"Kniefall" vor GB?

EU-Budget: “Haben Cameron zu sehr nachgegeben”

Wirtschaft
09.02.2013 10:12
Der zweitägige EU-Budget-Gipfel war zu einer wahren Marathonschlacht geworden, an deren Ende eine Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs auf die Finanzierung der Union bis 2020 steht. Während sich die EU-Spitzen mit dem Ergebnis zufrieden zeigten, kam schnell Kritik auf - vor allem am Verhalten des britischen Premiers David Cameron und den Zugeständnissen der anderen Gipfel-Teilnehmer. Man habe Cameron "viel zu sehr nachgegeben", sagte etwa der sozialdemokratische Fraktionschef im Europaparlament, Hannes Swoboda, am Freitagabend in der "ZiB 2". Das EU-Parlament kündigte bereits die Ablehnung der Einigung an.

Fast 26 Stunden lang verhandelten die Staats- und Regierungschefs, es wurde gefeilscht, getrickst, um Kürzungen und Rabatte gerungen. Lange Zeit stand der Gipfel auf der Kippe, am Freitagnachmittag gab es doch noch eine Einigung. Diese spielt allerdings vor allem den Briten in die Hände, was einigen Ländern sauer aufstößt.

Der britische Premier wolle "nur den gemeinsamen Markt", an den anderen Werten der EU wie etwa den Menschen- und Freiheitsrechten sei er nicht interessiert, polterte Hannes Swoboda. Man hätte Cameron vor die Wahl stellen sollen: "Entweder du hältst dich an die Regeln oder du gehst heraus aus der EU", so Swoboda. Erpressung sei "nicht zu akzeptieren". Cameron hatte erst vor Kurzem angekündigt, seine Landsleute über den Verbleib Großbritanniens in der EU abstimmen zu lassen.

"Cameron hat gewonnen und Europa verloren"
Auch in den europäischen Medien sorgte der "Kniefall" vor den Briten für entsprechende Reaktionen. So schrieb etwa die italienische "La Repubblica": "Jetzt sprechen natürlich alle von einem guten Kompromiss. Aber das Fazit der gestern erreichten Einigung ist ziemlich einfach: Cameron hat gewonnen und Europa verloren."

Die britische "Times" ließ ganz andere Töne hören: "Auch wenn im neuen EU-Haushalt weniger Geld verschwendet wird, so wird dennoch Geld sinnlos und sogar kontraproduktiv ausgegeben. Die EU-Politiker haben beschlossen, mehr Geld in die ruinöse Agrarpolitik zu stecken. Diese Politik verzerrt den Markt der Nahrungsmittelindustrie und verringert seine Effizienz. Auch wenn Cameron mit seiner Nachtarbeit zufrieden ist, so bedeutet dies keineswegs, dass man mit dem ausgehandelten Budget zufrieden sein kann."

Spindelegger: "Mehr war da sicher nicht drinnen"
Zuvor hatte bereits Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann bestätigt, dass bei den Verhandlungen von Cameron die größten Widerstände gekommen seien. Mit den Ergebnissen des Gipfels insgesamt sei er zufrieden. Was den österreichischen Nettobeitrag an Brüssel in der Höhe von 0,31 Prozent der Wirtschaftsleistung betreffe, sagte Faymann, viele andere Länder zahlten mehr. Außerdem sei Österreich "ein Meister im Abholen von Geld".

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Vizekanzler Michael Spindelegger sieht das nicht ganz so euphorisch. Im Ö1-"Morgenjournal" meinte er: "Nachdem wir ein sinkendes EU-Budget gegenüber dem letzten Mal haben und als Österreich aber das Doppelte an Beiträgen zahlen, kann man nicht sagen, man ist zufrieden." Aber: Das Ergebnis sei "akzeptabel", so der Vizekanzler: "Mehr war da sicher nicht drinnen."

Was die Einigung für Österreich bedeutet
Für Österreich bedeutet die Einigung in Brüssel, dass der Nettobeitrag auf 0,31 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt wird – das entspricht rund einer Milliarde Euro. Auch ein Teil des Rabatts bleibt erhalten, rund 95 Millionen pro Jahr. Als Ersatz für den Wegfall der Vergünstigung auf die Mehrwertsteuerabgaben erhält Österreich eine Einmalzahlung von 60 Millionen. Bestätigt wurden jene 700 Millionen Euro mehr für die ländliche Entwicklung, die bereits im Vorschlag vom November enthalten waren. Weil aber mehrere Länder solche Zusagen bekommen, verringert sich der Sockelbetrag, dadurch sinken die Rückflüsse an Österreich um etwa 60 Millionen.

Berlakovich: "Einbußen für Landwirte erträglich"
ÖVP-Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich verteidigte in der "ZiB 2" die Höhe des EU-Agrarbudgets. Die Zahlungen für die Landwirtschaft beträfen nicht nur die kleine Gruppe der Landwirte, sondern dienten der gesamten Bevölkerung, indem eine qualitativ hochwertige Ernährung gesichert werde. Die durch die Kürzungen im Budget verursachten Einbußen für die österreichischen Landwirte nannte Berlakovich "erträglich".

Opposition in Österreich schäumt
Die heimischen Oppositionsparteien ließen erwartungsgemäß kein gutes Haar an dem Budget-Entwurf. Laut FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verlasse Österreich "den EU-Budget-Basar als größter Verlierer". Schuld daran sei Faymann als oberster österreichischer Verhandler. Auch das BZÖ schoss sich auf den Kanzler ein: "Ein teurer Tag für Österreich", resümierte Parteichef Josef Bucher. "Jeder einzelne österreichische Steuerzahler zahlt persönlich die Zeche für den Umfaller" Faymanns in Brüssel. Die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek von den Grünen sprach gar von einer "Bankrotterklärung für die Union". Der Entwurf sei "eine budgetäre Zwangsjacke, die die EU für die nächsten sieben Jahre jeglichen Handlungsspielraums beraubt".

EU-Parlament "kann Einigung nicht akzeptieren"
Kritik kommt auch vom EU-Parlament, das ja das Budget absegnen muss. "Das Europäische Parlament kann die Einigung auf diesem Stand nicht akzeptieren", erklärten die Vorsitzenden der vier größten Fraktionen - Christdemokraten, Sozialisten, Liberale und Grüne - gemeinsam. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft werde nicht gestärkt.

Dem Parlament ist die Kluft zwischen Verpflichtungen und Zahlungen von rund 50 Milliarden Euro zu hoch. Denn bei 960 Milliarden Euro an Verpflichtungen sind – mit etwas Trickserei – nur 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen vorgesehen. Was bedeute, dass da ein Defizit beschlossen würde, so Parlamentspräsident Martin Schulz, und das sei verboten. Er sprach von einem "unglaublichen Täuschungsmanöver".

Die Abgeordneten wollen außerdem die EU-Mittel flexibler zwischen den Haushaltsjahren und Ausgaberubriken verschieben können. Der Vizepräsident des Parlaments, Othmar Karas, forderte zusätzlich echte Eigenmittel für die EU, damit "Europas Zukunft nicht mehr zur Geisel von Politikern wird, denen vordergründige Schlagzeilen wichtiger sind als das Wohl der Gemeinschaft".

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