bild: kmm)

"The tell you that war is a permanent thing and that American Idol singers can really sing." Michael Franti hat seinen zynischen Humor nicht verloren - und das, obwohl ihn seine auf eigene Faust unternommene Reise in den Nahen Osten auch zwei Jahre danach nicht losgelassen hat. War "Yell Fire!", das fünfte Studioalbum Frantis und seiner Band Spearhead, noch ein verzweifelter Aufschrei, so zielt "All Rebel Rockers" nun darauf ab, den Hörer mit Frantis Weltverbesserer-Enthusiasmus zu infizieren.

An alle Retter der Zivilisation, die noch nicht wissen, dass sie welche sind: "Hey World!" heißt die erste Single aus "All Rebel Rockers" - siehe Video oben. Franti konzentriert sich für seinen musikalischen Aktionismus-Aufruf wieder ganz auf "fette Beats" und verpackt seine zynisch-kritischen Texte in einen lustigen Partykracher. "Let go of (the) remote control", impft er dem Zuhörer ein; geht es nach ihm, ist die Welt allein durch Nächstenliebe und ein bisschen mehr Hirn zu retten. "Ich wollte Songs, bei denen man mitsingen kann. Wenn man dabei den Chorus nicht kapiert, war die Mühe umsonst", sagte Franti dem US-Magazin "The Skinny". Neben ähnlich gewaltigen Peace-Shoutern wie "Rude Boys Back In Town", "Life In The City" und "Say Hey", beliefert er durch von in bester "Give Peace A Chance"-Manier mit Schüttelperkussion getragenen Flower-Power-Songs wie "Nobody Right Nobody Wrong" auch die Lagerfeuerschiene.

Die interessantesten Stellen von "All Rebel Rockers", das durch die ungewohnt plakativen Texte dann aber doch etwas weniger poetisch und vielschichtig als "Yell Fire!" geraten ist, findet man nur dort, wo Franti von Reggae, Dub und Dancehall abweicht und mit seiner sonore Stimme zur musikalischen Brandrede ansetzt: Der funkig-manische "Es ist schon viel zu spät"-Warnruf "The Future", das zwischen Resignation und Bitterkeit pendelnde "All I Want Is You", in dem Franti seinen Grundsatz der Aufrichtigkeit auf das, was zwischen dir und mir passieren sollte, herunterbricht; und der funkige Durchmarsch "Soundsystem", auf dem der ehemalige Rapper ("The Disposable Heroes Of Hiphoprisy") mit allerlei Kriegstreibern abrechnet und es in einer der Strophen tatsächlich schafft, Politiker auszulachen, ohne einem dabei mit seinem Dauerprotest auf die Nerven zu gehen. "Ich ergreife keine Partei, ich bin auf niemandes Seite. Nur auf der der Friedenstreiber", sagt Franti. Und da darf man auch einmal plump und plakativ sein.

6,5 von 10 rebellischen Rockern

Von Christoph Andert

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