"Krone"-Interview

Marco Djuricin: "Die Ungarn sind uns sehr ähnlich"

Sport
24.03.2017 07:26

Er ist zwar erst 24 Jahre alt, hat aber dennoch bereits viel von der "europäischen Fußball-Welt" gesehen - Marco Djuricin! Der Stürmer aus Wien wurde unter anderem in der Jugend Rapids als Rohdiamant erkannt, später bei Hertha BSC in Berlin "zurechtgeschliffen" und ist nun nach weiteren Stationen bei Jahn Regensburg, Sturm Graz, Red Bull Salzburg und Brentford London beim Traditionsklub Ferencvaros in Budapest gelandet. sportkrone.at traf den zweifachen ÖFB-Teamspieler in dessen moderner Heim-Arena und plauderte mit ihm über seine Leistungen im "Fradi"-Dress, seine neue Position, das Leben in Ungarn - und in der digitalen Welt! -, seine deutschen Mitspieler, seine Beziehung zu Rapid und seine Karriere im ÖFB-Team!

sportkrone.at: Marco, wir treffen uns nicht in einem deutschen oder englischen Stadion, sondern im Stadion deines Arbeitgebers Ferencvaros Budapest. An dich als Insider gleich einmal die Frage: "Taugt" dieses Stadion etwas? Kann man hier gute Stimmung erleben?
Marco Djuricin: Ja, in den Heimspielen ist die Stimmung immer ganz gut. Ich denk', 7000, 8000, 9000 Zuschauer sind schon immer da - und dann ist das schon ganz okay.

sportkrone.at: Mit acht Toren bist du viertbester Torschütze und mit weiteren sechs Torvorlagen drittbester Assistgeber - wie zufrieden bist du selbst mit dieser Ausbeute, jetzt nach etwas mehr als einer Halbsaison?
Djuricin: Ich spiel' ja nicht Stürmer, das muss ich einmal vorweg sagen - ich spiele im linken Mittelfeld und dafür ist die Ausbeute ganz okay. Es kann natürlich immer besser sein, aber ja... Ich bin erst mal zufrieden, weil links außen ist das natürlich eine andere Situation für mich. Ich muss mehr nach hinten laufen und andere Dinge erledigen, damit wir gut stehen. Aber natürlich ist mein Ziel, dass ich mehr Tore schieße und wieder Stürmer spiele. Dann kommen die Tore auch wieder.

sportkrone.at: Auf der Sturm-Position ist dir mit Daniel Böde der letztjährige ungarische Torschützenkönig im Weg. Wie groß ist da die Rivalität? Gibt’s da eine Chance, an ihm vorbeizukommen oder hat er als Ungar einfach auch einen gewissen Startvorteil?
Djuricin: Das ist schwer zu sagen. Ich glaub', ich hab‘ drei, vier Mal als Stürmer gespielt, hab' dann auch immer meine Tore geschossen. Aber ja... Der Trainer stellt öfters um, manchmal haben wir schon mit zwei Stürmern gespielt, dann laufe ich eh als Stürmer auf. Sonst agieren wir in einem 4-3-3-System und dann bin ich halt am linken Flügel.

sportkrone.at: Wie zufrieden kann man vonseiten deines Klubs Ferencvaros Budapest sein? Im Vergleich zu 2015/16 läuft’s heuer ja nicht unbedingt so gut - in der Vorsaison ist "Fradi" von der ersten bis zur letzten Runde auf Platz eins gestanden und am Ende der Saison 21 Punkte vor dem Zweiten Videoton gelegen. Aktuell seid ihr "nur" auf Platz vier mit sechs Punkten Rückstand...
Djuricin: Natürlich sind wir nicht zufrieden! Wir haben im letzten Halbjahr zu viele Punkte liegen gelassen. Dieses Jahr sind wir sehr gut gestartet: Wir hatten sechs Partien, haben vier Mal gewonnen und zweimal unentschieden gespielt. Von daher ist bis jetzt alles in Ordnung. Leider haben wir ausgerechnet gegen Videoton nur ein 0:0 erreicht, da hätten wir gewinnen können. Aber ja, Videoton hat sehr viel Geld investiert, da stehen jetzt sehr große Sponsoren hinter dem Klub - die werden dieses Jahr ordentlich gepusht. Gegen Ferencvaros gibt noch dazu jeder immer mehr als 100 Prozent. Es ist schwierig, wenn du gegen 5er- und 6er-Abwehrketten spielst. Aber trotzdem liegt‘s natürlich an uns.

