Die Resultate sind da

PISA: Österreich beim Lesen auf Platz 31 von 34

Österreich
07.12.2010 11:06
Jetzt sind sie da, die bereits im Vorhinein als "vernichtend" angekündigten Resultate der PISA-Studie von 2009. Österreichs Schüler legen darin eine durchgehende Talfahrt hin. Beim Lesen stürzt man auf Rang 31 von 34 ab, bei den Naturwissenschaften sieht es ähnlich desaströs aus. In Mathematik geht sich mit Platz 18 gerade noch der OECD-Schnitt aus. Alarmierend: Die Zahl der "Risikoschüler" ist regelrecht emporgeschossen.

Weltweit nahmen im April und Mai 2009 rund 470.000 Schüler aus 65 Ländern (34 OECD-Staaten und 31 "Partnerländer") an den Tests in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften teil.

Schwerpunktthema war diesmal Lesen, damit wurde erstmals eine Kompetenz erneut abgeprüft (Lesen war bereits 2000 Schwerpunktthema). Aus Österreich wurden rund 6.600 Schüler des Jahrgangs 1993 an rund 280 Schulen getestet. Aufgrund eines Boykott-Aufrufs in der ersten Testphase veröffentlicht die OECD die Österreich-Ergebnisse nur mit Vorbehalt und sieht (offiziell) von Vergleichen mit den früheren Tests ab.

Südkorea am besten, Ö knapp vor Türkei
Dominiert wird die im Jahr 2009 durchgeführte Studie vom Fernen Osten: Das beste OECD-Lese-Land ist diesmal Südkorea mit 539 Punkten. Finnland (536) wurde auf Platz zwei verwiesen, danach folgen Kanada (524), Neuseeland (521) und Japan (520). Den absolut besten Wert erreichte aber die Nicht-OECD-Region Shanghai (556 Punkte), auch Hongkong (533) und Singapur (526) erreichten Top-Werte. Österreich landet beim Lesen mit 470 Punkten knapp vor der Türkei (464) auf Platz 31 der 34 OECD-Staaten und damit weit unter dem OECD-Schnitt von 493 Punkten.

Auch wenn die OECD nicht vergleicht: Bei den vergangenen PISA-Studien erreichten die österreichischen Schüler beim Lesen jeweils in etwa gleich viele Punkte (2000: 492, 2003: 491, 2006: 490). Damit lag Österreich eigentlich immer "nur" leicht unter dem OECD-Durchschnitt, der bis 2009 stets bei 500 Punkten lag.

Mathe im Schnitt - minus 17 Punkte bei Naturwissenschaften 
Auch in der Mathematik distanzierten die Südkoreaner (546) die Finnen (541), dahinter folgen die Schweiz (534), Japan (529) und Kanada (527). In ganz anderen Sphären bewegen sich schon die Nicht-OECD-Mitglieder Shanghai (600), Singapur (562) und Hongkong (555). Österreich erreicht unter den OECD-Staaten mit 496 Punkten den 18. Rang und liegt damit genau im OECD-Schnitt (496). Das Ergebnis entspricht einem Minus von neun Punkten gegenüber 2006. 2003 erreichte Österreich in Mathe 506 Punkte, 2000 waren es 503.

In den Naturwissenschaften verteidigten die Finnen dagegen OECD-weit unangefochten den ersten Platz (554 Punkte) vor Japan (539) und Südkorea (538). Geschlagen wurden sie auch in dieser Domäne vom Nicht-OECD-Mitglied Shanghai (575). Österreich erreichte mit 494 Punkten nur Rang 24 und liegt damit im zweiten von drei Testgebieten signifikant unter dem OECD-Schnitt (501). 2006 erreichten die heimischen Schüler 17 Punkte mehr und lagen deutlich über dem OECD-Schnitt. Das Naturwissenschafts-Ergebnis war aber schon immer stark schwankend: 2000 erreichten die österreichischen Schüler 505 Punkte, 2003 gar nur 491 Punkte - das Resultat aus der Studie von 2009 ist somit kein Tiefststand.

28 Prozent sind beim Lesen "Risikoschüler"
Dramatisch ist hingegen die Entwicklung bei den sogenannten "Risikoschülern": 2009 konnten bereits 28 Prozent aller Getesteten gegen Ende ihrer Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen - 2006 war dieser Anteil erst bei 21,5 Prozent gelegen. 2009 gehörten bereits 15 Prozent der Schüler in allen drei Testgebieten zur Risikogruppe, 2006 waren es erst zehn Prozent gewesen.

Das Ausmaß des Rückgangs der Schülerleistungen umreißt Günter Haider, Leiter des Bundesinstitut für Bildungsforschung, mit einem Beispiel: Gehe man von insgesamt 60 Leseaufgaben aus, bedeute ein Rückgang um 20 Punkte in etwa, dass im Schnitt statt 40 nur mehr 37 Fragen richtig gelöst werden, so Haider.

