16 Jahre lang

1.400 Kinder in britischer Stadt missbraucht

Ausland
27.08.2014 11:06
Schon wieder erschüttert ein Missbrauchsskandal ungeahnten Ausmaßes Großbritannien: Wie nun erst bekannt geworden ist, wurden von 1997 bis 2013 in der Stadt Rotherham bis zu 1.400 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt. Und wieder einmal sollen die Behörden weggeschaut und die teils furchtbar brutalen Übergriffe sogar zu vertuschen versucht haben.

Noch ist das Entsetzen über die zuletzt aufgedeckten Missbrauchsfälle in Großbritannien frisch: Zum einen wurde erst vor Kurzem öffentlich gemacht, dass der ehemalige BBC-Moderator Jimmy Savile über Jahre hinweg mehr als 500 Menschen im Alter von fünf bis 75 Jahren vergewaltigte und sich sogar an Toten verging. Dann kam heraus, dass Politiker bis in höchste Kreise in den 1970ern und 1980ern einen Pädophilenring betrieben haben sollen.

In beiden Fällen wurden den Behörden und Politikern schwere Vorwürfe gemacht: Jahrzehntelang seien Opfer mundtot gemacht und die Vorwürfe unter den Teppich gekehrt worden, außerdem seien kaum Anstrengungen unternommen worden, das wahre Ausmaß der Skandale zu untersuchen.

1.400 Opfer - Drahtzieher bekannt
Genau das scheint auch auf den Fall Rotherham zuzutreffen, wie nun ein Bericht der Kommunalverwaltung offenlegt. Zwischen 1997 und 2013 wurden demnach bis zu 1.400 Kinder und Jugendliche missbraucht. Die Haupttäter sind schon länger bekannt: Im Jahr 2010 wurde eine fünfköpfige Bande von Kinderschändern mit Wurzeln in Pakistan verurteilt. Die Täter erhielten Haftstrafen von elf, neun, zweimal vier und einmal viereinhalb Jahren.

Damals war allerdings von einer weit geringeren Zahl von Opfern die Rede. Dabei gab es zwischen 2001 und 2006 drei Berichte, in denen Alarm geschlagen wurde. Doch der erste wurde unter Verschluss gehalten, die beiden anderen ignoriert. Angeblich mit ein Grund war die Angst der Behörden vor Rassismusvorwürfen, da die Täter meist als Männer asiatischer Herkunft beschrieben wurden, so der nunmehrige Bericht. Einige Polizisten hätten diesen Sachverhalt daher gar nicht erst dokumentiert, anderen sei dies so befohlen worden.

Vergewaltigt, verprügelt, entführt, mit Benzin übergossen
So kommt es, dass das Ausmaß der brutalen Vorfälle erst jetzt öffentlich wird. Die Täter gingen laut der Autorin des aktuellen Berichts, der Professorin Alexis Jay, äußerst brutal vor. Zum Teil seien elfjährige Mädchen von mehreren Tätern vergewaltigt, entführt, in weitere Städte Englands geschleust, geschlagen und eingeschüchtert worden. Doch "es waren nicht nur Mädchen", so Jay. Die Opfer seien zum Teil mit Benzin übergossen und mit dem Anzünden und Erschießen bedroht worden. Sie hätten außerdem zum Teil bei brutalen Vergewaltigungen zusehen müssen, bei denen ihnen gesagt wurde, dass sie als nächstes dran seien.

"Es ist schwer, die abstoßende Natur des Missbrauchs, den die kindlichen Opfer erlitten haben, zu beschreiben", heißt es im Bericht. Die Auswirkungen waren verheerend: Einige hätten als Reaktion mit Selbstverletzungen begonnen, andere Selbstmordversuche begangen. Ein Kind habe wiederholt versucht, sich vor fahrende Autos zu werfen.

Polizei schaute weg oder nahm die Falschen fest
Kein Wunder, so der Bericht, schließlich seien die Opfer oftmals als die Schuldigen hingestellt worden, zudem hätten die Behörden sie im Stich gelassen. So wurden etwa verzweifelte Eltern festgenommen, als sie versuchten, ihre Kinder aus den Häusern der Peiniger zu befreien.

Ein elfjähriges Mädchen wurde laut Jay in einem Taxi gefunden - betrunken und an der Seite eines Mannes, der Nacktbilder des Kindes aufgenommen hatte. Das Opfer gab an, mit einem weiteren Kind von mehreren erwachsenen Männern sexuell missbraucht worden zu sein - doch die Polizei unternahm laut Bericht nichts. Vier Monate später wurde dasselbe Mädchen mit einer Gruppe Männer in einem leeren Haus gefunden. Doch diese kamen ungestraft davon, stattdessen wurde das Mädchen wegen Trunkenheit und ordnungswidrigen Verhaltens festgenommen.

Auch ein 13-jähriges Mädchen wurde vergewaltigt und verschleppt - als ihre Eltern die Polizei informierten, geschah erneut nichts. Stattdessen sei in den Aufzeichnungen der Behörde sogar zu finden, dass das Mädchen sich selbst in Gefahr begeben habe. Dabei waren die Opfer schwer verstört und wurden von ihren Vergewaltigern weiter bedroht: Ein Kind etwa erhielt eine SMS, dass die Täter seine kleine Schwester in ihrer Gewalt hätten und es seine "Wahl" sei, was mit ihr passiert. Das Mädchen zog ihre Anzeige bei der Polizei zurück.

Opfern zum Teil echte Liebe vorgegaukelt
Ihre Opfer fanden die Männer in Kinderheimen und anderen Hilfseinrichtungen, wo sie mit Geschenken und Fahrten in schnellen Autos lockten. Vielen der Kinder und Jugendlichen seien echte Beziehungen vorgegaukelt worden, heißt es im Bericht - und das, obwohl sie oft von einem Mann zum nächsten weitergereicht und zur Prostitution gezwungen wurden.

Einige Opfer hätten wegen ihrer Erlebnisse schwere Alkohol- und Drogenprobleme, berichtet Alexis Jay. Um wie viele Menschen es sich genau handelt und wie es ihnen geht, ist allerdings schwer zu sagen. Schließlich hat nicht nur die Polizei viel unter den Teppich gekehrt, auch zahlreiche Akten von Sozialarbeitern wurden schlampig geführt oder sind verschwunden. Zudem wurde auch hier viel verharmlost: Als sich etwa eine besorgte Mutter an Sozialarbeiter wandte mit dem Verdacht, ihre 14-jährige Tochter werde mit Alkohol gefügig gemacht und sexuell missbraucht, wurde ihr vorgehalten, sie könne einfach nicht akzeptieren, dass ihr Kind erwachsen werde.

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