Geiselnahme beendet

Malta: Flugzeugentführer waren Gaddafi-Anhänger

Ausland
23.12.2016 19:11

Es sollte nur ein kurzer Inlandsflug in die libysche Hauptstadt Tripolis werden. Doch für die mehr als hundert Passagiere von Afriqiyah-Airways-Flug 8U209 wurde am Freitag ein Alptraum wahr - zwei Männer brachten den Airbus in ihre Gewalt und zwangen die Piloten, auf der Mittelmeerinsel Malta zu landen. Die Geiselnahme endete unblutig, die Entführer ergaben sich den maltesischen Behörden. Ersten Hinweisen zufolge dürften die Geiselnehmer Anhänger des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi gewesen sein. Angeblich hätten sie die Freilassung von Gaddafi-Sohn Saif al-Islam gefordert.

Mit zwei Pistolen und einer Handgranate an Bord entführten die zwei Männer am Freitag das libysche Flugzeug ins nahe Malta. Die Männer hatten sich jedoch nach Verhandlungen mit Maltas Behörden ergeben, Crew und Passagiere kamen unverletzt davon. Sie wurden festgenommen und würden verhört, hieß es am frühen Freitagabend.

Die sichergestellten Waffen entpuppten sich nach dem Ende der Geiselnahme als Nachbildungen. Erste forensische Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich um Replikate handle, teilte der maltesische Regierungschef Joseph Muscat am Freitag über Twitter mit.

Was die Geiselnehmer mit der Entführung konkret bezweckten, war am späten Freitagnachmittag zwar offiziell noch ungeklärt. Ein Hinweis könnte aber die grüne Fahne sein, die einer der Entführer vor der Flugzeugtür schwenkte. Diese erinnerte an die alte libysche Staatsflagge, die nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi abgeschafft wurde.

Sollte Gaddafi-Sohn freigepresst werden?
Nach Angaben arabischsprachiger und maltesischer Medien bezeichneten sich die Entführer als Unterstützer des 2011 von einer Menschenmenge gelynchten Machthabers. Angeblich sollen sie sich einem libyschen Sender gegenüber zu der bisher jedoch eher unbekannten Gruppe Al-Fatah al-Jedida bekannt haben. Sie sollen unbestätigten Berichten zufolge auch die Bedingung gestellt haben, dass Gaddafis Sohn Saif al-Islam auf freien Fuß kommt.

Im chaotischen Libyen ist seit dem Sturz Gaddafis, der das Land mehr als 40 Jahre lang in eisernem Griff hielt, keine Ruhe eingekehrt. Keine Regierung konnte das Land stabilisieren. Im Moment konkurrieren zwei Regierungen in West und Ost um die Macht im Land, in dem größtenteils Anarchie herrscht. Das Sagen haben die Starken: Hunderte Milizen, nicht aber offizielle Sicherheitskräfte.

"Austro-Gaddafi" 2015 zum Tode verurteilt
"Austro-Gaddafi" Saif al-Islam, der zwischenzeitlich auch in Österreich lebte und als Freund des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider galt, war im Sommer 2015 wegen Kriegsverbrechen von einem libyschen Gericht zum Tode verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er während der Aufstände 2011 zur Tötung friedlicher Demonstranten aufgerufen und ausländische Söldner angeworben hatte. Außerdem soll das Regime bewaffnete Milizen zur Niederschlagung des Aufstandes gegen Gaddafi eingesetzt haben.

Allerdings konnte das Todesurteil nie vollstreckt werden, weil Saif al-Islam sich seit 2011 in der Hand von Milizen in der Stadt Al-Sintan im Westen Libyens befand. Er erschien niemals persönlich vor den Richtern in Tripolis, sondern nahm zeitweise per Videoschaltung an den Verhandlungen teil.

Lokale Machthaber verweigern Gaddafi-Auslieferung
Die lokalen Machthaber in Al-Sintan hatten sich stets geweigert, Al-Islam nach Den Haag oder auch nur an Tripolis auszuliefern. Das Misstrauen gegenüber den Hauptstadtbehörden sitzt tief. Im vergangenen Juli hatte ein Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" für Verwirrung gesorgt, nach dem Al-Islam bereits im April aus dem Gefängnis freigelassen worden sei. Vertreter der Al-Sintans wiesen dies als Gerüchte zurück.

Ob die Entführung von Flug 8U209 nun ein Terrorakt, ein Nebenaspekt der bitteren politischen Fehden in Libyen oder der Versuch war, politisches Asyl in Europa zu erpressen, werden die Ermittlungen zeigen. In einer ersten Pressekonferenz nach Ende der Entführung sagte Regierungschef Muscat, zu einem Asylgesuch sei ihm nichts bekannt, auch Forderungen habe es nicht gegeben.

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