sportkrone.at: Themenwechsel: Auch wenn die ungarische Nationalmannschaft bei der vergangenen Europameisterschaft in Frankreich im Sommer absolut positiv aufgefallen ist, hat der ungarische Klubfußball nicht unbedingt den besten Ruf in Europa. Was bringt jetzt einen jungen Kicker wie dich, der immerhin im besten Fußballer-Alter ist, dazu, gerade in die ungarische Liga zu wechseln?
Djuricin: Erstens verdient man hier, das muss man ehrlich sagen, viel Geld, das man in Österreich nicht verdienen kann. Ferencvaros ist der größte Klub in Ungarn, hat sehr viele Supporter. Von den zehn Millionen Einwohnern Ungarns sind über zwei Millionen Ferencvaros-Fans! Die ungarische Liga ist ansonsten der österreichischen durchaus ähnlich. Natürlich ist mein Ziel, dass ich in eine bessere Liga komme, aber jetzt muss ich erst mal hier meine Leistung bringen! Ich dachte, ich komme hierher, spiele Stürmer, schieße 20 Tore und wechsle dann wieder in eine bessere Liga. Aber man sieht, man kann nie wissen, was passiert! Jetzt spiele ich im linken Mittelfeld, hab' noch nicht so viele Tore und muss mich jetzt erst recht durch gute Leistungen wieder in den Fokus spielen.

sportkrone.at: Nach etwas mehr als deinem ersten Halbjahr hier in Ungarn: Wie würdest du die ungarische Liga im Vergleich mit der österreichischen beurteilen? Hinsichtlich Taktik, Technik, Tempo?
Djuricin:(denkt nach) Das ist schwer zu sagen (zögert). Ich denke, unsere Mannschaft ist schon sehr gut, Tabellenführer Videoton auch. Auch bei Honved spielt man einen guten Fußball - die haben einen italienischen Trainer, die stehen defensiv sehr gut. Zudem ist Vasas, wo auch ein deutscher Coach arbeitet, in der laufenden Saison bisher eine Überraschungsmannschaft. Dann sind alle weiteren Teams eng beieinander, vom Mittelfeld weg bis ganz nach unten in der Tabelle - aber kämpfen und beißen tun alle. Vom Niveau her ist der Fußball in Ungarn mit dem in Österreich für mich persönlich ein bisschen schwierig zu vergleichen, auch weil ich letztes Jahr selbst nicht in Österreich gespielt habe. Mit England kann man‘s jedenfalls nicht vergleichen. Dort herrscht ein ganz anderes Tempo vor…

sportkrone.at: Das ist eine ganz andere Sportart…
Djuricin:(lacht) Ja, deswegen… Als ich von England hierhergekommen bin, dachte ich mir: "Bei jedem Schubser kriegst du eine Gelbe Karte?" Das ist natürlich schon sehr komisch! In England habe ich in 24 Spielen eine Gelbe Karte bekommen - und hier wird sehr viel abgepfiffen, mehr als in Österreich.

