Nach Airbus-Absturz

Debatte um Handhabe der ärztlichen Schweigepflicht

Ausland
31.03.2015 10:33
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ist in Deutschland eine Diskussion über die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für sensible Berufe wie Piloten entbrannt. Der 27-jährige Co-Pilot Andreas Lubitz, der laut den Ermittlern an psychischen Problemen litt, hatte das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht und 149 Menschen mit sich in den Tod gerissen.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte am Montag erklärt, dass Lubitz vor seiner Karriere als Berufspilot psychotherapeutisch wegen möglicher Suizidgefährdung behandelt worden war. Schon seit einigen Tagen ist zudem bekannt, dass der 27-Jährige immer wieder an psychischen Problemen litt und am Tag des Unglücks eigentlich krankgeschrieben war. Vor dem Hintergrund der Tragödie gibt es nun auch Forderungen nach regelmäßigen psychologischen Untersuchungen für Piloten.

Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, forderte am Dienstag im "Tagesspiegel" zusätzlich eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen. "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren", argumentierte er. Dies könne etwa das Gesundheitsamt sein.

Psychotherapeutenkammer verteidigt Schweigepflicht
Der Präsident der deutschen Bundespsychotherapeutenkammer, Rainer Richter, hingegen lehnt eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht ab. "Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem", sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur. "Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet."

Eine Lockerung der Schweigepflicht für bestimmte Berufe mit hohem Risiko könne nach Ansicht von Richter derartige Katastrophen nicht verhindern. Das Problem sei "die grundsätzliche Schwierigkeit, bei einem Menschen die Absicht, sich und insbesondere Dritte zu schädigen, verlässlich zu erkennen und die Ernsthaftigkeit einzuschätzen". Auch eine Jahre zurückliegende Behandlung einer Depression lasse eine Vorhersage einer späteren Suizidgefährdung nicht zu.

Piloten-Gewerkschaft und Fachpolitiker gegen Lockerung
Auch die Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit ist klar gegen eine Lockerung der Schweigepflicht im Fall von Piloten: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", sagte Präsident Ilja Schulz, der "Rheinischen Post". "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt", so Schulz. "Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."

Fachpolitiker der deutschen Regierungskoalition lehnten eine Lockerung im "Handelsblatt" ab. Der Sozialdemokrat Karl Lauterbach, selbst Arzt, sagte: "Auch heute schon können Ärzte im Rahmen eines rechtfertigenden Notstands den Arbeitgeber informieren, wenn sie fürchten müssen, dass vom Patienten Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen ausgeht." Und Jens Spahn von der CDU sagte: "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut. Ich kann nur davor warnen, hier aus spekulativen Annahmen heraus mit Schnellschüssen zu kommen."

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