"Actionszenen"

Immunzellen beim “Fressen” gefilmt

Wissenschaft
28.11.2008 12:18
Sensationelle Filmaufnahmen, die zeigen, wie Immunzellen in einem lebenden Organismus auf einen Krankheitserreger reagieren und wie sie Tumorzellen bekämpfen, sind dem aus Österreich stammenden und an der University of Sydney tätigen Dermatologen Wolfgang Weninger gelungen. Mit Hilfe eines sogenannten Zwei-Photonen-Mikroskops konnte der Forscher an Mäusen die Reaktion von Immunzellen in der Haut auf verschiedene Krankheitserreger sowie auf Tumorzellen beobachten. Den Wissenschaftler und sein Team interessierte dabei, wie diese Zellen im Organ wandern und interagieren. Sie erhoffen sich davon neue Einblicke in die Pathogenese von Krankheiten.

"Mit Hilfe eines Zwei-Photonen-Mikroskops kann man in intakte Organe hineinschauen", erklärte Weninger. Der dabei verwendete Infrarot-Laser ermöglicht es, etwa bis zu einer Tiefe von einem halben Millimeter die Vorgänge in der Haut und in anderen Organen zu beobachten - was bei Mäusen schon sehr viel ist. Weninger hat bei seiner Berufung an die University of Sydney im Mai 2007 auf die Anschaffung eines solchen Mikroskops bestanden.

"Scientific Break Through" 2007
Schon an seinem früheren Arbeitsplatz, dem Wistar-Institut in Philadelphia (USA), hat er mit einem solchen Gerät in seinem Spezialgebiet, der Visualisierung des Immunsystems, gearbeitet. Im Vorjahr wurde seine Entdeckung, dass die erste Teilung einer T-Zelle asymmetrisch verläuft, vom US-Wissenschaftsmagazin "Science" als einer der zehn "Scientific Break Throughs" des Jahres 2007 gefeiert.

Für ihre Arbeit, die am Donnerstag im Fachmagazin "PLoS Pathogens" veröffentlicht wurde, nutzten die Wissenschaftler transgene Mäuse, deren Immunzellen mit einem Fluoreszenzgen ausgestattet sind. Dadurch leuchten sie unter dem Zwei-Photonen-Mikroskop und lassen sich gut vom übrigen Gewebe unterscheiden. Dies ermöglicht Filmaufnahmen des Immunsystems, zum Beispiel in der Haut, live aus einem lebenden Organismus.

Spektakuläre Filmaufnahmen
Und diese sind durchaus spektakulär, auch wenn sich beim ersten Blick in die obersten Hautschicht, die Epidermis, noch wenig abspielt: Dort scheinen die Immunzellen (Langerhanszellen) noch ruhig und bewegungslos auf einen möglichen "Job" zu warten. Eine Schicht tiefer, in der Dermis, dagegen geht es schon bewegter zu: Die dort angesiedelten dermalen dendritischen Zellen wandern kreuz und quer durch das Stützgewebe (Kollagenmatrix) - immerhin mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich vier Mikrometer pro Minute.

Es scheint, als ob sie wie Wächter auf der Suche nach Krankheitserregern durch das Gewebe patrouillieren. Tatsächlich hören sie sofort auf zu wandern, sobald Endotoxine, bakterielle Zerfallsprodukte, auf die das Immunsystem stark anspricht, in die Haut gespritzt werden - als ob sie sich bereitmachten für die "Verteidigung".

Regelrechte "Actionszenen" zeigten sich unter dem Mikroskop, sobald die Wissenschafter Leishmania-Parasiten in die Haut injizierten. Auch diese Erreger wurden mit einem - andersfarbigen - Fluoreszenzgen ausgestattet. Rot leuchtend zappeln sie herum, bis sich die dendritischen Zellen über sie hermachen. Deutlich sieht man in dem Video, wie diese Immunzellen mehr und größere Verzweigungen (Dendriten) ausbilden und damit - dem Fangarm eines Kraken gleich - sich einzelne Parasiten einfangen und einverleiben.

Ähnliche Aufnahmen in Tumoren
Ähnliche Aufnahmen sind Weninger von T-Zellen in Tumoren gelungen. "Bisher gab es keinerlei Informationen darüber, was T-Zellen in Tumoren machen", sagte Weninger. Auch hier konnten die Wissenschafter beobachten, wie die Immunzellen gegen die Krebszellen vorgehen und erstmals auch den Tod von Krebszellen filmen. Überraschend dabei war laut Weninger, dass es im lebenden Organismus viel länger als in Zellkulturen dauert, bis die T-Zellen einer Krebszelle den Garaus machen.

Die Studien geben einen erstmaligen "Echtzeit"-Einblick in die Immunantwort gegen Infektionen und Tumoren. Die Forscher erhoffen sich nun einerseits jene Moleküle zu identifizieren, die für die Interaktion zwischen Immunzellen und Mikroben bzw. Tumorzellen verantwortlich sind. Diese Information könnte dann für die Entwicklung neuartiger Therapien und Vakzine genutzt werden. Andererseits kann man direkt die Effekte von Medikamenten auf das Immunsystem, auf Tumorzellen und Erreger in intakten Geweben studieren und daraus Rückschlüsse auf deren Wirkung ziehen.

In Wien aufgewachsen und Medizin studiert
Der 41-jährige gebürtige Wiener studierte in seiner Heimatstadt Medizin. Nach seiner Facharztausbildung in Dermatologie ging er 1999 mit einem Max-Kade- und später mit einem Schrödinger-Stipendium an die Harvard Medical School. Bereits dort widmete er sich zuerst als Post-Doc, dann auf einer Junior-Faculty-Stelle seinem Forschungsschwerpunkt Visualisierung der Immunantwort und Fluoreszenzmikroskopie.

2003 wechselte Weninger dann an das Wistar-Institut in Philadelphia, ehe er 2007 den Ruf nach Sydney erhielt. Dort leitet er mit der Raymond-Purves-Professur nicht nur eine der größten Dermatologien der südlichen Hemisphäre, sondern auch eine große Forschungsgruppe am wissenschaftsorientierten Centenary-Institute.

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