Green Day und Co.

Nova Rock: Punkrock-Chic und Playback-Tricks

Musik
18.06.2017 03:04

Vier Tage, 225.000 Besucher, Dutzende Bands: Das Nova Rock 2017 ist Sonntagnacht mit etlichen Superlativen zu Ende gegangen. Vor der größten Festivalkulisse, die Nickelsdorf jemals gesehen hat, markierten die US-Punkrocker von Green Day und David Hasselhoff den krönenden Abschluss.

(Bild: kmm)

Das Nova Rock 2017, das in der Nacht auf Sonntag in Nickelsdorf zu Ende ging, war auch für Veranstalter Ewald Tatar "ein beeindruckendes Festival". Dem Burgenländer zufolge kamen an vier Tagen insgesamt 225.000 Besucher. Für diese gab es von Tatar und den Einsatzkräften ein dickes Lob: "Die Leute sind extrem cool drauf. Sie haben das Nova Rock zu einem großen, aber entspannten Festival gemacht."

"Damit haben wir in Bezug auf Publikumszahlen bei Festivals in Österreich etwas in Stein gemeißelt", freute sich Tatar. Dass es, wie in manchen Berichten behauptet, beim Nova Rock nur noch am Rande um Musik geht, bezeichnete der Festivalintendant als "Unsinn". Tatar: "Das Nova Rock hat in den vergangenen drei Jahren ständig die Besucherzahlen gesteigert. Wir hatten noch nie so viele Leute bereits an Nachmittagen vor der Bühne wie heuer. Es kommt niemand hierher, wenn ihn die Musik überhaupt nicht interessiert. Aber klar ist ein Festival mittlerweile nicht nur Musik, diese Zeiten sind vorbei. Es ist Komfort notwendig, die Besucher wollen kulinarisch verwöhnt werden. Ich versuche jedes Jahr neue Ideen einzubringen, weil das auch für mich spannend ist."

Familienfestival
Viele Besucher sind mit dem Festival älter geworden, aber auch ganz junge Leute hat man auf den Pannonia Fields gesehen. "Es sind alle Altersschichten vertreten", nickte Tatar im Gespräch mit der APA. "Ich habe gestern zwei Väter mit ihren Kindern getroffen, die quasi als Familie hierherkommen. Das ist meiner Meinung nach ein Sinn eines Festivals, Generationen zu verbinden."

In ausländischen Medien wurde das Line-Up des Nova Rock positiv hervorgehoben. In Österreich wird gerne darüber geklagt, dass immer die gleichen Acts auftreten würden. Wie sieht das der Veranstalter? "Es gibt nicht Millionen von Bands, die bei so einem großen Festival wie dem Nova Rock auf prominenten Positionen spielen können", antwortete Tatar. "Das Nova Rock gibt es seit zwölf Jahren und ja, mittlerweile hat fast jede große Band hier einen Headline-Slot gehabt. Aber Blink-182 waren zum Beispiel heuer erstmals hier. Es ist nicht so, dass wir hier nur Abgespieltes bieten, sondern auch Neues wie Prophets Of Rage."

Die auftretenden Frauen kann man allerdings an einer Hand abzählen. "Da habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, aber stimmt", sagte Tatar. Es sei "schwierig". Die Ausnahmen bei der heurigen Ausgabe waren etwa Code Orange, Epica, Dawa und Broilers. Für das Publikum hieß es indes, die letzten musikalischen Darbietungen zu genießen. So gab es beispielsweise von Suicide Silence auf der Red Stage ziemlich deftige Kost, wobei die US-Deathcore-Gruppe ihre Sache recht ordentlich machte. Die großteils jungen Fans ließen sich von Shouter Hernan "Eddie" Hermida zu allerlei Action hinreißen, sprangen, wirbelten und moshten, was das Zeug hielt. Am Ende wurde ganz Rockstar-like auf das eigene Equipment eingedroschen, als gäbe es kein Morgen mehr. Wer hat behauptet, harte Musik hätte ihre Attitüde verloren?

Nerv getroffen
Beinahe parallel dazu war auf der größeren Blue Stage der Zustrom ziemlich ansehnlich, als die Kanadier von Simple Plan vorführten, dass auch braver Poppunk der 90er-Schule immer noch gut ankommt. Bei "Shut Up!" wurde ausgelassen getanzt und die Faust in die Luft gereckt, wenige Minuten später evozierten Sänger Pierre Bouvier und seine Kollegen intime und sehr ruhige Momente. Hände schwenken, nostalgisch träumen - bei den windigen Abschlussverhältnissen des Nova Rock wurde wieder genossen, was das Zeug hält. Außerdem haben die Kanadier wesentlich mehr Publikum vor die Bühne gelockt als die nachfolgenden Acts, was für die Popularität dieser Stilrichtung in unseren Breitengraden spricht.

