Humanitäres Drama

Kirgistan: 400.000 Menschen sind auf der Flucht

Ausland
17.06.2010 21:05
Etwa 400.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen auf der Flucht vor den ethnischen Unruhen im Süden Kirgistans. Ein Viertel der Flüchtlinge hat sich demnach ins Nachbarland Usbekistan gerettet. Die 300.000 anderen halten sich entlang der mittlerweile geschlossenen Grenze auf der kirgisischen Seite auf, wie die UNO am Donnerstag mitteilte. In Kirgistan leben insgesamt etwa 5,3 Millionen Menschen.

Die Bedingungen, unter denen die Flüchtlingen ausharren müssen, werden immer schlimmer. Vielen drohen die wichtigsten Dinge zum Überleben auszugehen. Beobachter vor Ort berichteten, dass wegen Sicherheitsbedenken die Hilfslieferungen aus dem Ausland die meisten Bedürftigen - darunter viele Frauen und Kinder - nicht erreichten. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle wies seinen usbekischen Kollegen Wladimir Norow in einem Telefonat darauf hin, dass es notwendig sei, dass humanitäre Hilfslieferungen und Flüchtlinge die Grenze passieren können.

In Osch, einem der zentralen Orte der Unruhen zwischen den usbekischen und kirgisischen Bevölkerungsgruppen, herrschte zwar gespannte Ruhe. Befürchtet wurde aber ein neuer Ausbruch der Feindseligkeiten. Usbeken verbarrikadierten sich in ihren Wohngebieten und errichteten Kontrollpunkte an den Übergängen zu den Kirgisen-Vierteln. "Es ist äußerst gespannt, es ist hoch explosiv", beschrieb Ole Solvang von Human Rights Watch die Lage in der Stadt.

Zahl der Toten vermutlich viel höher als offiziell angegeben
In der Region sind seit dem 10. Juni mindestens 191 Menschen bei Kämpfen zwischen den verfeindeten Volksgruppen ums Leben gekommen. Der kirgisischen Regierung zufolge könnte die Zahl der Toten jedoch um ein Vielfaches höher liegen.

Vor der für den 27. Juni geplanten Volksabstimmung droht ein Wiederaufflammen der Gewalt. Die neue Führung des Landes, die nach dem Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew ohne Wahl ins Amt kam, will mit dem Referendum ihre Herrschaft legitimieren. Die Führung um Interims-Präsidentin Rosa Otunbajewa will die Volksabstimmung nur absagen, wenn über das ganze Land oder mehr als dessen Hälfte der Notstand verhängt werden sollte. "Das heißt, das Referendum wird stattfinden", sagte Regierungssprecher Farid Nijasow.

Regierung: "Haben Lage nicht unter Kontrolle"
Die Führung des Landes räumte indes ein, die Lage nicht völlig unter Kontrolle zu haben. "Wir können nicht sagen, dass alles eingedämmt und gestoppt ist", sagte der Sekretär des Sicherheitsrats, Alik Orosow. Noch seien Kräfte unterwegs, die zurückgeschlagen werden müssten."

Russland und der Westen fürchten, dass die frühere Sowjetrepublik durch anhaltende Unruhen ein Hort für international operierende Extremisten werden könnte. Die Vereinten Nationen warnten vor einem Erstarken des Islamismus in der Region. Es gebe dort zahlreiche extremistische Organisationen und unter den derzeitigen Umständen würden sie einen fruchtbaren Boden für ihre Ziele finden, sagte der UN-Sondergesandte Miroslav Jenca. Der Konflikt könne ganz Zentralasien bis an die Grenzen zu Afghanistan radikalisieren.

Sohn von Ex-Präsident beantragt Asyl
Der Sohn des gestürzten kirgisischen Präsidenten beantragte unterdessen in Großbritannien Asyl. Berichten britischer Medien zufolge floh Maxim Bakijew nach Großbritannien, da ihn die Übergangsregierung seines Heimatlandes auf eine Liste gesuchter Personen setzte. Er soll Steuerschulden in Höhe von umgerechnet etwa 65 Millionen Euro haben.

Das britische Innenministerium erklärte, der 32-Jährige sei ohne die nötigen Einreisepapiere bereits am Sonntag mit einem Privatflugzeug auf dem Flughafen Farnborough in der Nähe von London gelandet. Maxim Bakijews Vater war im April gestürzt worden. Er hat in Weißrussland Asyl erhalten.

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