Reaktionen

Enttäuschter Darabos: “Bürger hat immer recht”

Österreich
20.01.2013 22:25
Während bei der SPÖ nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Bundesheer-Volksbefragung Katzenjammer herrschte, feierte die ÖVP in der Parteizentrale in Wien ausgelassen das klare Votum pro Wehrpflicht.

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) äußerte sich bereits wenige Minuten nach Bekanntgabe des Ergebnisses "enttäuscht, dass sich das zweitbeste System durchgesetzt hat". Er habe gehofft, junge Männer vom Zwangsdienst zu befreien, "das Votum ist aber zu akzeptieren, der Bürger hat immer recht".

Darabos will nun eine Reformgruppe innerhalb des Bundesheeres bilden, die Vorschläge durchleuchtet und versucht, die Rekrutenausbildung zu verbessern. Dies werde "relativ schwierig, aber machbar". Auf die Frage, ob er nun zurücktrete, sagte Darabos, dass nicht über ihn, sondern über das Wehrsystem abgestimmt worden sei. "Ich bin gerne Verteidigungsminister und habe mir auch nichts zuschulden kommen lassen."

Positiv beurteilte Darabos die Wahlbeteiligung, diese sei ein Beweis für das Funktionieren von direkter Demokratie. Groß in die "Manöverkritik" - nämlich der SPÖ-Kampagne für ein Berufsheer - wollte er noch nicht einsteigen. Es habe "gute Argumente" gegeben, und erste Nachwahlanalysen würden auch zeigen, dass sich junge Leute eher für eine Abkehr vom bisherigen System ausgesprochen hätten, Ältere für einen Beibehalt des verpflichtenden Präsenzdiensts.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Sonntagabend versichert, dass das Ergebnis der Volksbefragung ab Montag umgesetzt werde. In Verteidigungsminister Darabos habe er weiterhin vollstes Vertrauen. "Heute hat keine Befragung stattgefunden für oder gegen einen Minister oder eine Regierung." Faymann zeigte sich überzeugt, dass der Ressortchef ab Montag das Ergebnis umsetzt. "Jawohl", meinte er auf die Frage, ob Darabos bis zur Nationalratswahl im Amt bleiben wird.

Den Ausgang der Volksbefragung begründete der Kanzler so: "Weil der Bürger, die Bürgerin diese Meinung vertritt." Man habe als Partei ausreichend Zeit gehabt, die Bedenken gegen das derzeitige System zu äußern bzw. die Vorschläge vorzubringen. "Das Volk, der Souverän, hat entschieden." Auf die Frage, ob er angesichts des Ergebnisses persönlich enttäuscht sei, erklärte Faymann: "Persönlich habe ich fürs andere geworben." Die Entscheidung der Bevölkerung sei aber zu respektieren.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter erklärte, dass die Sozialdemokraten "die Entscheidung der Bevölkerung selbstverständlich zur Kenntnis nehmen". Er wollte das Ergebnis aber nicht als Sieg oder eine Niederlage für eine Partei sehen. "Die Volksbefragung hat nichts mit den Wahlen zu tun." Darabos soll nach Meinung Kräuters "auf jeden Fall" im Amt bleiben. Dem SPÖ-Modell für ein Berufsheer sei von den Österreichern eine "Absage" erteilt worden, räumte der Bundesgeschäftsführer ein. Nun werde mindestens ein Jahrzehnt das derzeitige System beibehalten, auch wenn der Trend in Europa in Richtung Berufsheer gehe, meinte er.

Hannes Androsch, Vorsitzender des Pro-Berufsheer-Komitees, hat sich etwas zerknirscht gezeigt: "Es freut mich nicht." Das Ergebnis "war nicht überraschend. Angesichts der kurzen Vorbereitungszeit konnte man nicht die emotionalen Nebelgranaten abwenden", meinte Androsch. Verteidigungsminister Darabos solle auch trotz dieser Entscheidung weiterhin Ressortchef bleiben, schließlich habe es sich um keine Personenentscheidung gehandelt, so Androsch.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betonte: "Als Demokrat habe ich das zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn ich anderer Meinung bin." Ob er enttäuscht ist, wollte er nicht sagen, denn: "Es ist, wie es ist." Für ihn sei es kein Fehler gewesen, vor gut zwei Jahren - kurz vor der Wien-Wahl 2010 - die Heeresdebatte losgetreten zu haben. "Ich bereue das überhaupt nicht, denn für mich war diese Diskussion eine lebensbegleitende Diskussion, und jetzt ist sie einmal entschieden."