Die Broilers indes haben sich über die letzten Jahre schon zur Nova-Stammbesetzung gemausert und verschiedenste Phasen und Zeiten durchlebt. So erinnert sich Sänger Sammy Amara während des enthusiastisch aufgenommenen Gigs noch an die Red Stage im Jahr 2011, als die damals noch nicht so populäre Band für eine DVD filmte. Zahlreiche Hits und Nummer-eins-Alben spät jubeln ihnen tausende Menschen zu und lassen sich von der Mischung aus Punkrock, Ska und Pop-Elementen mitreißen. Da wird metaphorisch bis zu den Engeln geflogen und so manch hemmungsloser Tanz im Publikum angerissen. "Keine Hymnen heute" ist nur ein Songtitel - kein Mantra. Ob hier die Nachfolger der Toten Hosen heranwachsen, wird die nähere Zukunft zeigen.

Mäßige Skapunk-Freude
Als "Vorband" der Headliner Green Day fungieren auf Europatour als auch auf dem Nova-Rock-Festival die Skapunk-Legenden Rancid. Die Amerikaner rund um den charismatischen Frontmann Tim Armstrong veröffentlichten mit "...And Out Come The Wolves" 1995 ein wegweisendes Album, das nicht nur die Punkszene revolutionierte, sondern auch auf den Pannonia Fields ausreichend zelebriert wurde. "Journey To The End Of The East Bay" oder "Roots Radicals" konnten einige gut mitsingen, dazwischen gab es auch genug Platz für Songs des brandneuen und durchaus adäquaten Studiorundlings "Trouble Maker". Als solche präsentierten sich die Kalifornier nur teilweise, denn richtig große Stimmung kam erst beim Top-Hit "Time Bomb" auf. Womöglich war das Publikum doch etwas zu jung.

Noch deutlicher aus dem Rahmen fielen bei stürmischen Witterungsbedingungen die US-Rocker Black Star Riders. Die Truppe rund um Kultgitarrist Scott Gorham hat sich mit drei Alben mittlerweile erfolgreich aus dem Thin Lizzy-Vergangenheitssumpf gewühlt und sich auch durch unermüdliche Touren und harte Arbeit als eigenständige Band bewiesen. So war "The Boys Are Back In Town" das letzte Relikt aus der glorreichen Rock-Vergangenheit, ansonsten setzte man mitsamt des charismatischen Sängers Ricky Warwick auf durchschlagende Eigenkompositionen. Nur das Publikum nahm das rockige Treiben nicht besonders an, die Stimmung hielt sich in Grenzen.

Power im Metal
Die holländische Symphonic-Metal-Band Epica und der schwedische Power-Metal-Express Sabaton haben mehr Gemeinsamkeiten, als man anfangs vermuten würde. Beide setzen auf memorable Melodien, üppige Hymnen und staunenswerte Bühnenshows. Ansonsten gibt es aber auch grobe Gegensätze. So ist Epica eine von nur zwei Festivalbands, die auf eine Frontfrau baut, während Sabaton wie niemand anders ein musikalisches Patriarchat mit Macho-Gehabe personifiziert. Für gute Stimmung sorgten beide trotz überraschungsarmer Show. Mit "echtem" Metal wurden die Fans beim diesjährigen Nova auch nicht unbedingt überfüllt.

Eine solide und über alle Maßen souveräne Show boten einmal mehr die US-Hardcore-Urgesteine Hatebreed zwischen den beiden zuvor genannten Metalbands. Frontmann Jamey Jasta hat zwar bereits gefühlte einhundert Mal in Österreich gespielt, doch noch nie vor einem dermaßen begeisterungsfähigen und vor allem zahlreichen Publikum. Tausende Menschen jubelten dem Quintett bei der Ausübung ihrer brachialen Pflicht zu und zeichneten dem bald 40-jährigen Sänger mehrmals ein Lächeln ins Gesicht. Die gute Stimmung war der perfekte Gegensatz für basslastige Hassbrocken der Marke "Last Breath", "As Diehard As They Come" oder "Live For This, die teilweise bis zu 20 Jahre auf dem Buckel haben und nichts von ihrer Wirkung verloren haben. Hatebreed waren und sind das Sprachrohr für eine ganze Generation, erinnern sich gerne an schöne Österreich-Erlebnisse zurück und sorgen für wuchtige Moshpits.

Hardcore in Österreich
"Österreich war immer ein guter Boden für uns", erzählt Jasta vor dem Auftritt der "Krone" im Interview, "wir waren hier schon so oft zu Gast, fühlen uns immer willkommen und wissen, dass die Fans bei unseren Konzerten regelmäßig auszucken." Diesh hätten sich Hatebreed niemals über ihr Publikum gestellt, sondern sich mit ihm gemeinsam entwickelt. "Wir hatten auch schwere Zeiten und wahrscheinlich auch Songs geschrieben, die heute nicht mehr so okay sind, aber man lernt daraus und verbessert sich." In dieser Verfassung sind Hatebreed aber ohnehin eine unzerstörbare Macht, die nichts von ihrer jugendlichen Ungestümtheit verloren haben.

