Doskozil an EU:

"Hilfe und Solidarität heißt Rückführungen"

Österreich
24.07.2017 19:03

Italien ruft in der Flüchtlingskrise um Hilfe, das Land gerät an die Grenzen seiner Aufnahmekapazität. Doch es gibt unterschiedliche Auslegungen von Solidarität. Während der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz auf die Verteilung der Migranten - die meisten haben kein Recht auf Asyl - pocht, fordert Österreichs SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, dass die EU ihr ganzes Augenmerk auf die Rückführungen legen müsse.

Doskozil bezieht sich dabei auf einen der renommiertesten Migrationsexperten Europas, den Wiener Gerald Knaus, der als Erfinder des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei gilt. Knaus wirft der EU "Scheindebatten" vor und schlägt ein Angebot an die Herkunftsländer vor.

"Zurzeit bietet man den Herkunftsländern einfach nichts an. Nigeria, Herkunftsland der meisten Flüchtlinge in Italien, hat 2016 nur 165 Migranten zurückgenommen. Ohne Anreiz gibt es keine Rückführungen, das Sterben im Mittelmeer wird weitergehen", so Knaus im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der Vorsitzende der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" fordert einen EU-Sonderbeauftragten, der die Rückführungen verhandelt.

"Italien nicht im Stich lassen"
Derzeit sieht es so aus, dass ein Großteil der in Italien ankommenden Migranten aus Westafrika stammt und kaum eine Chance auf Asyl in Europa hat. Daher betont nun Verteidigungsminister Doskozil: "Italien darf von der EU nicht im Stich gelassen werden. Solidarität mit Italien bedeutet, zeitnah Abkommen mit den westafrikanischen Ländern zu vereinbaren. Deshalb muss die EU ihr ganzes Augenmerk auf den Bereich der Rückführungen konzentrieren."

Der Minister kritisiert, dass derzeit beinahe jeder in Europa bleiben dürfe, unabhängig davon, ob er ein Recht auf Asyl habe oder nicht. "Wenn es uns gelingt, jetzt das Signal zu setzen, dass jene, die kein Recht auf Asyl haben, wieder in ihre Heimat zurückgeführt werden, wird auch der Flüchtlingsstrom bedeutend geringer werden", so Doskozil.

Kommentar: Wahlkampfthema links und rechts
Die Flüchtlingskrise ist wieder da. Nicht nur ganz real in Italien, wo seit Jahresbeginn rund 90.000 Asylwerber über das Mittelmeer ankamen, sondern auch im Wahlkampf, wo es offensichtlich zum alles beherrschenden Thema wird. Wegducken oder ignorieren war noch nie eine Lösung, dennoch ist es erstaunlich, dass beinahe alle Parteien dabei so in die Offensive gehen. Die FPÖ und auch der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz spielen schon lange erfolgreich auf der Migrationsklaviatur. Jetzt wollen auch die NEOS und die SPÖ mitspielen.

Allerdings ist bei den Roten noch nicht ganz klar, wie das klingen soll. Mal sind von Bundeskanzler Christian Kern recht scharfe Töne zu hören, dann wieder rügt er Außenminister Kurz für dessen Aussagen zur Mittelmeerroute. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hingegen hat bereits Anfang Juli die Vorbereitung von Grenzkontrollen am Brenner verkündet und betont nun ganz klar, dass Solidarität mit Italien nicht bedeuten könne, Migranten, die kein Asyl erhalten, zu übernehmen.

Nachdem der Strom der Migranten aus Afrika nicht so schnell versiegen wird oder zum Erliegen gebracht werden kann, wird das Asylthema wohl den Wahlkampf beherrschen. Die großen Gefahren dabei: sehr viele wenig oder gar nicht durchdachte populistische Forderungen. Und dass andere drängende Herausforderungen wie etwa der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit oder das Gesundheitssystem sang- und klanglos untergehen.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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