Die Österreicher hätten sich für die Beibehaltung von Wehrpflicht und Zivildienst ausgesprochen, nicht aber für eine Beibehaltung des Status quo, reagierte Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ). "Wir müssen uns der hohen Verantwortung gegenüber direkter Demokratie bewusst sein und diese als Chance für zukünftige Entwicklungen nutzen. Das bedeutet aber auch, notwendige Veränderungen umzusetzen", so Burgstaller, die sich entgegen der Parteilinie für die Wehrpflicht ausgesprochen hatte.

Der Wählerwille sei zu respektieren, "für mich ist das Ergebnis auch bindend", kommentierte Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) den Ausgang der Volksbefragung. Dass die Wehrpflicht bleibe, sei zur Kenntnis zu nehmen. "Ich war für das Profiheer, weil ich der Überzeugung war, dass das eine große Chance für die Jugend ist."

ÖVP-Chef und Außenminister Michael Spindelegger ist "dankbar, dass unsere Bevölkerung so entschieden hat". Entscheidend sei gewesen, dass man vor der Volksbefragung präsent gewesen sei und "alle in der ÖVP an einem Strang gezogen" hätten. Das Ergebnis übertreffe sogar die Erwartungen, er sei dankbar und demütig, sagte Spindelegger und kündigte an, dass man am Montag mit der Reform des Bundesheeres beginnen werde.

ÖVP-Vizeparteichef Reinhold Mitterlehner erkennt im vorläufigen Ergebnis der Volksbefragung einen "Schwung" für die ÖVP im anstehenden Superwahljahr. "Ich sehe es demokratiepolitisch sehr positiv", weil die Beteiligung über den Annahmen der Meinungsforscher gelegen sei, so der Wirtschaftsminister. Ebenso positiv sei, dass es eine "klare Sachentscheidung", einen "klaren Auftrag" gebe. Als nächsten Schritt müsse man nun die Reform angehen.

Dass für einen Erhalt der Wehrpflicht mehr Geld notwendig sei, wie dies Darabos gemeint hatte, glaubt Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) nicht. Sie verweis darauf, dass das Bundesheer seinen Budgetpfad bereits bis 2016 fixiert habe. Sie gehe davon aus, dass innerhalb dieses Rahmens Reformschritte möglich sein werden. Zur Frage, ob doch noch zusätzliches Geld fließen könnte, meinte die Finanzministerin: "Ich wüsste nicht, woher."

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) freute sich über "einen Sieg für Österreich". Auf Nachfrage sah die Ministerin freilich auch einen "Sieg für die ÖVP". Mikl-Leitner will nun Gespräche mit der SPÖ beginnen und eine Reform des Grundwehrdienstes bis Herbst umgesetzt sehen. Das Ergebnis zeige, dass den Österreichern Werte wie "füreinander da zu sein" wichtig seien.

Der Leiter des ÖVP-Personenkomitees für die Wehrpflicht, Veit Sorger, sieht im Votum der Österreicher gegen ein Berufsheer einen "Sieg der Vernunft". Was Verteidigungsminister Darabos nun tun sollte, wollte Sorger nicht beantworten. Dies müsste der Ressortchef selbst entscheiden.