Migranten zwar schlechter, aber nicht schuld am Absinken
Ein häufig zur Erklärung der miserablen Resultate herangezogenes Argument schwächen die Studienautoren gleich im Vorfeld ab: Der zwischen 2000 und 2009 gestiegene Migrantenanteil (von elf auf 15 Prozent) könne das Absinken nur teilweise erklären und mache "höchstens drei Punkte" aus, so PISA-Expertin Claudia Schreiner. Zum Beispiel beim Lesen sind die Unterschiede aber groß: Im Schnitt erzielten Einheimische (mindestens ein Elternteil bereits in Österreich geboren) 482 Punkte, Migranten der zweiten Generation (Kinder in Österreich geboren, Eltern zugewandert) 427 Punkte und Migranten erster Generation (Kinder noch im Ausland geboren) nur 384 Punkte.

Mit einer Differenz von durchschnittlich 68 Punkten (erste und zweite Generation zusammen) gehört Österreich zu den drei OECD-Ländern mit den größten Leistungsunterschieden zwischen Einheimischen und Migranten (Italien: 72 Punkte, Belgien ebenfalls 68). Gegenüber 2006 massiv verschlechtert haben sich die Leistungen der ersten Migrantengeneration, die damals noch bessere Leseleistungen als die zweite Generation aufwies, deren Performance in etwa gleich geblieben ist. Zurückgeführt wird das auch auf die Zusammensetzung der ersten Migrantengeneration des Jahrgangs 1993 in Folge des Jugoslawien-Kriegs.

Jeder Zweite liest, "weil er muss" – und gerne nur online
Ein weit größerer Faktor beim Lese-Absturz dürfte sein, dass es den heimischen Schülern schlichtweg keinen Spaß macht zu lesen. Die Hälfte (49 Prozent gesamt; 39 Prozent der Mädchen, 61 Prozent der Burschen) liest niemals zum Vergnügen. Im Jahr 2000 gaben noch 44 Prozent der Jugendlichen an, nicht zum Vergnügen zu lesen (31% Mädchen und 55% Burschen). Für reine Zeitverschwendung halten 35 Prozent das Lesen; dieser Wert liegt deutlich über dem OECD-Schnitt von 24 Prozent.

Zu den Hobbys zählt das Lesen nur für 27 Prozent der österreichischen Jugendlichen, die meisten von ihnen sind Mädchen. Mädchen sind es auch, die sich unterschiedlichen Quellen - von Tageszeitungen über Sachbücher und Romane - intensiver zuwenden als ihre männlichen Altersgenossen. Allein bei Online-Leseaktivitäten, die vom Chatten und Lesen von E-Mails bis zur Informationssuche und Nachrichtenkonsumation im Internet reichen, zeigen sich die Burschen ebenso aktiv wie die Mädchen. Hier liegt Österreich gesamt auch über dem OECD-Durchschnitt - allein 90 Prozent der Jugendlichen geben an, mehrmals im Monat online nach Informationen über ein bestimmtes Thema zu suchen.

Das Engagement der Lehrer, Schüler darin zu unterstützen, sich mit Texten intensiv auseinanderzusetzen, ist dabei offenbar mangelhaft. Im Rahmen des PISA-Tests sollten Schüler aus ihrer Sicht u.a. angeben, inwieweit sie dazu aufgefordert werden, die Bedeutung eines Texts zu erklären, ihre Meinung zu einem Text zu äußern oder eine Geschichte zu ihrem Leben in Bezug zu stellen. Die Ergebnisse zeigen, dass die österreichischen Schüler seltener über derartige Maßnahmen berichten als Jugendliche im OECD-Durchschnitt. Generell wird gerade das Reflektieren und Bewerten, bei denen die österreichischen 15- bzw. 16-Jährigen Schwächen aufweisen, vergleichsweise selten gefördert.

Schmied: "Es dauert, bis die Veränderungen Wirkung zeigen"

Die PISA-Studie 2009 ist der erste Test, der in die Amtszeit von SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied fällt. Davor war Elisabeth Gehrer (ÖVP) für die Bildungsbelange zuständig, von Reformen war damals wenig zu hören. Am Montagabend meinte Schmied gegenüber der "Krone": "Die nun getesteten 15- und 16-Jährigen haben von den eingeleiteten Innovationen noch nichts gehabt. Es dauert, bis die Veränderungen wirken." Das katastrophale Abschneiden der heimischen Schüler will sie jedenfalls ernst nehmen und sieht das als ein deutliches Signal, dass weiter gearbeitet werden muss.

Doch derzeit ist die Bildungspolitik gehörig ins Stocken geraten, die Regierungsparteien können sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Kommt von einer Seite ein Vorschlag, heißt es von der anderen sofort "Nein". Experten fordern nun endlich ein Ende des Bildungsstreits und echte Reformen. Rudolf Taschner: "PISA ist ein Trauerspiel. Die Schere zwischen guten und schlechten Schülern ist in Österreich besonders groß. Lesen muss in der Gesellschaft wieder wichtiger werden. Auch daheim muss das Buch wieder vermehrt Einzug halten. Der Fernsehapparat ist kein Lese- Ersatz."

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