Keine Kredit-Grenze?

Euro-Länder wollen ESM-Schutzschirm ohne Limit

Wirtschaft
31.07.2012 10:38
In der Euro-Zone gewinnen Überlegungen an Gewicht, die Mittel des künftigen Euro-Rettungsschirms ESM mit einer praktisch unbegrenzten Feuerkraft auszustatten, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Dienstag berichtete. Demnach soll es dem ESM erlaubt werden, ohne jegliches Limit Kredite bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufzunehmen. Zu den Befürworten einer solchen "Banklizenz" zählen laut dem Bericht wichtige Euro-Staaten wie Frankreich und Italien.

Bis zuletzt hatte es die Europäische Zentralbank strikt abgelehnt, dem ESM über eine Banklizenz die Möglichkeit zu eröffnen, sich direkt bei ihr zu refinanzieren. Nun werde laut dem Bericht der "SZ" unter Berufung auf EU- und Euro-Zonen-Vertreter jedoch konkret überlegt, dem künftigen Rettungsschirm unbegrenzten Zugriff auf Kreditgelder der EZB zu gewähren. Damit könne der ESM Krisenländer wie Spanien und Italien in Zukunft unterstützen, indem er in großem Stil Anleihen dieser Staaten kauft.

Schaffung eines ewigen Kreislaufs
Durch die künstlich geschaffene Nachfrage, so die Theorie, sinkt das Zinsniveau, das die Regierungen den Investoren anbieten müssen. Soweit enspricht das Modell den Plänen von EZB-Chef Mario Draghi. Neu hinzugekommen sei jedoch laut "SZ" die Möglichkeit, die gekauften Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit zu hinterlegen - denn trotz seines derzeitigen Volumens von 500 Milliarden Euro könnte der Rettungsschirm eines Tages leer sein. Im Gegenzug zu den hinterlegten Sicherheiten erhielte der ESM wiederum von der Notenbank frisches Geld, das er erneut zur Unterstützung wankender Euro-Staaten einsetzen könnte. Konkret hieße das, dass ein ewiger Kreislauf aus Anleihen und frischem Geld entstehen würde.

Ähnliche Überlegungen sind spätestens seit Dezember des Vorjahres bekannt. Es sei aber "niemals konkret darüber geredet" worden, zitiert das Blatt einen hohen EU-Diplomaten. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre, in denen ständig aufs Neue an der Ausstattung der Fonds gezweifelt worden sei, hätten Experten und Politiker jetzt aber beschlossen zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen "der Fonds einen direkten Zugriff auf die EZB erhalten sollte".

Zu den Befürwortern zählen laut Informationen der "SZ" neben wichtigen Euro-Staaten wie Frankreich und Italien auch führende Mitglieder des EZB-Rats. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte über die Pläne nicht erfreut sein – lehnen die Bundesregierung in Berlin und die Bundesbank die Idee einer "Banklizenz" für den ESM bisher ab, weil dies die Inflation anheizen, die Unabhängigkeit der EZB gefährden und gegen die EU-Verträge verstoßen könnte, heißt es in dem Bericht weiter.

Ex-EZB-Chefvolkswirt: "Verstoß gegen Europarecht"
Der Notenbank ist die direkte Staatsfinanzierung nach ihren Statuten verboten. Die Ausstattung des Euro-Rettungsschirmes mit einer Banklizenz wäre ein klarer Verstoß gegen europäisches Recht, kritisierte am Dienstag auch der frühere EZB-Chefvolkswirtes Jürgen Stark. Dies würde bedeuten, dass Staaten künftig indirekt über die Europäische Zentralbank finanziert würden, sagte der Ökonom im Deutschlandfunk. Es sei jedoch nicht Aufgabe einer modernen Notenbank, Staaten Geld zu geben, so Stark.

Indirekt tat die EZB dies bereits bis Jahresanfang 2012, indem sie über ein umstrittenes Anleihenaufkauf-Programm Staatsanleihen im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro am Markt kaufte und so die Kreditkosten von Krisenländern senkte. Auch wegen dieser unkonventionellen Maßnahmen hatte Stark seinen Posten als Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank aufgegeben (siehe Infobox).

Gespanntes Warten auf Draghi-Sager
EZB-Chef Mario Draghi hatte vorige Woche beteuert, alles für den Erhalt der Gemeinschaftswährung tun zu wollen. An den Märkten waren seine Äußerungen dahingehend interpretiert worden, dass die EZB ihre Anleihenaufkäufe wieder aufleben lassen wird, um einen weiteren Anstieg der Renditen für italienische und spanische Anleihen zu verhindern. Bereits am Donnerstag könnte Draghi die Wiederaufnahme des umstrittenen Programms bekannt geben.

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