Ob Green Day nun Rock, Punk oder Mainstream machen - die Diskussion ist müßig, sie sind jedenfalls live ein Volltreffer. Ein wie immer völlig aufgedrehter Billie Joe Armstrong hatte vom ersten Ton an die gigantische Menschenmenge vor der Blue Stage im Griff. Der Sänger und Gitarrist holte bereits beim ersten Song "Know Your Enemy" einen Besucher als Gastsänger auf die Bühne. Nachdem der gute Mann über Armstrongs Catwalk in die Menge zurückgesprungen und die erste Pyro-Ladung gezündet war, ging es munter weiter: "Let's go crazy" lautete das mehrmals in die Nacht gebrüllte Motto für die "Brothers and Sisters". Das Trio ließ seine Hits vom Stapel ("Revolution Radio", "Holiday", "Letterbomb" und "Boulevard Of Broken Dreams" etwa am Anfang am Stück) und Armstrong machte den Einpeitscher.

Üppige Headlinershow
Call and Response bei fast jeder Nummer, Flammen, Raketen, Publikums-Chöre, kollektives Hüpfen gehören bei Green Day mehr als zwei Stunden lang dazu. Erstaunlich, wie viel Energie das Publikum nach vier Tagen Festival am Ende noch freimachen konnte. Mitunter gehen die ständigen "Hände in die Höhe" oder "Alle hüpfen mit" Aufforderungen bei Green Day schwer in Richtung Club-Animationsprogramm, aber trotz aller Party vergaß Armstrong auf seine Anliegen nicht: gegen Homophobie, gegen Dummheit und - wie zu erwarten - gegen US-Präsident Donald Trump richteten sich die Botschaften. Und am Ende war das live von drei weiteren Musikern unterstützte Trio einfach die perfekte Festivalband: Da wurde nicht nur ein Feuerwerk (musikalisch wie optisch) abgezogen, sondern überdies eine Gitarre verschenkt. Nicht nur deswegen sind Green Day die Herzen zugeflogen - zudem gibt es wenige Headliner, die ihren Fans eine mehr als zweistündige Show bieten. Chapeau!

Dann die große, aber auch ziemlich schräge Abschlussparty auf der "Red Stage" mit David Hasselhoff: "Crazy For You", "Looking For Freedom", "Hooked On A Feeling" - der Kultstar brachte seine Hits mit und die Menge zum Ausflippen. Menschen mit wilden Bärten und ebensolchen Outfits tanzten den "Limbo Dance". Dass das Playback manchmal schepperte und "Hoff" das ein oder andere Mal dieses gesanglich überholte, passte zum Gesamtbild. So verwässerte er das 30-Jahre-Jubiläum des Kulthits "Nightrocker" fatal, während das direkt angeschlossene "True Survivor" mit seinem unwiderstehlichen 80er-Discobeat zu überzeugen wusste.

Mehr Routine
Auch wenn es so mancher anzweifelte - insgesamt war sein Auftritt besser und souveräner als bei seiner großen Nova-Premiere im Jahr 2014. "Ich bin vor dem heutigen Gig nervöser als vor drei Jahren", erzählte er der "Krone" im Interview kurz vor dem Konzert, "damals kam ich sehr knapp davor erst an, heute warte ich schon die ganze Zeit darauf, dass es losgeht. Damals stiegen wir aus dem Flugzeug, mussten auf die Bühne und hatten keine Ahnung, was wir taten. Ich wusste damals nur, dass ich am nächsten Tag um 10 Uhr vormittags in Cannes arbeiten musste." Dass "The Hoff" gestern nach Green Day für den Festivalabschluss sorgte, bereitete ihm wenig Sorgen. "Auch das war vor drei Jahren schlimmer, denn da musste ich nach Iron Maiden auf die Bühne. Die Jungs von Green Day kenne ich zumindest."

Obwohl die Show natürlich nicht ohne Pannen und Tücken lief, bereitete sich der 64-Jährige für seine zweite Wien-Show akribisch vor. "Wir haben die Show gut entwickelt und darauf geachtet, welche meiner Songs das Publikum und ich selbst mögen. Da muss es auch Lieder abseits des Mainstream-Pop geben. Mit den Tänzerinnen haben wir zwei Tage lang intensiv geübt. Wir brauchen keine Kulisse, die Millionen Dollar kostet. Das behalten wir uns für die Tour auf." Diese führt David Hasselhoff am 3. Mai in den Wiener Gasometer. Auf den staubigen Feldern des pannonischen Nickelsdorf hingegen gingen alle mit zufriedenen Gesichtern in ihre Zelte oder Autos zurück. Nach der Party ist schließlich vor der Party - und die hat von 14. bis 16. Juni 2018 mit Comedy-Urgestein Otto Waalkes bereits seinen ersten Star.

Robert Fröwein, Kronen Zeitung/APA

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