"Verfassungswidrig"

SPÖ blockt Demo-Pläne des Innenministers ab

Österreich
08.02.2017 12:34

Beim Thema Demo-Einschränkungen zeigt die SPÖ Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) die rote Karte: Nach der Ablehnung der Pläne durch Bundeskanzler Christian Kern wies am Mittwoch auch der für Verfassungsfragen zuständige SPÖ-Minister Thomas Drozda den ÖVP-Entwurf zum Versammlungsgesetz zurück. Dieser verstoße gleich mehrfach gegen die Menschenrechtskonvention. "Das ist eindeutig verfassungswidrig", so Drozda. Sobotka wiederum zeigt sich von der Kritik unbeeindruckt.

"Aus diesem Grund werden wir dieser Idee nicht nahetreten", sagte der Kanzleramtsminister im Ö1-"Morgenjournal". Sobotka will bestimmte Orte zumindest zeitweise von Demos freihalten und für "Versammlungsleiter" im Falle von Ausschreitungen und bei schuldhaftem Verhalten höhere Strafen einführen. Spaßkundgebungen sollten zudem nicht mehr unter das Versammlungsrecht fallen. Zu alldem wird es nun wohl nicht kommen.

Für die SPÖ komme das nämlich nicht infrage, erklärte Drozda. Bundeskanzler Kern wies im "Kurier" darauf hin, dass die Behörden schon jetzt genügend Möglichkeiten hätten und weitere Maßnahmen deshalb nicht notwendig seien. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl erklärte, bei Plänen dieser Art "Bauchweh" zu bekommen.

Verfassungsdienst ortet Verstöße gegen Menschenrechtskonvention
Ein klares Nein zu den geplanten Einschränkungen im Demonstrationsrecht kommt zudem vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. In einer der APA vorliegenden Stellungnahme hält dieser fest, dass der von Sobotka an die SPÖ übermittelte Entwurf des Versammlungsgesetzes 2017 gleich in mehrfacher Hinsicht gegen Artikel 11 der Menschenrechtskonvention verstoße und daher verfassungswidrig sei.

Bedenken hat der Verfassungsdienst etwa, weil der Versammlungsbegriff gegenüber der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) eingeschränkt wird, und Personen, die an einer nicht angezeigten Versammlung führend teilnehmen, für etwas strafbar gemacht werden können, womit sie nichts verbindet.

Weitere Kritikpunkte: Für jede Versammlung ist ein Schutzbereich vorgesehen, innerhalb dessen andere Versammlungen, insbesondere Gegendemonstrationen, absolut unzulässig sind, ohne dass eine Interessenabwägung stattfinden kann, wie sie von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs aber gefordert ist. Und: Durch Verordnung kann ein absolutes Versammlungsverbot für bestimmte Plätze und Straßenzüge vorgesehen werden, so dass auch hier eine Interessenabwägung im Einzelfall zwischen Versammlungsfreiheit und den zulässigen Gründen für ihre Einschränkung nicht möglich ist. Die Rechtsprechung des VfGH sieht aber auch dies vor.

Sobotka bleibt hart: "Wäre vollkommen falsch, das ad acta zu legen"
Sobotka will aber trotz der harschen Abfuhr an seinen Plänen festhalten. "Es wäre vollkommen falsch, das ad acta zu legen", so der Innenminister am Mittwochvormittag. "Uns geht es darum, ein Gesetz zu schaffen, dass den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts genüge tut, und es geht darum, Gewalt zu verhindern."

Dass der Entwurf für ein Versammlungsgesetz 2017 "eindeutig verfassungswidrig" sei, wies Sobotka zurück. Die Vorschläge des Innenministeriums basierten auf der Menschenrechtskonvention und der Verfassung. "Wir wollen keine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Wir haben Etliches klarer formuliert, was im bisherigen Versammlungsgesetz schon abgebildet ist."

Das kategorische Nein der SPÖ verwundert und irritiert den Innenminister. Sobotka sprach von einem "brüsken" Verhalten des Koalitionspartners. Er werde aber "im Sinne der Sicherheit der Bürger natürlich nicht" aufgeben. Die Anpassungen seien notwendig, weil sich die Demonstrationshäufigkeit im vergangenen Jahr auf über 16.000 Demonstrationen verdoppelt hat. Der Innenminister will den "Diskurs auf Expertenebene" fortsetzen und auch Kritiker zu Gesprächen ins Ministerium einladen.

Wiener Polizeipräsident Pürstl plädiert für Änderungen
Indirekten Zuspruch für seine Demo-Pläne erhält Sobotka hingegen vonseiten der Polizei. So hält Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl eine Änderung des Versammlungsrechts für nötig, um es den jetzigen Gegebenheiten - etwa der Möglichkeit, über Social Media Spontanversammlungen zu organisieren - anzupassen.

In die politische Diskussion wolle sich er, Pürstl, als Beamter aber nicht einmischen. Er könne nur auf sachlicher Ebene erklären, was aus Sicht der Versammlungsexperten nötig ist. Darunter fallen demnach höhere Strafen für Versammlungsleiter, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen, eine Klarstellung der Schutzzonen oder die Möglichkeit, Demos an gewissen Orten zu gewissen Zeiten generell zu untersagen.

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