sportkrone.at: "Internationalität" ist ein gutes Stichwort: Ferencvaros kann man wohl grundsätzlich ein internationales Flair zuerkennen, insbesondere spricht man bei "Fradi" allerdings Deutsch. Mit Coach Thomas Doll und deinen Mitspielern Oliver Hüsing, Janek Sternberg, Florian Trinks und Julian Koch, (weg) hast du einen ganzen Trupp von Deutschen um dich, mit Emir Dilaver zudem noch einen Wiener Landsmann. Wie geht’s dem Wiener Marco Djuricin hier in dieser Deutschen-Kolonie?
Djuricin: Ich fühle mich super wohl! Wenn wir mal zwei Tage frei haben, bin ich in zwei Stunden zu Hause bei der Familie in Wien, das ist super. Den Emir kenne ich schon seit zehn Jahren, das war natürlich auch ein Vorteil für mich, als ich hierhergekommen bin. Trainer Doll wollte mich zudem unbedingt haben. Wir sprechen zwar im Team grundsätzlich Englisch, aber natürlich, bei so vielen Deutschen - da reden wir schon auch sehr viel Deutsch untereinander.

sportkrone.at: Wie funktioniert dabei das Zusammenleben zwischen den Deutschsprachigen und den Ungarn? Vor allem dahingehend, dass man ja Ungarn, Deutschen und Österreichern gewisse Charaktereigenschaften nachsagt, die das Zusammenleben durchaus verkomplizieren könnten.
Djuricin: Ich denk', die Ungarn sind den Österreichern sehr ähnlich. Auch ein bisschen gemütlich von der Mentalität her, was im Fußball ja nicht unbedingt so gut ist. Aber sonst sind das wirklich sehr angenehme Menschen, ziemlich nett! Ja, die Sprache ist halt kompliziert, Sachen wie "links", "rechts", "vor", "zurück" mussten wir uns schon einprägen. Aber die meisten verstehen ohnehin Englisch, von daher ist das eigentlich ziemlich, ziemlich easy.

sportkrone.at: Kleiner Themenwechsel: Machen wir einen Sprung aus der realen Welt in die digitale Welt. Du bist dieser Tage erst in Facebook eingestiegen, hast da ein eigenes Profil eröffnet - relativ spät, wenn man bedenkt, dass manche Youngsters schon mit 17 Jahren einen eigenen Social-Media-Auftritt hinlegen. Wieso hast du dich so lange "gesträubt" und wieso bist du jetzt eingestiegen?ich, vor acht, neun Jahren mal privat. Aber irgendwie hat mir das nicht so gefallen. Twitter hatte ich immer wieder mal nebenbei, vor allem als ich in England war - in Österreich und Deutschland verwenden das ja nicht so viele, in England ist das aber ein super Trend. Was Facebook anbelangt: Vor Kurzem hat mich eine Agentur darauf angesprochen, ob ich das machen will - und jetzt arbeite ich mit der zusammen. Ich denk', da bin ich gut aufgehoben. Ich habe durch meine Auslandsaufenthalte schon einiges erlebt und wenn die Leute wollen, können sie mir folgen und mitfiebern, was ich so tue.

sportkrone.at: Ich vermute einmal, es ist eh leicht zu finden?
Djuricin: (zögert) Ich kenn' mich nicht so gut aus mit Facebook, aber wenn man Marco Djuricin eingibt, dann sollte es kommen... (lacht)

sportkrone.at: Passt! Wie steht’s eigentlich um deine Ungarisch-Kenntnisse? Gibt’s auch irgendetwas, das du auf Ungarisch sagen kannst?
Djuricin: Schon, aber die Schimpfwörter will ich jetzt nicht sagen, das wäre nicht so angebracht… (lacht)

sportkrone.at: Das ist immer das erste, das man im Ausland lernt, oder?
Djuricin: Ja, ich glaub' schon. Wenn mich jemand fragt, was er auf "Jugo" wissen will, dann fragt er mich auch, ob er Schimpfwörter kennen darf - irgendwie ist das immer so... (lacht) Nein, ein paar Wörter gibt’s, die man lernen sollte - aber es ist wirklich extrem kompliziert, sehr schwer! "Szia" ist "Hallo", "Köszi" oder "Köszönöm" ist "Danke", "Igen" ist "Ja" - (zögert kurz) also eigentlich nicht so viele Sachen.