Die ÖVP wolle ab Montag gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPÖ die Reform der Wehrpflicht angehen. Das kündigte Generalsekretär Hannes Rauch an. Ob Darabos im Amt bleiben soll, überlässt Rauch der SPÖ. Er traue dem Verteidigungsminister aber selbstverständlich zu, die Reform umzusetzen. Das Votum der Österreicher pro Wehrpflicht ist für den Generalsekretär eine "Entscheidung für Sicherheit und gegen ein teures Experiment". Als Sieg der ÖVP wollte der Generalsekretär die Volksbefragung nicht werten. Es habe sich nämlich um eine Grundsatzentscheidung zwischen Wehrpflicht und Berufsheer gehandelt. Es sei aber besser, mit einem solchen Ergebnis als mit einem anderen in ein Wahljahr zu starten.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) sieht nun Verteidigungsminister Darabos gefordert. Die Koalition habe sich darauf geeinigt, dass das Ergebnis der Volksbefragung verbindlich sei und umgesetzt werden müsste. "Er wird es tun müssen", so die Justizministerin.

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hofft, dass nach der Volksbefragung bereits "morgen" mit Reformen begonnen werde. Darauf werde er auch "sehr stark" drängen. Der "klare Spruch" sei ein "klarer Auftrag an die Bundesregierung". Von der Deutlichkeit des Ergebnisses zeigte sich Pröll "eigentlich schon" überrascht. Er sei freilich froh, dass derartige "Klariligung jenseits der 60 Prozent an der Volksbefragung.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bezeichnete das deutliche Votum für die Wehrpflicht als klaren Auftrag des Bürgers, das System auf Basis der Wehrpflicht zu reformieren. Eine Auswirkung auf die Koalition in Wien müsse das Ergebnis der Volksbefragung nicht haben, "man soll das demokratisch zur Kenntnis nehmen", so Wallner.

Für FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ist der Ausgang der Volksbefragung ein "großartiger Tag für Österreich" und ein starkes Zeichen für Eigenverantwortung. Strache forderte den Rücktritt von Verteidigungsminister Darabos. Gefragt, ob es nun trotz Beibehaltung der Wehrpflicht Reformen geben könne, meinte Strache, die Menschen "wollen reformieren statt demontieren".

Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) zeigte sich erfreut über die relativ hohe Wahlbeteiligung in Kärnten und über das "hohe Votum für die richtige Entscheidung". Die Bevölkerung habe der Politik von Verteidigungsminister Darabos, der laut Dörfler ein "Abrüsten" beim Bundesheer betreibe, eine Abfuhr erteilt. "Die Österreicher und die Kärntner sind klüger als manche Politiker", meinte Dörfler.

Die Grünen machen den "unklaren Kurs der SPÖ" für das Ergebnis der Volksbefragung verantwortlich. Bundessprecherin Eva Glawischnig sagte, die SPÖ habe keine einheitliche Linie vertreten und ihren Schwenk zum Berufsheer nicht überzeugend argumentiert. Das habe "sehr geschadet". Die Grünen hätten hingegen eine eindeutige Linie gehabt und "keine Fehler" gemacht und auch nicht die "manipulative Fragestellung" formuliert. Die Grünen hätten sich ein anderes Ergebnis erhofft, würden das nun vorliegende aber "selbstverständlich akzeptieren".

"Die SPÖ hat es absolut vergeigt", konstatierte BZÖ-Chef Josef Bucher. Sie habe es nicht geschafft, die Alternativen zur Wehrpflicht deutlich zu machen. Verteidigungsminister Darabos habe kein Gegenkonzept mit verlässlichen Zahlen und Fakten vorgelegt.

Generalstabschef Edmund Entacher hat sich über den Ausgang der Volksbefragung pro Wehrpflicht erfreut gezeigt. Das sei die beste Lösung für das Bundesheer, und nur das sei für ihn das Ausschlaggebende gewesen. Für ihn sei "im Mittelpunkt immer nur das Funktionieren des Bundesheeres" gestanden und nicht der Konflikt mit dem Minister, sagte der höchste Offizier des Bundesheeres.

Was die künftige Zusammenarbeit mit Darabos betrifft, gab sich Entacher gelassen. "Wir wollen nur ein funktionierendes Bundesheer und sonst nichts", so Entacher, der im März in Pension geht. Über das Ergebnis der Volksbefragung sei er "froh". "Ich freue mich aufrichtig, fast wie ein Schneekönig."

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