Punkrock-Comeback

Sum 41: Einmal in die Hölle und wieder zurück

Musik
10.02.2017 12:42

Die kanadischen Punkrock-Urgesteine Sum 41 gehörten mehr als zehn Jahre zu obersten Liga ihres Musikgenres. Dann brach Sänger und Bandchef Deryck Whibley mit 34 zusammen und musste seine Alkoholsucht fast mit seinem Leben bezahlen. Drei Jahre später ist nicht nur Whibley, sondern die gesamte Band wieder zurück und so stark und engagiert wie eh und je. Eine kleine Retrospektive.

(Bild: kmm)

"Wenn ich noch einen einzigen Drink zu mir nehme, dann werde ich sterben." Im April 2014 brach die heile und glitzernde Welt von Sum-41-Frontmann Deryck Whibley mit ihm selbst zusammen. Jahrelang lebte der markant blondierte Kanadier in einer Blase aus Glamour, Party und Alkohol. Feierte sich quasi so lange verantwortungslos an den Abgrund, bis er an ebenjenem fast gestrauchelt wäre. Als er sich eines Abends noch einen Drink mixt, um sich um Mitternacht zuhause in seinem kalifornischen Wohnzimmer noch einen Film anzusehen, wird ihm plötzlich schwarz vor den Augen und er kippt um. Einen ganzen Monat verbringt Whibley daraufhin in einem amerikanischen Krankenhaus, die erste Woche wurde er völlig ruhig gestellt und als er aufwachte, fehlten im sämtliche Erinnerungen an die tragische Zeit. Lieber- und Nierenschäden wären um ein Haar irreparabel gewesen.

Augen zu und durch
Der damals 34-Jährige traf am Ende seiner Spitalszeit eine mutige und für in der Öffentlichkeit stehende Menschen mutige Entscheidung: er gab auf seiner Website unter dem Namen "Rock Bottom" allen Interessierten einen detaillierten Einblick in seinen Absturz - samt Fotos. "Ich habe gar nicht zweimal darüber nachgedacht, ob das die richtige Entscheidung war oder nicht. Ich habe es einfach gemacht", erinnert sich Whibley vor dem Gasometer-Konzert im "Krone"-Interview zurück. "Ich war wirklich überrascht davon, wie schnell das alles ging und das mir so etwas in diesem Alter überhaupt passieren konnte. Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit wollte ich Menschen, die in einer ähnlichen Situation stecken, helfen. Ich wollte das Bewusstsein für den Alkoholismus wecken."

Seine damalige Freundin und heutige Ehefrau Alicia Cooper und seine Mutter waren von Anfang an für ihn da und halfen ihm aus dem Tief heraus. Die für ihn überraschendste Unterstützung erhielt Whibley aber von Seiten der Sum-41-Fangemeinde. "Ich achte normalerweise nicht auf Meldungen auf den Social-Media-Plattformen, aber meine Mom sagte mir damals, ich sollte doch einen Blick darauf werfen. Von Tag zu Tag flatterten nach meinem Beitrag mehr und mehr schöne und optimistische Botschaften in meine elektronischen Postfächer oder auf meine Pinnwand. Das hat mich bis heute noch viel dankbarer und bescheidener unseren Anhängern gegenüber gemacht."

Erfolgreiche Wiedergeburt
Wenn der hagere Frontmann heute Interviews gibt, ist seine Stimme leise und nachdenklich. Er trinkt Ingwertee mit Zitrone und man merkt ihm offensichtlich an, dass ihn diese Grenzerfahrung nicht nur körperlich, sondern auch geistig altern und reifen ließ. Das juvenile Feierbiest mit dem Schalk im Nacken kommt heute nur mehr auf der Bühne zum Vorschein - dort, wo sein Leben stattfindet. "Ich habe sofort nach dem Spital angefangen an Songs zu schreiben, habe mich mit den Jungs zusammengeschlossen und mich auf die Bühne gefreut. Live-Konzerte und die Fans sind einfach alles. Das hält mich heute gesund und motiviert mich wie am ersten Tag." Wer im ausverkauften Wiener Gasometer Teil der "Don't Call It a Sum-Back World Tour" war, kann das bestätigen. Gut 105 Minuten Punkrock-Geschichte aus knapp zwei Dekaden zu einem pulsierenden und optisch aufgemotzten großen Ganzen verschmolzen - die live zelebrierte "Wiedergeburt" kann derzeit getrost als Hochphase der Karriere angesehen werden.

Das liegt trotz des starken neuen Albums "13 Voices", auf dem Whibley in offensichtlicher Schonungslosigkeit die Dämonen seiner jüngeren Vergangenheit bekämpft, in erster Linie trotzdem an den zahlreichen Klassikern der Nordamerikaner. Mit den vielfach prämierten Punkrock-Kultwerken "All Killer No Filler" (2001) und "Does This Look Infected?" (2002) trafen die damals frisch dem Teenie-Alter entwachsenen Musiker nicht nur den Zahn der Zeit, sondern füllen noch heute die halbe Konzert-Setlist. Auch wenn Whibley und seine erstmals auf drei Gitarristen angewachsene Band sich lieber in den experimentelleren, Metal-lastigen Alben danach verortet. Sum 41 gelang - ganz im Gegensatz zu Genre-ähnlichen Bands wie The Offspring oder einst Green Day - dafür immer das Kunststück, auch mit mehr oder weniger radikalen Stilbrüchen das Stammpublikum zu halten. "Wir können uns da wirklich glücklich schätzen", ist sich Whibley der Treue seiner Fans bewusst, "wir haben alle Ausritte nahezu unbeschadet überstanden und können die unterschiedlichen Songs gut durchmischen. Das ist nicht allen Bands vergönnt."

Ins Licht zurück
An der Einstellung zum Leben und seinem Tagesablauf hat Whibley auch nach der privaten Katastrophe nichts geändert. "Ich mache eigentlich alles so wie früher, nur dass ich dabei nicht mehr saufe", schmunzelt er verschmitzt, "der größte Unterschied ist, dass ich beim Songschreiben keinen Rückzugsort mehr habe. Selbst wenn ich mit meiner Frau in Ruhe Abendesse oder versuche zu schlafen, geistert die Arbeit in meinem Kopf herum. Früher konnte ich das ausschalten." Dass ihn der frühe Ruhm rund um die Jahrtausendwende gesundheitlich ruinierte, lässt Whibley nicht gelten. "Wir waren damals im perfekten Alter für die Musik und auch den Lifestyle. Wir hatten unglaublich viel Spaß und ich habe einfach nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen. Ich würde im Nachhinein aber nichts verändern wollen." Zu einer echten Rockstar-Geschichte gehören eben auch dunkle Kapitel - solange sie wieder zurück ins Licht führen…

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