sportkrone.at: Ich hab' da jetzt einen Begriff für dich, einen ungarischen Begriff, den ich sicher falsch aussprechen werde. "Zöld-Fehérek" - weißt du, was das heißt?
Djuricin: "Zöld-Fehérek"? (denkt lange nach) Keine Ahnung, leider nicht...

sportkrone.at: Das steht für "Grün-Weiße". Ja, solche gibt’s nicht nur in Wien Hütteldorf, sondern auch hier in Budapest. Ist das vielleicht ein Zeichen?
Djuricin: Ich weiß nur, dass die "Fradi"-Fans mit Rapid-Fans befreundet sind, und die Klubs auch eine gute Beziehung haben. Deswegen sollte ich den Begriff vielleicht auch wirklich kennen - aber ja, es tut mir jetzt auch leid (schmunzelt).

sportkrone.at: Ich habe dir diese Frage jetzt natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken gestellt. Nun, dein Vater Goran ist nach einigen Jahren höchst erfolgreicher Arbeit beim ASK Ebreichsdorf im vergangenen Herbst zum Co-Trainer des SK Rapid aufgestiegen. Du selbst hast in der Jugend auch lange Zeit bei Rapid gespielt. Und Rapid hat aktuell durchaus ein Stürmer-Problem. Meinst du nicht, dass das wie die berühmte Faust aufs Auge passen würde - Marco Djuricin zu Rapid?
Djuricin: (lächelt) Ja, wenn ich wieder mal Stürmer spielen würde, dann vielleicht schon! Aber ja … (zögert) … Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass Rapid da rauskommt, weil das ein super Klub ist - der sollte nicht da unten stehen! Das darf ich jetzt nicht zu laut sagen, weil ich Red-Bull-Spieler bin, aber ich glaub', die meisten wissen, was ich meine: Die gehören nach oben ins internationale Geschäft, wie Austria Wien, Sturm Graz und Red Bull Salzburg. Und ja, ich hoffe, mein Vater kommt da auch raus mit dem Herrn Canadi. Natürlich werde ich immer wieder in Verbindung gebracht mit Rapid, weil ich da sehr lange in der Jugend war - aber was da kommen wird, weiß ich nicht.

sportkrone.at: Zum Abschluss noch eine Frage, die im Moment nicht so ganz konkret erscheinen mag. Hast du auch das Nationalteam noch im Visier? Zwei Teameinsätze hast du vor einiger Zeit ja hinter dich gebracht…
Djuricin: Erst mal nicht, muss ich ehrlich sagen. Jetzt muss ich mich auf mich selbst konzentrieren und in nächster Zukunft hoffentlich wieder meine Stammposition spielen. Ich bin aber trotzdem zufrieden: Die Position im linken Mittelfeld hab' ich wirklich positiv aufgenommen, ich konnte viel Neues lernen - andere Laufwege und andere Spielsituationen. Acht Tore sind auch okay als linker Mittelfeldspieler. Das Nationalteam ist aktuell zwar für mich kein Thema, aber ich freue mich sehr, dass der Guido Burgstaller endlich dabei ist - er hat sich’s wirklich verdient, ist ein geiler Typ, ein super Spieler! Auch der Marc Janko ist ein super Typ! Nein, das Nationalteam ist top aufgestellt. Ich muss jetzt erst mal meine Leistung bringen, wieder zu einem guten Verein kommen, dort meine Tore schießen und dann ruft mich hoffentlich der Marcel Koller wieder einmal an.

sportkrone.at: Und dann sagst du auch ja?
Djuricin: Natürlich! (lacht)

Hannes Maierhofer (in Budapest)

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(Bild: KMM)



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