Protest geht weiter

Uni-Rebellen: “Nicht zum letzten Mal im Audimax gesessen”

Österreich
21.12.2009 13:04
Das acht Wochen lang besetzte Audimax der Universität Wien ist am Montagmorgen von der Polizei ohne Zwischenfälle geräumt worden. Die rund 80 Obdachlosen und etwa zehn Studenten verließen den Hörsaal ohne Widerstand. Dennoch wollen die Uni-Rebellen weitermachen, sogar eine neuerliche Besetzung steht im Raum: "Es hat in der Geschichte schon viele Wiederbesetzungen gegeben", so ein Student.

Zunächst hatten am frühen Morgen die Obdachlosen im Zuge der Räumung das Audimax verlassen, zuletzt kam eine Gruppe von rund zehn Studenten aus dem Hörsaal. Sie riefen "Wessen Uni? Unsere Uni!" und stellten vor dem Eingang zur Universität ein Transparent auf. Unterdessen hatten sich rund ein Dutzend Schaulustige bzw. von den Besetzern alarmierte Personen vor dem Gebäude eingefunden, zu Zwischenfällen kam es jedoch nicht.

"Es geht auf jeden Fall weiter"
Von einem Ende der Proteste wollten die Uni-Rebellen nicht sprechen. "Es geht auf jeden Fall weiter", so eine Besetzerin nach der Räumung. Die Protestbewegung werde nun in andere besetzte Uni-Räume wie den Hörsaal C1 am Campus im Alten AKH in Wien-Alsergrund gehen. Auch weitere Besetzungen seien möglich. Die Uni-Rebellen hätten aber keinen Widerstand gegen die Räumung geleistet, weil es "sinnlos" gewesen wäre. Und: "Vielen ist klar, dass wir nicht zum letzten Mal im Audimax gesessen sind." Trotzdem hatten sich um zehn Uhr nur etwa 15 Personen vor der Hauptuni zum Protest versammelt, während Arbeiter die Transparente der Protestbewegung von der Fassade entfernten.

"Dramatische Sicherheitslage"
Die Universität Wien begründete die von ihr beauftragte Räumung mit der "dramatischen Sicherheitslage" (siehe Video in der Infobox). Die Schließung sei, wie auch bei anderen Hörsälen, zu Beginn der Weihnachtsferien erfolgt, hieß es in einer Aussendung der Uni von Montag früh. Das Gefahrenpotenzial sei angesichts der von den Besetzern geplanten Feiern zu Weihnachten und Silvester weiter angestiegen. "Die Sicherheit ist im Hauptgebäude ohne Schließung nicht mehr zu gewährleisten." Das Uni-Hauptgebäude am Ring und das Neue Institutsgebäude in der Universitätsstraße bleiben nun bis 7. Jänner vollständig versperrt.

Rektor rechnet mit "Störaktionen" nach den Ferien
Einen Plan, wie eine sofortige Wiederbesetzung des Audimax nach den Ferien verhindert werden kann, gibt es vorerst nicht. "Das ist eine Frage, die wir am 7. Jänner klären werden", so der Rektor der Uni Wien, Georg Winckler. Es sei zu erwarten, dass es "die eine oder andere Störaktion" geben werde. Allerdings glaubt der Rektor die große Mehrheit der Studenten, die durch die Okkupation des Audimax zum Pendeln an Ersatzhörsäle etwa im Austria Center gezwungen waren, hinter sich. Die zusätzlichen Kosten, die durch die Audimax-Besetzung entstanden sind, konnte Winckler noch nicht genau nennen, da die Schäden in dem Hörsaal noch nicht zu beziffern seien. Bisher seien etwa 1,3 Millionen Euro angefallen, davon rund die Hälfte für Raummieten, mehr als 500.000 für den Sicherheitsdienst und rund 100.000 zur Behebung diverser Schäden.

ÖH: "Rektor Winckler setzt nun auf Eskalation"
"Entsetzt" über die Entscheidung des Rektorats, das Audimax polizeilich räumen zu lassen, zeigte sich die Spitze der Österreichischen HochschülerInnenschaft. "Rektor Winckler hat den Weg des Dialogs verlassen und setzt nun auf Eskalation", empörten sich Sigrid Maurer (Grüne und Alternative StudentInnen) und Thomas Wallerberger (Fraktion Engagierter Studierender). Flora Eder übte zudem Kritik am Zeitpunkt der Räumung. "Es ist schade, dass es gerade jetzt passiert, weil es für das Rektorat über die Ferien keine Zusatzkosten für die Anmietung von Vorlesungsräumen bedeutet hätte. Aber offensichtlich ist der Uni der Weihnachtsfrieden wichtiger als der bildungspolitische Frieden."

Reaktionen der Politik zwiespältig
Wissenschaftsminister Johannes Hahn begrüßte die Räumung des Audimax. "Es ist nicht Aufgabe der Universität, Obdachlosen ein Dach zu bieten", betonte der Minister. Auch angesichts der Kosten sei es an der Zeit gewesen, "ein Ende zu suchen". Hahn versicherte aber, die Anliegen der Studenten würden nicht verhallen.

Mit gemischten Gefühlen stand Bildungsministerin Claudia Schmied der Räumung gegenüber. "Wenn man den Berichten trauen darf, dass nur noch wenige Studenten da waren und die Obdachlosen gut versorgt wurden, dann war das wohl der logische Schritt. Ich habe aber persönlich bei Polizeieinsätzen immer ein sehr ungutes Gefühl - vor allem wenn es um Formen der Demonstration geht." Der Wissenschaftssprecher der Grünen, Kurt Grünewald, äußerte sein Bedauern, dass an der Uni Wien "eine friedliche Einigung mit den Studierenden versäumt wurde, vor allem weil ein Kompromiss bereits in Reichweite schien".

Heftige Kritik von der Wohnungslosenhilfe
Scharfe Kritik kommt auch vom Verband der Wohnungslosenhilfe: Die Caritas habe extra ein Notschlaflager für die im Audimax untergekommenen Obdachlosen eingerichtet, so der Verbandsvorsitzende Markus Reiter von der Obdachloseneinrichtung "Neunerhaus". Die Uni sei seit Freitag von diesen Plänen informiert gewesen, betonte Reiter. Dass die Uni die aus dem Audimax verwiesenen Obdachlosen an das "Service für Wiener Wohnungslosenhilfe" verwiesen hat, hält Reiter für sinnlos. "Die können auch nichts anderes sagen, als dass es keine freien Plätze gibt." Die Stadt Wien garantierte am Nachmittag jedoch freie Plätze in den Notschlafstellen.

Seit 22. Oktober besetzt
Das Audimax ist der größte Hörsaal Österreichs. Im Zuge von Protesten an der Akademie der Bildenden Künste gegen die Einführung des Bachelor/Master/PhD-Systems wurde auch das Audimax am 22. Oktober von gegen die Bildungssituation protestierenden Studenten besetzt. Seither fanden dort keine Lehrveranstaltungen statt. Die Universität Wien musste diese von der Inneren Stadt an externe Orte wie das Austria Center in Wien-Donaustadt auslagern.

In den letzten Wochen sammelten sich auch immer mehr Obdachlose im besetzten Hörsaal, während die Zahl der protestierenden Studenten massiv zurückging. Über das Wochenende verhandelten Uni-Leitung und Studentenvertreter stundenlang über die Situation im Audimax. Das Rektorat sprach dabei von immer massiver werdenden Sicherheitsproblemen. Unter anderem gebe es immer mehr Probleme mit dem Brandschutz. So seien etwa immer wieder Mistkübel angezündet worden, hieß es.

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